“Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen–“

Vor mittlerweile über 2 Jahren starb Cheibani Wague bei einer sogenannten Amtshandlung im Wiener Stadtpark. Auf dem Bauch liegend wurde er durch mehrere Personen fixiert, die zum Teil mit beiden Beinen auf ihm standen. Angeklagt wurden nun 10 Personen: 6 PolizeibeamtInnen, 3 Sanitäter und ein Notarzt. Die erste Runde des Prozesses ging am 21. Juli mit einer Vertagung vorerst zu Ende.

Es war am 15.07.2003, als der Mauretanier Cheibani Wague und der Wiener Sozialarbeiter Malle im Afrikakulturdorf im Wiener Stadtpark, welches im Sommer 2003 als Treffpunkt zum Kennenlernen afrikanischer Kultur eingerichtet wurde, in Streit gerieten. Der Streit wurde immer heftiger, Malle fühlte sich bedroht, verständigte die Polizei und schloss sich in seinem Auto ein. Ab dem Eintreffen von Polizei und Rettung gehen die Schilderungen weit auseinander und reichen von Behauptungen von PolizistInnen, dass Cheibani wild getobt hätte bis zu Berichten, dass er völlig kooperativ gewesen sei.

Ein Anrainer filmte den Ablauf des Geschehens und ließ dieses Video der Wiener Stadtzeitung Falter zukommen. Die Aufnahme sorgte medial für großes Aufsehen, denn was seitens der Polizei und der Rettung dementiert wurde, war darauf genau zu sehen. Der Notarzt stand scheinbar gelangweilt herum, während Cheibani regungslos am Boden lag. Ein Sanitäter und eine Polizistin posierten mit jeweils einem Fuß auf seinem Körper. Ohne diese zufällige Videoaufnahme wären die ursprünglich falschen Darstellungen des Sachverhalts durch die Angeklagten kaum in Frage gestellt worden.

Trotz redlicher Bemühungen seitens der Polizei und der Gerichtsmedizin, diesen Tod als Verkettung unglücklicher Zufälle in der Schublade verschwinden zu lassen, kommt es also zum Prozess. Eine passende Gelegenheit, sich diese „besonders gefährlichen Verhältnisse“ näher anzusehen.

Fixierung ist potentiell tödlich

Bereits nach dem qualvollen Erstickungstod von Marcus Omofuma 1999 während dessen Abschiebung erregten die Fixiermethoden der österreichischen Polizei großes Aufsehen. Es folgte ein Erlass des Innenministeriums, dass Fixieren in bestimmten Positionen höchstens 4 Minuten zulässig sei. Gute Idee! – Fixieren kann zu akuter Atemnot führen. Bei Erstickung kommt es nach 2 – 3 Minuten zur Bewusstlosigkeit, daraufhin ist der/die Betroffene nur noch wenige Minuten reanimierbar, nach 4 – 5 Minuten ist das Opfer in der Regel kaum mehr zu retten.

Mit diesem Erlass hat das Innenministerium ein – wenn auch zeitlich begrenztes – Instrument legitimiert, das zumindest potentiell tödliche Folgen haben kann. Somit ist das Innenministerium keineswegs aus der Pflicht zu nehmen. Doch sogar, wenn hier diese Art von Fixierung legitimiert wurde, müssten die Folgen für einen Notarzt Basiswissen darstellen. Der gesunde Menschenverstand setzt bei bestimmten Amts(miss!)handelnden offenbar aus, denn eigentlich müsste für jeden denkenden Menschen nachvollziehbar sein, dass es eine massive Gesundheitsgefährdung darstellt, wenn mehrere Personen mit ihrem Körpergewicht auf einem am Boden liegenden Menschen stehen, wie im Fall von Cheibani geschehen. Klar sollte ebenfalls sein, dass die Notwendigkeit der Fixierung spätestens bei Bewusstlosigkeit nicht mehr gegeben ist. Auch der Unabhängige Verwaltungssenat kam bereits im Jahr 2003 zur Ansicht, dass konkret die Art der Fixierung Cheibani Wagues grundsätzlich geeignet sein kann, jemanden zu töten.

Amtsmisshandelt

Spätestens der Tod von Marcus Omofuma hätte speziell bei der Polizei Bewusstsein für die Gefahren des Fixierens schaffen müssen. Tatsächlich scheint es aber eher, als hätten sich die PolizistInnen die rassistische Bemerkung der FP-Politikerin Partik-Pablé besonders zu Herzen genommen. Mit ihrer Aussage, dass Menschen bestimmter Hautfarbe besonders aggressiv seien, schafft bzw. bestätigt sie ein Umfeld, in dem mit Andersfarbigen auch aggressiver umgegangen wird. So wird sie zu einer der ideologischen TäterInnen im Fall Cheibani Wague.

Eine wesentliche, vor allem von der Kronenzeitung hervorgehobene Schutzbehauptung der an der Amtshandlung beteiligten war, dass Cheibani drogenabhängig wäre. „Auf Drogen“ zu sein, passt natürlich perfekt ins Feindbild („rabiater drogensüchtiger Schwarzer!“) – nicht umsonst ist gerade der Auszug aus dem sonst anscheinend eher dürftigen Gutachten der Gerichtsmedizin so viel zitiert, nach dem Cheibani „überdurchschnittlich gutes Haschisch“ konsumiert haben soll. Tatsächlich ist das bereits eine unzulässige Interpretation. Es ist möglich, quantitativ den THC-Gehalt im Blut eines Verstorbenen nachzuweisen – Rückschlüsse auf die Qualität oder Form der Droge (oder der Abhängigkeit von ihr) zu ziehen, nicht!

Die Todesursache war anscheinend nicht so leicht feststellbar wie die Qualität des konsumierten Haschisch. Ein angeborener Herzfehler soll eine Rolle gespielt haben. Nachdem die Amtshandlung laut Gutachten in „engem zeitlichem Zusammenhang“ mit dem Tod stand, kann ein ursächlicher Konnex nicht ausgeschlossen werden. Allzu vage sind diese Schlüsse und allzu typisch die besonders hervorgehobenen bzw. an den Haaren herbeigezogenen Nebenumstände (auf Drogen – krank – psychotisch – gewalttätig) die offensichtlich dazu dienen sollen, den Vorfall zu verharmlosen, zu rechtfertigen und die Schuld beim Opfer zu suchen.

Die angebliche Psychose von Cheibani, noch dazu eine „tobende“ (wie die Medien erklärten), soll das Vorgehen erklären und die Umstände mildern, indem sie Cheibanis Gefährlichkeit unterstreicht. Das wiederum diskriminiert tatsächlich psychisch Kranke, die im Vergleich zur „psychisch gesunden“ Bevölkerung statistisch nicht gewalttätiger sind. Fest steht: Egal ob körperlich oder psychisch beeinträchtigt – derartige Misshandlungen können nicht gerechtfertigt werden.

Cheibani Wague wurde laut Zeugenaussagen auch mehrmals im bereits fixierten Zustand auf Hinterkopf und Nacken geschlagen, was auch die Obduktion bestätigt. Hätte er überlebt, wären diese Schläge kein Thema gewesen, sondern in der österreichischen Normalität untergegangen.

Das beweist auch der kürzlich veröffentlichten Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarates, der das Vorgehen der österreichischen Exekutive näher untersucht. In diesem Bericht lauten die Vorwürfe: Ohrfeigen, Fausthiebe, Tritte sowie Schläge auf den Kopf, vor allem gegen Verdächtige, die nicht sofort ein Geständnis ablegen. Innenministerin Ilse Prokop konnte von ihrem Büro aus prompt nichts davon verifizieren.

Was steht dahinter?

Warum kommt es ausgerechnet besonders gern bei Amtshandlungen gegen SchwarzafrikanerInnen zu solchen Vorfällen? Das Vorgehen der Beteiligten bzw. die Unterlassungen spiegeln nicht nur hier das gesamte rassistische Umfeld wieder, in dem sich die Exekutive und ihre HelferInnen bewegen. (Besonders beschämend in diesem Zusammenhang die jüngst erfolgte Zustimmung der Sozialdemokratie zum neuen Asylgesetz, das die Zwangsernährung von Flüchtlingen erlaubt. Anstatt den Rassismus und die Xenophobie der Regierung anzugreifen, macht sich die Sozialdemokratie zum Handlanger von ÖVP/FPÖ/BZÖ und unterstützt derartige Tendenzen in der Bevölkerung.)

Dieser Prozess – der nun aufgrund eines ausständigen notfallmedizinischen Gutachtens auf unbestimmte Zeit vertagt wurde – wird, wie auch immer das Urteil lautet, nicht reichen. Denn auch die Botschaften für andere PolizistInnen sind bereits klar ausgesendet: Während die Rettung mit Suspendierung der beteiligten Mitarbeiter reagierte, verteidigte Innenminister Strasser seine Beamten noch.

Solange breite Teile der Bevölkerung stillheimlich zustimmen, Parteien und Medien diese Stimmung nutzen und Minister derartiges Vorgehen einfach leugnen oder ignorieren, muss damit gerechnet werden, dass die Exekutive als ausführendes Organ auch so weitermacht.