Ein Fall für Zwei? PDS und WASG kandidieren gemeinsam

Laut Umfragen werden für die Bundestagswahlen im Oktober der "Linkspartei", der gemeinsamen Liste der linksreformistischen Parteien PDS und WASG, gute Chancen auf den dritten Platz im Bundestag eingeräumt. Nach dem Versagen der traditionellen ArbeiterInnenpartei SPD wird links neues Potential frei. Doch kann die neue Linksformation dieses Potential nützen? Erst im Jänner 2005 hat sich die WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) als Bundespartei gegründet. Als Verein entstand die WASG aus einer Abspaltung von kritischen GewerkschafterInnen, die das im Juni 2003 von SPD und Grünen verabschiedete "Reformpaket" Agenda 2010 ablehnten. Diese massiven Einschnitte in das Sozialsystem, die vor allem die Arbeitslosenbezüge betrafen, waren für viele AktivistInnen triftige Gründe, nach einer linken Alternative zu suchen.

Bei der Bundestagswahl tritt die WASG nun mit der vor allem in Ostdeutschland verankerten PDS (Partei des demokratischen Sozialismus), der Nachfolgepartei der stalinistischen Staatspartei SED, in einem Wahlbündnis an. Dieser Zusammenschluss ist vom parlamentarisch-taktischen Standpunkt – dessen Ziel es ist, im Idealfall sogar an einer Regierung beteiligt zu sein – verständlich. Dieser Logik folgend, stand auch der WASG-Spitzenkandidat und ehemalige SPD-Parteivorsitzende, Oskar Lafontaine, nur für ein gemeinsames Wahlbündnis (inklusive Mandat für ihn selbst) zur Verfügung und meinte, es sei nicht sinnvoll, wenn zwei kleine Parteien links der SPD anträten.

Wahllos?

Die Bündnispartnerin sollte allerdings auch klug gewählt sein. Die PDS trägt in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Regierungsverantwortung, akzeptiert die bürgerliche Sparlogik und beteiligt sich an Sozialabbau und Abschiebungen. In Berlin haben PDS und SPD gemeinsam sogar das größte Sparpaket der Berliner Stadtgeschichte geschnürt. Gespart wird vordringlich beim öffentlichen Dienst, wo durch Lohnkürzungen und Stellenabbau eingespart wird, so etwa 13.000 Stellen bis 2007. Für AlleinerzieherInnen (hauptsächlich trifft dies ohnehin wirtschaftlich oft schlechter gestellte Frauen) gibt es von der Berliner SPD-PDS Regierung auch ein "Geschenk". Neben der teilweisen Einstellung der Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten aus Geld- und Personalmangel wurden auch die Gebühren drastisch angehoben, in Folge wird mit einer 10-prozentigen Vertragskündigung von Seiten der Eltern gerechnet. Aber auch der Bildungsbereich wird weiter von der Regierung angegriffen. Nach jahrelangem Bildungsabbau sollen nun weitere 75 Millionen Euro an den Berliner Universitäten eingespart werden. Dies hätte die Vernichtung von mindestens 10.000 weiteren Studienplätzen und tausenden Jobs in den Hochschulen zur Folge.

Wählbar?

Von fortschrittlichen Personen kann die PDS angesichts ihrer Politik nicht als Alternative zum SPD-Sozialabbau gesehen werden. Die WASG allerdings vereint fortschrittliche Menschen, auch ihr WählerInnenpotential entspricht jener Bevölkerungsschicht, die auch den PDS-gefärbten Sozialabbau – der auf die "soziale Verträglichkeit geprüft wird" – ablehnen. Daher wurde auch das Bündnis von WASG und PDS von vielen WASG-AktivistInnen zurecht sehr kritisch betrachtet. Stimmen wie "Ich bin aus der PDS ausgetreten, weil ich mit ihrem Sozialabbau nicht einverstanden war. Jetzt finde ich mich auf einmal in einem Wahlbündnis mit ihr" waren in WASG-nahen Internet-Foren keine Seltenheit.

Die kurzfristige Stimmenmaximierung jedenfalls kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die WASG mit der gemeinsamen Kandidatur eine wesentliche Chance vergeben hat, sich als kämpferische und glaubwürdige Alternative gegen jeden Sozialabbau zu positionieren und damit tatsächlich eine Bewusstseinsveränderung einzuleiten. Mindestanforderung an den Zusammenschluss mit der PDS wäre jedenfalls die Forderung an diese gewesen, einen radikalen Wechsel ihrer Politik vorzunehmen und sich an keinerlei Sozialabbau mehr zu beteiligen – ein Austritt aus den Regierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wäre die logische Konsequenz daraus.

Während im Osten die PDS aus ähnlichen Gründen wie die SPD im Westen gewählt wird (Traditionelle Verankerung, Alternativlosigkeit, …), steht die WASG im Westen tatsächlich für einen Neuanfang. Im Osten gab es in den letzten Jahren dementsprechend verstärkt linke Kandidaturen jenseits der PDS, so in Berlin oder in Rostock, wo nun sogar eine trotzkistische Abgeordnete im Stadtrat sitzt. Ein starker Stimmengewinn für die "Demokratische Linke – PDS" wäre also im Westen jedenfalls ein fortschrittliches Zeichen, während eine Stimme im Osten weit differenzierter zu betrachten ist. Zu einem ähnlichen Schluss kam auch die Landesversammlung der Berliner WASG, die für die Bundestagswahl einen eigenständigen Wahlkampf beschloss, der auch vor einer Kritik am Sozialabbau der PDS nicht haltmachen soll.

Bundesweit scheinen die Weichen allerdings gestellt. Mit Lafontaine an der Spitze und dem Bündnis mit der PDS soll die WASG als linksreformistische Partei etabliert werden, die den Kapitalismus an sich nicht in Frage stellt. Sie will einen "sozialeren Kapitalismus", wird aber im kapitalistischen Wirtschaftssystem bald die Grenzen einer solchen Forderung erleben und mit den sogenannten "Sachzwängen" konfrontiert werden – ein Weg, auf dem ihr die PDS bereits vorangeschritten ist. Entweder wird die WASG also zu einer stinknormalen reformistischen Partei, die sich mittelfristig sogar in einer Regierungsbeteiligung wiederfinden könnte (was sie bereits derzeit nicht ausschließt).

Wünschenswert wäre allerdings ein anderer Weg, nämlich einer, der das kapitalistische System tatsächlich in Frage stellt. Hier sind die kritischen Mitglieder der WASG gefordert: Ein Wahlkampf, der sich gegen jeden Sozialabbau ausspricht, eine Positionierung, die sich kritisch gegen Oskar Lafontaine abgrenzt, ein Programm, das nicht auf sozialistische und systemüberwindende Forderungen vergisst – das sind die Grundlagen, auf denen eine tatsächliche Wahl-(Alternative) aufgebaut werden kann.

Lafontaine und Gysi – ungleiche Geschwister

Oskar Lafontaine, bis 1999 Vorsitzender der SPD, sucht nun seine neue politische Heimat in der WASG. Als Vorsitzender trug Lafontaine die Hauptverantwortung für den beständigen Rechtsruck der Sozialdemokratie. Als Bürgermeister von Saarbrücken, Ministerpräsident im Saarland und als deutscher Finanzminister hat er Angriffe gegen die ArbeiterInnenklasse vorangetrieben. Er war in der Vergangenheit in Korruptionsaffären verstrickt. Im Saarland hat er die Schließung mehrerer Stahlwerke und den Abbau tausender Stellen betrieben. Heute allerdings predigt er den Kampf gegen den "Finanzkapitalismus" und ist in seinen Äußerungen relativ wortradikal. Gleichzeitig sind von ihm nationalistische Töne zu hören. Er ist für die Einschränkung des Asylgrundrechts und für die Abschottung Europas durch Flüchtlingslager in Nordafrika. Ende Juni erregte er Aufsehen, indem er versuchte, mit rassistischen Phrasen Stimmenfang zu betreiben: "Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen." Lafontaine relativierte zwar später den Begriff "Fremdarbeiter", nicht aber den rassistischen Inhalt seiner Aussage, die das Problem in den MigrantInnen, nicht in den Bossen sieht.

Gregor Gysi, der renommierte PDS-Vertreter, war der letzte Parteichef der stalinistischen DDR-Staatspartei SED. Von 1990 bis 2000 war er PDS-Sprecher, später auch Fraktionschef im Bundestag. Nun ist Gysi neben Lafontaine der zweite Spitzenkandidat für die "Linkspartei". Gysi war in der Berliner SPD-PDS-Koalition Wirtschaftssenator. Er trug den Sozialabbau in Berlin mit und musste im Juli 2002 im Zuge der "Flug-Affäre" wegen privat genutzten Bonusmeilen zurücktreten. Gysi gestand, als Bundestagsabgeordneter in den Jahren 2000 und 2001 Bonusmeilen "gelegentlich auch privat genutzt zu haben, insbesondere für meine Angehörigen".

Druck auf SPD, CDU redet Klartext

Die Europawahl im Juni 2004 brachte mit knapp 22% einen Negativrekord für die traditionsreiche deutsche Arbei-terInnenpartei SPD, es folgten mehrere Niederlagen bei Landtagswahlen, zuletzt und besonders schmerzhaft im größten deutschen Bundesland, Nordrhein-Westfalen, einer ehemaligen industriellen Hochburg der SPD. Auch wenn sich die SPD mittlerweile ein wenig erholt zu haben scheint, so ist es doch bezeichnend, dass MeinungsforscherInnen schon einmal von unter 20% für die Wahlen im Herbst ausgehen mussten.

Seit längerem spürt die SPD Druck von links. Die Bundestagswahlen wurden zu einem Gutteil deshalb in den Herbst 2005 vorgezogen, da die SPD andernfalls damit rechnen musste, dass, wie Gerhard Schröder selbst zugab, bei weiterem Zuwarten neben Oskar Lafontaine weitere SPD-SpitzenfunktionärInnen und Bundestagsabgeordnete zur WASG übertreten würden. Der Antritt von WASG/PDS setzt SPD und Grüne nun massiv unter Druck und treibt sie (verbal) nach links. Die Grünen wollen plötzlich einen "modernen, linken Kurs", die SPD setzt auf das klassische Thema Umverteilung und will unter anderem eine MillionärInnensteuer einführen, bei denen SpitzenverdienerInnen höher besteuert werden.

Fast wie als Antwort darauf rückt die CDU mit einem radikalen Sozialabbau-Programm heraus. Die Schwesterparteien CDU/CSU haben sich auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Anhebung des Pensionsantrittsalters ("Verlängerung der Lebensarbeitszeit"), eine Lockerung des Kündigungsschutzes, die Aushebelung der Kollektivverträge, aber auch den Wegfall der PendlerInnenpauschale und der Steuerbegünstigungen für Nacht- und Sonntagsarbeitszeit geeinigt. Im Gegenzug werden die Reichen und Konzerne entlastet: die Körperschaftssteuer soll ebenso gesenkt werden wie der Spitzensteuersatz, der von 42 auf 39% herabgesetzt werden soll.