Zwischen Islam & Israel – Die PLO und ihre Geschichte

Im November letzten Jahres starb der langjährige PalästinenserInnen-Präsident, PLO-Vorsitzende und Friedensnobelpreisträger Yassir Arafat in Paris. Doch woher kommt die PLO und wie verlief die Geschichte der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, die Arafat über Jahre führte?

Vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg setzte eine Masseneinwanderung von Juden und Jüdinnen in das britische Völker-bundmandat “Territorium Palästina” ein. Diese Einwanderung war die Folge des Antisemitismus in Westeuropa, der im Holocaust seinen Höhepunkt fand. Davor war die Einwanderung nach Palästina nur für eine Minderheit interessant, nach der Erfahrung des Holocaust änderte sich dies. Dass Palästina als Ziel gewählt wurde, hängt nicht nur mit der Bibel, sondern auch mit der Ideologie des Zionismus zusammen. Der von Theodor Herzl begründete Zionismus propagierte die Einwanderung nach Palästina unter dem irreführenden Motto “Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land” und nahm damit die spätere Vertreibung der PalästinenserInnen theoretisch vorweg. Eingewanderte Juden und Jüdinnen gründeten paramilitärische Organisationen wie die sozialdemokratische Haganah, die Stern-Bande und die rechtsaußen angesiedelte Irgun, die Terrorakte gegen die britischen BesatzerInnen ausübten. Die Haganah gilt als Vorläuferin der israelischen Armee, die anderen Gruppen wurden ebenfalls in die Armee eingegliedert.

Gründung Israels …

Am 9.11.1947 beschloss die UN schließlich eine Teilung Palästinas, wobei der zionistische Staat 56% des Territoriums umfassen sollte. Eine erhebliche Benachteiligung also der einheimischen Bevölkerung, da Juden und Jüdinnen zu diesem Zeitpunkt nur eine Minderheit der Bevölkerung darstellten. Gegen den Willen der AraberInnen wurde am 14.5.1948 der unabhängige Staat Israel ausgerufen und sofort von den USA und der UdSSR anerkannt. Einen Tag später begannen die benachbarten arabischen Staaten den ersten israelisch-arabischen Krieg, der Anfang 1949 mit einem Waffenstillstand endete. Der Gaza-Streifen kam unter ägyptische Kontrolle, Jordanien behielt die Herrschaft über Ost-Jerusalem und das West-jordanland. Ein Großteil der arabischen Bevölkerung, rund eine Million, wurden aus Israel vertrieben und musste in Flüchtlingslager ziehen, in denen sie noch heute lebt. Eine britische Volkszählung ergab 1947 eine Bevölkerung von 1.157.000 Moslems, 146.000 ChristInnen und 580.000 Juden/Jüdinnen. Zwei Jahre später gab es in den Teilen Palästinas, die jetzt besetzt waren, nur noch 200.000 Moslems.

… und der PLO

Viele Vertriebene schworen Rache, erstmals begann sich eine palästinensische nationale Identität zu entwickeln. Der Hass und Zorn gegen die israelische Besatzung schweißte die Bevölkerung zusammen, der Widerstand begann. Als Dachverband der wichtigsten Organisationen in Palästina kristallisierte sich die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) heraus, die 1964 auf der Gipfelkonferenz der arabischen Liga in Alexandria (Ägypten) gegründet worden war.

Die Initiative zur Gründung ging vor allem vom links-nationalistischen ägyptischen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser aus, der seinen politischen Einfluss auf die palästinensische Bevölkerung ausweiten wollte. Sein Freund Achmed Shuqairi wurde mit dem PLO-Vorsitz betraut. Die Führungen der verschiedenen Widerstandsgruppen sollten zentralisiert und unter Kontrolle der arabischen Liga gestellt werden. Dazu wurde die PLO ausgewählt, die keine einheitliche Organisation, sondern eine Art “Parlament” des palästinensischen Widerstandes ist. Die wichtigste Fraktion in ihr ist die Al-Fatah.

Die PLO war eine kleinbürgerliche linksnationalistische Organisation mit dem Ziel eines säkularen palästinensischen Nationalstaats in den Grenzen des britischen Mandatsgebietes von 1920. Dies sollte somit das komplette Gebiet des heutigen Israel, den Gazastreifen, das Westjordanland, den südlichen Teil der Golanhöhen und das Königreich Jordanien einschließen. Hauptstadt sollte Jerusalem werden.

Die PLO verstand sich aber nicht als “linke” Organisation, sie agierte vielmehr als “Volksfront” unter Einschluss bürgerlicher Kräfte, in einer “geschichtlichen Phase, die das palästinensische Volk jetzt durchlebt, die des nationalen Kampfes zur Befreiung Palästinas” (Nationalcharta Art. 8, Grundsatzprogramm der PLO). Ihr Programm diente dazu, die Klassengegensätze zu überdecken und einzig und allein der nationalen Frage unterzuordnen. Die soziale Frage wurde kaum gestellt, denn sie hätte die Gegensätze innerhalb der palästinensischen Bevölkerung aufgedeckt.

1969 wurde Yassir Arafat zum Vorsitzenden der PLO gewählt. Mit Arafat übernahm auch die, 1957 gegründete Bewegung zur Befreiung Palästinas (Al-Fatah), aus der 1959 die gleichnamige Partei hervorging, die Führung in der PLO. Im selben Jahr als Arafat die Führung der PLO übernahm, wurde auch der bewaffnete Kampf gegen Israel in die Nationalcharta aufgenommen.

Schwarzer September

Im September 1970, dem sogenannten “Schwarzen September”, wies der damalige König von Jordanien, König Hussein, die palästinensischen Gruppen, und somit auch die PLO, die ihr Büro in Jordanien hatte, aus dem Land aus. Sie versuchte, sich eine neue Basis im Libanon zu schaffen, doch Eindämmungsversuche Syriens ab 1976 und schließlich die Invasion Israels im Libanon 1982 bewegten die PLO-Spitze dazu, nach Tunis zu übersiedeln. Dort war auch der Sitz der arabischen Liga, die Ägypten nach dessen Friedensschluss mit Israel verlassen hatte.

Terror

Anfang der 70er Jahre begann der individuelle Terror palästi-nensischer Gruppen, der die Palästina-Frage weltweit in die Schlagzeilen rückte. Unter dem Namen “Schwarzer September” gründete sich später auch eine Organisation, die während der Olympischen Spiele in München 1974 die israelische Mannschaft überfiel. Insbesondere wurde aber mit Flugzeugentführungen versucht, auf die Lage in den besetzten Gebieten aufmerksam zu machen. Doch so sehr die Unterdrückung abzulehnen war, so falsch waren auch diese Gegenmaßnahmen. Denn sie trafen nicht die Verantwortlichen, sondern ließen unschuldige ZivilistInnen für die Besatzung büßen. Kontakte zum österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky ermöglichten Arafat und der PLO Anfang der 1970er den Schritt aus der internationalen Isolation. Auf dem Treffen der arabischen Liga 1974 wurde die PLO als einzige rechtmäßige Vertretung des palästinensischen Volkes anerkannt. Kurz darauf tat dies auch die UNO, zudem erhielt die PLO Beobachterinnen-status in der UN-Vollversammlung.

Nunmehr waren Arafat und die PLO bereit, den Staat Israel anzuerkennen und eine Zwei-Staaten-Lösung zu akzeptieren. Dies bedeutete, dass sie sich mit einem winzigen, unzusammenhängenden palästinensischen Staat neben Israel zufrieden gab.

IslamistInnen

Gleichzeitig gewannen neben der PLO andere Organisationen an Einfluss. Radikal-islamische Gruppierungen wie die Hamas konnten sich Anfang der 80er und nochmals mit dem Beginn der ersten Intifada im Dezember 1987 deutlich verstärken. Der Beginn der ersten Intifada resultierte aus gewalttätigen Aufständen aufgrund der zunehmend schlechter werdenden Lage in den besetzten Gebiete, die zu einem dauerhaften Zustand werden sollten. Starken Auftrieb hatten die fundamentalistischen Gruppen nach der islamischen Revolution 1979 im Iran bekommen. Aber nicht nur der Iran, auch andere Staaten wie Saudi-Arabien unterstützen und finanzierten fundamentalistische Organisationen. Israel selbst sah diese Entwicklung nicht ungern, schwächte die IslamistInnen doch die PLO und die Linke und spalteten die Bewegung. Im Dezember 1988 garantierte Arafat in einer vom US-Außenministerium diktierten Erklärung die Sicherheit Israels, und akzeptierte, dass einen Friedensvertrag mit Israel. Außerdem verurteilte er alle Arten von Terrorismus, „einschließlich individuellem, Gruppen- und Staatsterrorismus”.

PLO im Wandel

Ab 1993 spielte die PLO als palästinensische Vertreterin in Verhandlungen mit den USA und Israel in Oslo eine essentielle Rolle und versuchte, die palästinensische Autonomie voranzutreiben. Im Jänner 1996 kam es schließlich zu den ersten freien Wahlen der palästinensischen Autonomiebehörde (PA), bei denen Arafat mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten gewählt wurde. Zu dieser Zeit war aber der Einfluss der PLO bereits zurückgegangen (obwohl immer noch eine Mehrheit der Bevölkerung hinter ihr steht). Nach dem Zusammenbruch der UdSSR gingen die Geldmittel zurück, arabische Staaten und Erdölmilliardäre unterstützten islamistische oder panarabische Kräfte. Die Moslembruderschaft, aus der die Hamas hervorging, ist nur eine davon. Mit dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 (nach einem provokativen Besuch von Israels Präsident Sha-ron mit 3000 SoldatInnen am Tempelberg) hat sie nochmals an Verankerung gewonnen.

Die PLO selbst droht zwischen den beiden Polen Israel und Islamismus aufgerieben zu werden. Die palästinensische Linke hingegen ist gefordert, Antworten jenseits der Anpassung an die Wünsche Israels und des Druck der IslamistInnen zu entwickeln und gemeinsam mit der israelischen Linken für ein tatsächlich freies Palästina einzutreten

 

Aufbau der PLO

 Der Zentralrat der PLO setzt sich aus 124 Mitgliedern zusammen, die Mehrheit hält die Gruppe Al-Fatah. Die sich in der PLO befindlichen Organisationen sind die Fatah, die Volkskampffront (eine Fatah-Abspaltung), die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die Demokratische Front zur Befeiung Palästinas (DFLP), die Volksfront für die Befreiung Palästinas – Generalkommando (PFLP-GC), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF), die Palästinensische Volkspartei (PPP), die Al-Saiqa (der Blitz) und die Arabische Befrei-ungsfront (ALF).

Die Fatah nimmt im politischen Spektrum den Platz einer links-bürgerlichen Partei ein, die sich sowohl vom Islamismus als auch vom Sozialismus abgrenzen will. Der Name Al-Fatah (dt.: der Sieg) besteht (von rechts nach links gelesen) aus den Anfangsbuchstaben von Harakat at-Tahrir al-Filastini (dt.: Bewegung zur Befreiung Palästinas).

Die bekanntesten linken Gruppierungen sind die PFLP, die DFLP, ihre Abspal-tung “Fida” sowie die PPP, die ehemalige Palästinensische Kommunistische Partei (PCP). Ihre politischen Unterschiede liegen in der Stellung zum bewaffneten Kampf, zur PLO, zu Verhandlungen mit Israel (so war das “Oslo-Abkommen” der Grund für die Abspaltung der Fida) oder zu einer Regierungsbeteiligung. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle aus einer stalinistischen Tradition kommen. In einer repräsentativen Umfrage im Juni 2004 wurden die PalästinenserInnen gefragt, welcher politischen Organisation sie am meisten trauen würden. Gemeinsam kam dieses Spektrum dabei auf rund 5%, am stärksten ist die PFLP mit 2,9% (zum Vergleich: Fatah 26,4%, Hamas 21,7%).