Von Auschwitz nach Dresden – das Gedenken an die NS-Opfer und der Eklat der NPD

Während unzählige Menschen in Europa und aller Welt den Opfern des Holocaust gedenken, lässt die neofaschististische NPD mit Provokationen im sächsischen Landtag aufhorchen. Von Auschwitz nach Dresden und zurück …

 25.000 Menschen versammelten sich vergangenen Donnerstag im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau anlässlich der Befreiung des KZ durch die Rote Armee vor 60 Jahren. Unter ihnen auch etwa 2000 Überlebende des Holocaust. Während Israels Präsident – zurecht – bereits am Vortag den Alliierten des Zweiten Weltkriegs vorgeworfen hatte, dem Holocaust untätig zugesehen zu haben, versuchten Machthaber aus eben diesen Ländern, den Kampf gegen den Nationalsozialismus auf ihre aktuelle Politik umzumünzen.

"Es ist eine ernüchternde Erinnerung an die Macht des Bösen und daran, wie wichtig es ist, dass Menschen sich gegen das Böse stellen, wo immer es sein mag", hieß es in einer Erklärung von US-Präsident Bush, die Vize-Präsident Dick Cheney am Mittwoch in Krakau verlas. Wo sich das Böse versteckt, wissen die Herren aus der US-Regierung natürlich ganz genau. Momentan tummelt es sich im Irak, aber nicht nur dort, die „Achse des Bösen“ erstreckt sich zeitweise auf dutzende Länder aller Kontinente.

Der russische Präsident Vladimir Putin hingegen entblödete sich nicht, eine Brücke vom faschistischen Grauen zu den „Bedrohungen der Gegenwart“, wie dem [tschetschenischen, Anm.] „Terrorismus“ zu schlagen. Es ist allerdings eher die Rhetorik der Putin-Junta, die an den Rassenwahn des Nationalsozialismus erinnern lässt. So bezeichnete ein russischen Regierungsmitglied TschetschenInnen als „Barbaren“. Vertreter der Kirche wiederum versuchten den Sowjet-„Kommunismus“ (also den Stalinismus) mit dem Faschismus auf eine Ebene zu stellen – dabei war es die Rote Armee, die Auschwitz befreit hatte.

Eklat in Sachsen

Während die einen also zumindestens vorgeben, AntifaschistInnen zu sein, können sich die anderen nicht einmal zu Lippenbekenntnissen bewegen lassen. Als der sächsische Landtag letzte Woche eine Schweigeminute für die Opfer des Nationalsozialismus abhielt, verließen die 12 Abgeordneten der NPD demonstrativ den Plenarsaal. In der darauffolgenden Debatte relativierten sie die faschistischen Verbrechen, indem sie diese mit den alliierten Bombardements auf Dresden und andere deutsche Städte verglichen. Zwischen der Machtergreifung der Nazis 1933 und dem sogenannten „Bomben-Holocaust“ (NPD) gäbe es keinen kausalen Zusammenhang, meinte ein brauner Parlamentarier. Wir kritisieren die alliierten Massenbombardements auf deutsche Städte ebenfalls (vor allem da, wo es – wie im Fall Dresden – nicht einmal um militärische Ziele ging, sondern die ArbeiterInnenviertel der Stadt dem Erdboden gleichgemacht wurden), betonen allerdings, dass die Kritik daran niemals eine Relativierung der NS-Verbrechen beinhalten kann.

Nun dämmert es auch langsam den aufrechten „DemokratInnen“ aller Couleurs. „Die Abgeordneten der NPD haben ihre Maske fallen lassen“, meinte der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. „Es sitzen wieder Neonazis in einem deutschen Parlament.“ Nachdem die NPD letztes Jahr mit über 9% in den sächsischen Landtag einzog, versuchten viele noch zu beschwichtigen. Nach dem Motto „es wird schon nicht so schlimm werden“ verwiesen einige KommentatorInnen auf das ebenfalls ostdeutsche Brandenburg, wo die neofaschistische DVU bereits seit Längerem im Landesparlament vertreten ist. Aber während die „virtuelle“ Partei des Münchner Verlegers und Millionärs Gerhard Frey ein relativ bescheidenes Dasein fristet, ist die NPD in Sachsen (und nicht nur dort) in vielen Regionen und Städten ziemlich gut verankert. Vor allem in Teilen der sächsischen Schweiz hat sie bis zu 20% der Stimmen, ist tief in der Bevölkerung verankert und dominiert die Jugendkultur.

Im Jugendbereich punkten die Nazis vor allem mit sogenannten „nationalrevolutionären“ Phrasen, mit denen sie versuchen, den faschistischen Bodensatz unter Jugendlichen im Osten für die Partei zu gewinnen. „Frei, sozial und national“ ist eine ihrer Losungen, „Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche“ eine andere. Das Konzept dahinter sind die sogenannten „national-befreiten Zonen“. In einem Strategiepapier aus den 90ern heißt es dazu: „Wir müssen Freiräume schaffen, in denen wir faktisch die Macht ausüben, in denen wir sanktionsfähig sind, d.h. wir bestrafen Abweichler und Feinde.“ Und diese Zonen sind in vielen Regionen Realität. Vor allem in der sächsischen Schweiz gibt es Gegenden, wo sich offensichtliche Linke und MigrantInnen nicht mehr alleine auf die Straße trauen.

Der Antifaschismus der CDU

Angesichts dieser Tatsachen müsste es den PolitikerInnen, die jetzt aufschreien, längst klar gewesen sein, dass diesen Nazis mit aller Kraft entgegengetreten werden muss. Doch in dieser Causa sind wir zunächst einmal nachsichtig, schließlich ist späte Erkenntnis besser als gar keine. Aber wie sieht der bürgerliche Antifaschismus nun genau aus?

Unmittelbar nach dem Eklat im sächsischen Landtag forderten zahlreiche Politiker – von der PDS bis zur CDU – ein prinzipielles Verbot der NPD. (Zugegeben: Ganz neu ist diese Idee nicht. Wir berichteten bereits im Jahr 2000 in Morgenrot Nr.9 über die Debatte zum NPD-Verbot.) Der bürgerliche Diskurs ist bezeichnend. Anstatt sich mit den Nazis politisch auseinanderzusetzen, sollen diese einfach per Gesetz untersagt werden. Aber erstere Variante würde ja einige jener Politiker, die jetzt am lautesten nach einem Verbot schreien, selbst in Bedrängnis bringen.

Dies trifft in erster Linie auf die CDU zu. Denn innerhalb ihres rechten Flügels gibt es immer wieder Anknüpfungspunkte zu den NeofaschistInnen. Gerade die sächsische CDU war in den letzten Jahren ein Sammelbecker rechtsextremer Bürgerlicher. Das Justizministerium wurde jahrelang von Steffen Heitmann geleitet, der durch Äußerungen wie „Die Deutschen müssen vor Überfremdung geschützt werden!“ in die Schlagzeilen geraten war. Diese Umstände könnten auch erklären, woher denn die beiden Abgeordneten kommen, die in geheimen Abstimmungen bereits mehrmals mit der sächsischen NPD votiert haben.

Ein anderes Motiv der CDU könnte auch sein, dass sich die Partei unliebsame rechte Konkurrenz vom Hals halten will. Aus ihrer Sicht ist es egal, ob die Nazis nach einem möglichen Verbot ihrer Partei weiter marodieren, MigrantInnen, Juden/Jüdinnen, Linke und andere Menschen, die ihnen nicht in den Kram passen terrorisieren. Hauptsache am Wahltag werden die Kreuzerl dort gemacht, wo sie hingehören. „Rechts von uns darf es nichts geben“, meinte schon der legendäre CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß.

Die Rolle der Sozialdemokratie

Dass die CDU/CSU für den Antifaschismus das ist, was DJ Ötzi für die Musik darstellt, sollte uns ohnehin klar sein. Ein wenig anders sieht es da schon bei SPD und PDS aus. Anstatt den FaschistInnen entschlossen entgegenzutreten und den Menschen wieder eine Perspektive anzubieten, überließen diese Parteien die soziale Frage in den letzten Jahren zunehmend der extremen Rechten, die mit pseudo-sozialistischen Parolen auf Stimmenfang gehen konnte. Während SPD und Grüne auf Bundesebene den Sozialabbau durchführen, kann die NPD mit dem Slogan „Weg mit Hartz IV!“ auf ihren Wahlplakaten punkten. Während in Berlin SPD und PDS das größte Sparpaket der Berliner Stadtgeschichte umsetzen, kann die NPD dagegen agitieren. SPD und PDS tragen die Verantwortung für das Erstarken der Rechten. Würden sie eine Politik für die große Mehrheit der Bevölkerung machen, anstatt den Unternehmen jeden Wunsch von der Lippe abzulesen, würden die rechtsextremen Rattenfänger zweifellos unter ProtestwählerInnen deutlich weniger Erfolge erzielen können.

Die Verbotsforderung der PDS, die ja immer noch vorgibt, irgendwie für irgendeinen „Sozialismus“ einzutreten, zeigt, dass sich diese Kraft längst als staatstragende Partei sieht, die sich nicht dafür fürchten muss, dass diese Verbotsgesetze irgendwann einmal gegen sie selbst eingesetzt werden könnten. Wir MarxistInnen hingegen warnen davor, im Kampf gegen den Faschismus auf den Staat zu vertrauen. Die Berufung auf Gesetze oder sogar der Ruf nach härteren Gesetzen stärkt letztendlich nur den bürgerlichen Staat – und das kann der Linken sehr schnell auf den Kopf fallen. So wurden in Deutschland in den 90ern Gesetze gegen Fußballhooligans verabschiedet – sehr schnell verwendete die BRD-Justiz die selben Gesetze dazu, Linke an der Teilnahme an Demonstrationen zu hindern.

Was bringt ein Verbot?

Natürlich würde eine Verbot der NPD zumindestens ihre Strukturen empfindlich stören und sie in die Defensive bringen. Wir würden also sicher nicht offensiv gegen ein Verbot auftreten. Wir müssen aber auf real relativ geringen Auswirkungen hinweisen. Eine ganze Reihe von Verboten haben in den letzten Jahren das Naziproblem in Deutschland offensichtlich nicht gelöst, sondern meist einfach zu einer Verschiebung und zur Übertritten in neugegründete Parteien geführt. Die Nazi-Kader sind ja weiterhin existent, sie lernen einfach, mit der Situation umzugehen und flexibel neue Strukturen aufzubauen.

Der Kampf gegen den Faschismus ist einer, der vor allem politisch geführt wird. Mit Demonstrationen, Kundgebungen, Flugblatt-Aktionen und der Einbindung breiter Teile der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend wollen wir die Nazis isolieren. Dabei müssen wir tief genug ansetzen. „Radikal sein“, heißt die Sache an der Wurzel packen. Diese Wurzel ist das kapitalistische System – es bringt den Faschismus erst hervor. In Krisenzeiten finanzieren führende KapitalistInnen den Faschismus als beste Garantie gegen die ArbeiterInnenbewegung. So war es 1933 in Deutschland, so war es 1934 in Österreich, so war es 1973 in Chile, so passiert es heutzutage in manchen Gegenden Südamerikas, wo von Großkonzernen finanzierte faschistische Mörderbanden Jagd auf GewerkschafterInnen machen. In Italien arbeiteten Geheimdienste über Jahrzehnte mit faschistischen Organisationen zusammen, wobei zahlreiche blutige Anschläge verübt wurden. Auf der anderen Seite führt die Perspektivlosigkeit des kapitalistischen Systems viele erst in die Arme der Nazis (ohne, dass das für die Betreffenden als Ausrede gelten darf!).

Zurück zum Anfang. Im Angesicht der unglaublichen Verbrechen der Nazis, die in Auschwitz-Birkenau, Mauthausen, Treblinka, Dachau und anderen Konzentrationslagern bis zu 6 Millionen Juden/Jüdinnen, SlawInnen, Roma und Sinti, Homosexuelle, Behinderte und politische GegnerInnen ermordet haben, müssen wir dafür sorgen, dass der Faschismus nie wieder an die Macht kommt. Um das zu erreichen, verbinden wir unseren Kampf gegen den Faschismus, mit dem Kampf für eine andere, für eine sozialistische Gesellschaft.

 

Fußnoten:

1) Zur Diskussion um das NPD Verbot in Deutschland (MR 09/00)

2) Strategie der Spannung
Wenn der Staat tötet – am Beispiel Italien (MR 15/01)