Die Bedeutung der Agenda 2010

Der nachfolgende Text gibt – vor allem für die Leser/innen in Österreich – einen Überblick über die gegenwärtigen Angriffe auf die Lohnabhängigen in Deutschland und versucht eine grundlegende politische Bewertung. Für diejenigen Gegner/innen der österreichischen Rechtsregierung, die Hoffnungen in eine „rot“-grüne Koalition haben, ist der Beitrag auch eine nachdrückliche Warnung, was eine solche Regierungsformation in der Realität bedeutet – und dass nicht Wahlen, sondern konsequente Klassenkämpfe die einzig erfolgversprechende Antwort auf die Offensive der Kapitalist/inn/enklasse sind.

I. Das Kapitalverhältnis im Sozialstaat

Stärker noch als in anderen Teilen der Welt hat es die radikale Linke in Österreich und in Deutschland mit einem verhärteten Staatsfetisch zu tun. Eine der historischen Besonderheiten beider Länder ist gleichermaßen dessen Grund und Ausdruck: die lange Tradition einer Identität von Wirtschafts- und Sozialpolitik, von dem korporatistischen Versuch der ständischen Aufhebung des Klassenverhältnisses über die in der Volksgemeinschaft propagierte totale Einheit von Kapital und Arbeit bis zur sozialpartnerschaftlichen Vermittlung des Antagonismus.

Es handelt sich beim Staat um ein gesellschaftliches Herrschaftsverhältnis, dessen Existenz darin begründet ist, die für die Aufrechterhaltung der Kapitalakkumulation notwendigen Bedingungen zu bereiten. Das tut er zunächst über die Bereitstellung eines Regelwerks in der Form des bürgerlichen Gesetzes, das den Subjekten formale Gleichheit garantiert und dafür sorgt, dass der Träger der Ware Arbeitskraft diese auf dem Markt verkauft, wozu er ein Verhältnis eingeht, das die Form eines Vertrages hat. In diesem Schein des Vertrages zwischen Gleichen liegt schon ein Grund, warum der Staat als das erscheint, was er nicht ist – als Sachwalter des Gemeinwohls. Verstärkt wird dieser Schein, der den Kern des Staatsfetischs ausmacht, noch in der Form, die zahlreiche Staaten des imperialistischen Westens nach Ende des Zweiten Weltkrieges, und auf Basis der solcherart vorgenommenen Krisenbewältigung angenommen haben: dem Sozialstaat.

In Zeiten, in denen die Profite nichts zu wünschen übrig ließen, erschien es nur als konsequent, einen Teil davon für die Befriedung der sozialen Gegensätze aufzuwenden. Das geschah vor allem über den Auf- und Ausbau von staatlichen Versicherungssystemen, die aus zumeist zwischen „Arbeitgebern“ und „Arbeitnehmern“ aufgeteilten Beiträgen finanziert wurden. Zusätzlich zu diesem Aspekt des individuellen Anspruchserwerbs im Arbeitsverhältnis konnten im Rahmen einer Verteilung der Lasten Einkommensunterscheide angenähert werden. Nicht zuletzt konnte der Staat für jenen Teil der Klasse sorgen, der notwendigerweise aus dem Kapitalverhältnis herausfiel und arbeitslos wurde. Das sorgte nicht nur für sozialen Frieden, sondern garantierte auch, dass die Reservearmee stets einsatzbereit für den Bedarfsfall blieb. Was die Bourgeoisie heute plötzlich weiß, dass nämlich die sogenannten Lohnnebenkosten im Grunde nichts anderes als Lohn sind, stimmte damals schon genauso, denn tatsächlich zahlt das Kapital den Teil der Abgaben, der vom Lohn abgezogen wird, genauso, wie den Teil, den es selbst direkt beisteuert. Das Entscheidende an diesem Umweg über den Staat ist aber, dass ihm damit in Form eines Teils der Lohnsumme einiges an Macht in die Hände gelegt wird. Zum einen kann der Staat sich um so besser als der Sachwalter des Gemeinwohls präsentieren, zum anderen ermöglicht ihm das paternalistische System der Sozialleistungen, die Bürger/innen abhängiger zu machen und zu integrieren. Daneben kann er über diesen von ihm verwalteten Teil der Lohnsumme die Reallöhne selbst regulieren, und so in der „Standortpolitik“ Maßnahmen setzen. Von seiner Aufgabe für die Kapitalakkumulation zu sorgen weicht der Staat als Sozialstaat also keineswegs ab, im Gegenteil, er macht sie reibungsloser, widerspruchsfreier und effizienter. Über die genauen Gründe, warum immer mehr Staaten von dieser Praxis abkehren, kann gesondert gesprochen werden, fest steht jedenfalls, dass in der letzten Zeit die Spielräume für das Kapital wieder enger werden. Und eben in dieser Phase zeigen sich die Momente der nationalen Vergesellschaftung besonders, nicht allein in der Abgrenzung nach außen, als im Glauben an ein durch den Staat bereitetes Gemeinwohl aller, zu dem Kapital wie Arbeit ihren Beitrag zu leisten haben. Die weitreichendere Funktion des Sozialstaats liegt also weniger in einem bloßen Erkaufen sozialen Friedens durch Zugeständnisse, denn viel mehr in der Zementierung der Unhinterfragbarkeit der Form Staat als Organisation sozialer Verhältnisse.

II. Historische Situation des deutschen Imperialismus

Mit der Einverleibung der ehemaligen DDR hat der deutsche Imperialismus ein langfristiges Ziel erreicht, zumal die Kosten für diese Aktion bequem über Massensteuern abgewälzt wurden. Damit wurde der Weg auch frei, die Angleichung der lang beklagten Differenz zwischen der ökonomischen Bedeutung Deutschlands und insbesondere seiner politischen und militärischen Stärke auf dem geopolitischen Parkett in Angriff zu nehmen. Wie sehr auch immer die momentanen Veränderungen direkt wirtschaftlich notwendig sind, es liegt jedenfalls in der Logik des Kapitalismus selbst in diese Richtung zu marschieren, sei es um die Profite direkt zu sichern, oder um die deutsche Wirtschaft, den deutschen Staat, wie den gesamten EURO-Kapitalismus gegen die USA konkurrenzfähig zu machen.

Die Sozialdemokratie war dazu bisher in einem weitaus größeren Maß als die Regierung Kohl in der Lage, sowohl was die Aggressivität ihrer Außenpolitik als auch die Verschlechterung der Bedingungen, unter denen die Ware Arbeitskraft verkauft werden muss, betrifft.

III. Agenda 2010

Das Selbstverständnis des deutschen Sozialstaats hat sich seit der Einführung des Arbeitsförderungsgesetzes in den Sechzigern, das bis jetzt die wichtigste Grundlage der Arbeitsmarktsteuerung war, einige Male gewandelt. Vom keynesianistischen Wohlfahrtsstaat schwenkte die Regierung Kohl auf ein Modell des „schlanken Staates“ ein, der vor allem auf Kosteneffizienz und eine Rücknahme der staatlichen Eingriffe bedacht war. Das Schlagwort, mit dem die rot-grüne Regierung angetreten ist, ist das des „aktivierenden Sozialstaats“. Neben dem Newspeak, der die gesamte Agenda 2010 durchzieht, verbirgt sich darin auch die Kombination von Elementen beider vorhergegangener Modelle: Zum einen geht es darum, die Kosten für Staat und Kapital zu senken – verkauft wird das als Steigerung der Eigenverantwortung der Bürger/innen – zum anderen werden tatsächlich sehr massive Eingriffe in den Arbeitsmarkt vorgenommen. Das ist einer der Gründe, warum eine Etikettierung der gegenwärtigen Politik als Zerschlagung des Sozialstaats den Kern der Sache verfehlt. Es handelt sich nämlich keineswegs um eine neue Auflage eines Laisser-faire Regimes die Regierungsgewalt über die Bedingungen des Verkaufs der Ware Arbeitskraft wird eher ausgedehnt denn eingeschränkt. Der Aspekt des Sozialstaats, der dem Staat Macht über die Subjekte verleiht, soll in jedem Fall beibehalten werden.

„Agenda 2010“ ist das Label, unter dem Schröder sein neoliberales Programm zu Beginn der zweiten Regierungsperiode präsentierte. Der kapitalfreundliche Umbau des Sozialstaates begann freilich früher. Die Angriffspunkte lassen sich grob in drei Bereiche teilen: Renten-System, Gesundheitssystem, Arbeitsmarkt und Sozialversicherung.

Rente

Erste Etappe auf dem Feldzug war das Rentensystem, das als Versicherungssystem unter dem Einfluss demographischer Entwicklung und vor allem dem ständigen Stellenabbau bei der momentanen Verteilungslage unter dem gleichen Finanzierungsproblem leidet wie alle staatlichen Versicherungssysteme: immer weniger Beitragszahler/innen müssen die Leistungen für immer mehr Bezieher/innen finanzieren, und das immer länger.

Die Antwort der Regierung in diesem Fall war, ein langfristig angelegtes Verfahren zur Teilprivatisierung der Altersvorsorge. Dem Endprodukt hat sein geistiger Vater Walter Riester den Namen geliehen, seither bekannt als Riester Rente. Konkret ist die Absenkung des Niveaus der Sozialversicherungsrente um 25% bis 2050 geplant. Versicherungsmathematisch bzw. rechtlich funktioniert das so, dass eine fiktive Rendite einer privaten Vorsorge zugrundegelegt wird, um die jährliche Kürzung zu errechnen. Bis 2008 ist für derartige Vorsorge eine Rate von 4% des Nettoeinkommens als Standardaufwendung festgesetzt. Die Renditenerwartung, die willkürlich festgesetzt wurde, liegt bei kontinuierlichen 5,5 % – wohlgemerkt auf 50 Jahre. Der Wahnsinn einer solchen Annahme ist auf den ersten Blick ersichtlich: Ein gar nicht mal so außergewöhnlicher Börsencrash könnte bei entsprechender Anlagestrategie zu Massenaltersarmut führen. In Kombination mit den jetzt vorgenommenen Maßnahmen ergeben sich daraus eine Reihe weiterer Verschlechterungen. Die Kalkulation beruht nämlich außerdem auf der (männlichen) Normalerwerbsbiographie von 45 Jahren kontinuierlicher Beitragsleistung, also genau dem Gegenteil dessen, was die Hartz-Eingriffe in den Arbeitsmarkt forcieren. Aber schon aus dieser Annahme ergibt sich für 2050 ein Durchschnittsrentenniveau knapp über der Sozialhilfe; bei der fortschreitenden Prekarisierung sieht die Sache noch weit katastrophaler aus. Dazu ist zu erwarten, dass das ebenso immer nachdrücklichere Bestehen auf dem Abstandsgebot, das heißt, dass Löhne höher zu sein haben als das Sozialhilfeniveau, dahin führen wird, dass Sozialleistungen weiter abgesenkt werden. Als Übergangsmaßnahmen werden dazu kurzfristige Anreize geschaffen.

Nicht so unmittelbar abzusehen ist , ob bei Privatisierungsvorhaben in dieser Größenordnung ein nationaler Kapitalmarkt solche Geldmengen aufnehmen könnte. Denkbar ist, dass solche Renditen stärker im Ausland erwirtschaftet werden müsste, womit der imperialistische Druck verschärft würde.

Im Rahmen der Agenda 2010 kamen dazu noch einige kurzfristige Einsparungen. Vorgesehen ist etwa der Einbau einer Nachhaltigkeitsklausel: das heißt, das Gesamtvolumen der ausbezahlten Rente soll an die zu diesem Zeitpunkt eingezahlten Beiträge gekoppelt werden.

Gesundheitswesen

Bei einer ähnlichen Problemlage im Gesundheitssystem wurde nach Vorgaben einer zweiten Kommission, der wiederum nach ihrem Vorsitzenden benannten Rürup – Kommission, eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die vor allem Leistungskürzungen und die Einführung von Zuzahlungen umfassen, somit auch eine Notwendigkeit für private Vorsorge schaffen bzw. die generelle Unterwerfung von Teilen des Gesundheitssystems unter kapitalistische Verhältnisse, wie etwa die Zulassung von Arzneimittelketten.

Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen: Bei langer Krankheit zahlen Arbeitnehmer/innen zusätzlich 0,25% ihres Bruttoeinkommens an die Kasse, bei gleichzeitiger Entlastung der Kapitalseite; Streichung von Zahnersatz und Brillen als Versicherungsleistung; nicht rezeptpflichtige Medikamente müssen selber bezahlt werden; Praxisgebühr; Finanzierung „versicherungsfremder Leistungen“ (v.a. Schwangerschaften und Geburten) aus Steuermitteln, dazu Anhebung der Tabaksteuer um einen Euro pro Schachtel, also Massensteuern, also Klassensteuern. Darüber hinaus werden die Kürzungen in den Gesundheitsbudgets die Arbeitsbedingungen drer Beschäftigten und letztlich die Betreuung der Patient/inn/en erheblich verschlechtern.

Menschen werden in Bezug auf ihre Gesundheit zu „Wirtschaftlichkeit“ angehalten. 

Arbeitsmarkt / Arbeitsrecht

Für die Arbeitsgesetzgebung relevant sind vor allem jene Maßnahmen, die als Gesetzespakete „Hartz I-IV“ in zwei Etappen, vor und nach der Wahl, beschlossen wurden. Die Maßnahmen beruhen auf den Vorschlägen der „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (so heißen auch die Gesetze offiziell), die unter Vorsitz von VW-Personalchef Peter Hartz von der sozialdemokratischen Regierung eingesetzt wurde. Die Stoßrichtung diser Vorschläge wurde im wesentlichen umgesetzt, mit kosmetischen Zugeständnissen aber auch Verschärfungen. Teilweise betrafen die verschiedenen Pakete dieselben Bereiche. Anzumerken ist vielleicht, dass die jüngste Welle an Protesten vor allem auf Hartz IV zurückzuführen ist, das als letztes der Gesetze verabschiedet wurde und dessen Kern die Zusammenlegung von Arbeitshilfe und Sozialgeld ist.

Offiziell sollte die Kommission Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorlegen. Tatsächlich setzen auch die meisten der Maßnahmen auf der Ebene der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitsämter und der Arbeitsmarktsteuerung an. Begründet wird der resultierende offensichtliche Angriff auf die Erwerbstätigen damit, dass dem Kapital Spielräume geschaffen werden müssen, um Arbeitsplätze schaffen zu können. Kritik an den Maßnahmen verfehlt das wesentliche, wenn sie sich bloß darauf beschränkt, die Kürzung von Leistungen zum Gegenstand zu machen. Allerdings beschränken sich die Maßnahmen keineswegs auf das Feld der Arbeitslosigkeit und mitnichten haben sie deren Beseitigung zum Ziel. Worum es geht, ist nichts anderes als eine groß angelegte Umformung des Arbeitsmarktes nach den Bedürfnissen des Kapitals und, damit verbunden, eine nach eben diesen Gesichtspunkten optimierte Nutzung der Reservearmee. Kurz gefasst: Die Akkumulationsbedingungen werden radikal verbessert.

Grob lassen sich dabei zwei Felder der Eingriffe Unterscheiden, zum einen strukturelle Maßnahmen, die vor allem die Verwaltung betreffen, zum anderen die Veränderungen im Bereich der Sozialrechte. Grundzug aller Maßnahmen ist die Forcierung prekärer Arbeitsverhältnisse, und die Entlastung des Kapitals auf Kosten der Lohnabhängigen. Gerade ohnehin benachteiligte 

Die in Bundesagentur für Arbeit umdesignte Bundesanstalt für Arbeit wird aus dem Weisungsverhältnis mit der Regierung gelöst, statt dessen wird auf ein leistungsorientiertes Kontraktsprinzip umgestellt: Die Agenturen operieren wirtschaftlich eigenständig, sind der Regierung gegenüber jedoch verpflichtet, vereinbarte Ziele zu erreichen. Dieser Druck kann auch bedeuten, dass die Bediensteten der Agenturen „leistungsorientiert“ entlohnt werden, den Druck vor allem zu spüren bekommen werden die Arbeitssuchenden, die nun als Kunden der Agentur definiert werden. Das Kundenverhältnis sieht so aus, dass sie, um überhaupt Ansprüche geltend machen zu können, eine Eingliederungsvereinbarung eingehen müssen, die ihnen bei Androhung drakonischer Strafen eine Menge Pflichten und kaum Rechte beschert. Zunächst gibt es die schon angesprochene tatsächliche Kürzung von Leistungen: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wird verringert, die Arbeitslosenhilfe wird mit dem Sozialgeld zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt, wobei sowohl Höhe als auch rechtliche Grundlage sich an letzterem orientieren. Das hat unter anderem zur Folge, dass die de facto Funktion des Sozialgelds als Mindestlohn unterminiert wird. Das Vermögen wird in die Bedürftigkeitsprüfung mit einbezogen. Durch die verstärkte Anrechnung von Partnereinkommen verlieren hunderttausende Frauen jeden Anspruch auf Lohnersatzleistungen, womit sich ihre Abhängigkeit noch weiter verschärft. Die Zumutbarkeitsgrenzen werden gesenkt, damit können Menschen sowohl zum Ortswechsel als auch in Teilzeitarbeitsverhältnisse und solche, deren Lohnniveau unter dem des Arbeitslosengeldes liegt, gezwungen werden. Unter Bezug des Arbeitslosengeldes II wird jede Arbeit zumutbar. Außerdem können die Bezieher zu gemeinnütziger Arbeit gegen eine Mehraufwandsgebühr von 1-2 € gezwungen werden. Gegenüber der Agentur sind die „Kunden“ beweispflichtig, das Amt darf soziale Daten erheben und speichern, eingeschlossen denen der Familienmitglieder. Asylwerber verlieren alle Ansprüche und müssen mit den kärglichen Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes auskommen.

In verschiedenen arbeitsrechtlichen Eingriffen werden neue Möglichkeiten prekärer Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, der Kündigungsschutz wird gelockert, die Betriebsgröße, ab der er wirksam wird, wird verdoppelt. Und schließlich werden die Verpflichtungen des Arbeitgebers bei Maßnahmen zur Vermeidung von oder nach Entlassungen massiv verringert.

Alles in allem lässt sich zusammenfassen: Der Zugriff des Staates auf das arbeitssuchende Subjekt wird drastisch erhöht, zahlreiche Mittel der Kontrolle und Einschüchterung geschaffen, der Arbeitsmarkt wird in Richtung prekärer Arbeitsverhältnisse flexibilisiert, das Kapital wird von Lasten befreit und Leistungen werden gekürzt.

IV. Perspektive?

Die entscheidende Frage für die längerfristige Perspektive eines Widerstandes gegen die Angriffe auf die Lohnabhängigen liegt nicht bloß in seiner Breite und Intensität sondern letztlich vor allem darin ob es ihm gelingt den realen Wahn des Kapitalverhältnisses zu erkennen und die Mechanismen des Systems selbst in Frage zu stellen So ließe sich denn Arbeitslosigkeit leicht ausbuchstabieren als das Problem, dass beim gegenwärtigen Stand der Produktivkräfte so viel mit so wenig Arbeitskraft erzeugt wird, dass für einen relevanten Teil der Menschheit nichts zu tun übrig bleibt. Was eigentlich eine mehr als erfreuliche Entwicklung wäre, dass nämlich weniger gearbeitet werden muss, gilt freilich nicht unter dem eisernen Gesetz der Profitmaximierung. Und so kommt es, dass jene Fraktion der Gesellschaft, die gemeinhin als Intelligenz bezeichnet wird, und sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens damit verbracht hat, vorgeblich denken zu lernen, nun eine Lösung präsentiert, die darin besteht dass mehr gearbeitet werden muss und zwar für weniger Geld, und weiters aus dem Recht auf Arbeit eine Pflicht zu werden hat. Nicht zuletzt tritt hier das Wesen des Staates als Gewaltverhältnis deutlich hervor. Nicht vom besseren Funktionieren des Staates ist also ein Ausweg zu erwarten, sondern von seiner Zerschlagung.