Franz Drexler, eine der führenden Persönlichkeiten des österreichischen Trotzkismus von 1934 bis Anfang der 1960er Jahre, ist tot. Er starb am 28. Mai 2005 in Wien.
Franz Drexler, geboren am 19. Juli 1912, stammte aus einer sozialdemokratischen Arbeiter/innen/familie aus Wien-Erdberg. Sein Vater war einer der Gründer des Arbeiterbildungsvereins Wien-Landstraße. Franz machte eine Lehre als Schriftsetzer in einer größeren Druckerei, wurde aber nach Ende der Behaltefrist gekündigt und musste sich in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten – etwa als „Badewaschl“ in den Freibädern der Gemeinde Wien.
Franz Drexler war nicht nur ein ausgezeichneter Schwimmer, der bei den Arbeitersport-Wettkämpfen viele Bewerbe gewann, sondern auch ein politisch aktiver Arbeiterturner. Er gehörte bald zu den Wehrturnern, der Eliteeinheit des Schutzbundes (der sozialdemokratischen Parteiarmee). Im Milieu der Arbeitersportler/innen lernte Franz auch seine spätere Frau Roszi kennen.
Nachdem er schon zuvor der sozialdemokratischen Parteiführung kritisch gegenüber gestanden war, zog der 22-jährige Drexler aus dem Verrat an den kampfbereiten Arbeiter/innen und der schließlichen Niederlage im Februar 1934 endgültig seine politischen Konsequenzen. Er schloss sich gemeinsam mit ganzen Gruppen von Schutzbundkämpfern aus Erdberg und anderen Bezirken dem trotzkistischen „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“ um Josef Frey an.
Drexler stieg innerhalb der trotzkistischen Untergrundorganisation rasch zu einem zentralen Kader auf, der bei der Organisation der illegalen Arbeit zuerst im Austrofaschismus und dann im NS-Faschismus eine wesentliche Rolle spielte. Als der ins Schweizer Exil gegangene Frey die Position annahm, in den mit der Sowjetunion verbündeten imperialistischen Ländern den revolutionären Defätismus aufzugeben und sich der Kampfbund um diese Frage in mehrere Gruppen spaltete, waren es schließlich Drexler, Franz Modlik und Hans Babnik, die diese Position bekämpfen und die verschiedenen Gruppen ab 1943 auf ihrer politischen Grundlage wieder vereinigten.
Ihren straffen Organisationsmethoden war es auch zuzuschreiben, dass der Trotzkismus die Zeit des NS-Terrors und der illegalen Arbeit in Fabriken und Wehrmacht in Österreich mit weit weniger Opfern überstand als in anderen Ländern. Drexler selbst war zum Dreher umgeschult und als qualifizierter Facharbeiter lange nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden. Nach seiner Einberufung meldete er sich zur Sanität, wodurch er in die Wiener Radetzkykaserne kam, wo Modlik Schreiber war. Die seit Januar 1945 wieder regelmäßig herauskommende trotzkistische Untergrundzeitung wurde von den beiden in der Kaserne der NS-Wehrmacht geschrieben und produziert.
Im Frühjahr 1945 wurde Drexler dann doch noch an die Front, die damals bereits im Burgenland verlief, verlegt. Die meisten seiner Einheit desertierten jedoch bald und suchten sich im Schneeberggebiet zu verstecken. Drexler ergab sich schließlich den sowjetischen Truppen, kehrte nach kurzer Kriegsgefangenschaft ins befreite Wien zurück und beteiligte sich an zentraler Stelle am weiteren Aufbau der trotzkistischen Organisation.
Dabei waren „Sax“, so der interne Name von Drexler, und seine Genoss/inn/en erneut zu illegale Arbeit gezwungen, da von der sowjetischen Besatzungsmacht die Gefahr drohte verschleppt zu werden (Genosse Karl Fischer wurde ja auch verschleppt). Die „Internationalen Kommunisten Österreichs“ (IKÖ), die österreichische Sektion der Vierten Internationale, formierten ein konspiratives Zellensystem. Drexler war der erste österreichische Trotzkist, der – eingeladen von einem ehemaligen französischen Zwangsarbeiter, mit dem sich Drexler während des Krieges angefreundet hatte – ein Visum für Frankreich bekam und so Kontakt mit der neuen internationalen Führung, mit Pablo und Mandel, herstellte.
Allerdings geriet die Mehrheit der IKÖ bald in Widerspruch zur internationalen Führung. Drexler, Babnik und Heinrich Thomas betrachteten – anders als Pablo, Mandel und die österreichische Minderheit um Modlik – die Ausrichtung auf den Titoismus als opportunistisch. Und angesichts der sozialdemokratischen Dominanz in der Arbeiter/innen/klasse war die Mehrheit zwar für eine Fraktionsarbeit in den SP-Strukturen, aber bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer revolutionären Organisation und eines revolutionären Profils außerhalb. Den so genannten „tiefen Entrismus“, also der Eintritt in reformistische Parteien bei weitgehender Zurückstellung der trotzkistischen Programmatik, wie er von Pablo und Modlik vertreten wurde, lehnte die Mehrheit der österreichischen Sektion ab und gehörte damit zu den eindeutigsten Verteidigern von marxistischen Positionen in der Vierten Internationale.
Angesichts der neuerlichen Stabilisierung des Kapitalismus und des sozialdemokratischen Reformismus in den späten 1940er Jahren und des beginnenden „Wirtschaftswunders“ gerieten die revolutionären Kräfte insgesamt und die IKÖ im konkreten immer mehr in die gesellschaftliche Isolation. Mehrheit und Minderheit der IKÖ verloren Leute in die SPÖ; immer mehr Genoss/inn/en resignierten und wurden de facto zu linken Sozialdemokrat/inn/en.
Anfang der 1960er Jahre, als die IKÖ schon ziemlich zusammengeschrumpft war, verlor auch Franz Drexler den Mut und zog sich vom revolutionären Organisationsaufbau zurück. Er hatte sich schon zuvor, damals noch im Sinne der IKÖ und ihrer Ressourcen, einen Job gesucht, „bei dem man sich nicht umbringt“, nämlich bei der Gemeinde Wien. Auch wenn Drexler in den kommenden Jahren sogar (linker) SPÖ-Funktionär wurde, so blieb er doch immer Sympathisant des Trotzkismus. Er besuchte auch in den 1970er und 1980er Jahren immer wieder trotzkistische Veranstaltungen und unterstützte Gruppen mit Spenden.
In den frühen 1990er Jahren ist Franz Drexler dann wieder verstärkt mit trotzkistischen Organisationen in Verbindung gestanden. Er war ein entscheidender Zeitzeuge für die beiden Bände zur Geschichte des österreichischen Trotzkismus, die Mitte der 1990er Jahre von der Arbeitsgruppe Marxismus herausgegeben wurden. Er hat auf mehreren Veranstaltungen von verschiedenen Gruppen aus trotzkistischer Tradition referiert, hat wieder verstärkt politische Treffen aufgesucht und war Ende der 1990er Jahre – solange es für ihn gesundheitlich möglich war – organisierter Sympathisant der AGM. Es war sicherlich auch für ihn eine Bereicherung, noch einmal den Anschluss an revolutionär gesinnte junge Leute zu finden. Er verfolgte bis zuletzt die internationale politische Entwicklung mit großem Interesse und war stets gut informiert.
Dass Franz in den letzten fünf Jahren immer schlechter gesehen hat und zuletzt de facto blind war, war für ihn eine große Qual. Denn er hat immer sehr viel gelesen, teilweise auch Literatur in englischer, französischer und italienischer Sprache, Sprachen, die er sich autodidaktisch angeeignet hat. Gerade in den letzten Jahren, als ihm auch das nahende Ende seines Lebens klar war, hat sich Franz wieder sehr bewusst und auch stolz auf die politische Tradition bezogen, die sein Leben ausgemacht hat. Er hat für das Erbe der permanenten Revolution geworben und er ist als Antikapitalist und Trotzkist gestorben. Als solchen werden wir den Genossen Franz Drexler in Erinnerung behalten.
Arbeitsgruppe Marxismus, am 31. Mai 2005
Franz Drexler hat sich gewünscht, dass vor seiner Einäscherung eine politische Abschiedsfeier abgehalten wird. Eine solche wird am Freitag, den 10. Juni 2005, um 13.30 Uhr in der Feuerhalle Simmering (Raum 3), Simmeringer Hauptstraße 337, 1110 Wien (bei Zentralfriedhof, Tor 2) stattfinden. Wir laden alle ein, daran teilzunehmen und mit uns gemeinsam dem alten Genossen die letzte Ehre zu erweisen. Wir würden uns freuen, wenn Vertreter/innen anderer Organisationen aus trotzkistischer Tradition mit Organisationsfahnen kommen (und bitten um diesbezügliche Rückmeldung).
PS: Wenn andere Organisationen, Zeitschriften oder websites die Nachricht vom Tod Franz Drexlers bekannt geben wollen, können sie gerne den obigen Text oder Auszüge daraus verwenden. Genaueres über die politische Tätigkeit von Franz Drexler findet sich in dem Interview aus Marxismus Nr. 10: Trotzkismus in Österreich – Interviews, und in Marxismus Nr. 9: Trotzkismus in Österreich – eine Analyse (seit kurzem vergriffen und jetzt neu auf unserer homepage).