Deutschland, Montag nachmittag – Wer demonstriert denn da?

Eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) hat analysierst, welche Bevölkerungsgruppen an den Montagsdemonstrationen teilnehmen, wie ihre Lebenssituation ist und was sie vom Sozialismus halten …

Neun Prozentpunkte für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) in Sachsen, sechs Prozentpunkte für die DVU in Brandenburg, vier Prozentpunkte im Saarland. Wahlerfolge rechtsextremer und neofaschistischer Parteien in Deutschland, wohin das Auge blickt.

Die bürgerlichen Medien und die etablierten Parteien haben auch schnell ihren Schuldigen gefunden: Die Proteste gegen die unsoziale Arbeitsmarktreform "Hartz IV". Allen voran die wöchentlichen Montagsdemos, vor allem in Ostdeutschland, sollen von rechtsextremen und neofaschistischen Agitatoren durchsetzt sein. Die Montagsdemos helfen mit, das Volk zu "verhetzen" und die CDU spricht in Ostdeutschland bereits von einer "rot-rot-braunen Querfront aus PDS, SPD und NPD gegen die Demokratie".

Doch die Realität sieht anders aus, wie eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) beweist: der/die typische MontagsdemonstrantIn, so die AutorInnen der Studie, ist männlich, ostdeutsch, Mitte 50 und entweder arbeitslos oder hat ein unsicheres bzw. untypisches Arbeitsverhältnis. Zugleich ist er/sie linksorientiert und findet den Sozialismus eine gute Idee, welche jedoch schlecht ausgeführt worden ist.

Zu den Zahlen:

· Der Männeranteil ist mit 64% überdurchschnittlich hoch.

· Das Durchschnittsalter ist mit Mitte 50 deutlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, was aber vor allem daran liegt, dass die Zentren der Montagsproteste in Ostdeutschland zu finden sind. Aufgrund der starken Abwanderung von jungen Menschen aus dem Osten wegen Perspektivlosigkeit ist auch das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Osten um einiges höher als im Westen.

· Über 50% der DemonstrantInnen hat die Matura (Abitur) und ist in hochqualifizierten Berufen tätig bzw. tätig gewesen.

· 40% der MontagsdemonstrantInnen ist arbeitslos, 18% sind RentnerInnen. Lediglich in Leipzig hätten Arbeitslose mit 53% die Mehrheit in der Bewegung.

Außerdem gehe die Studie von einer ‚eindeutige Linkslastigkeit' aus. Am deutlichsten sei dies in der Bundeshauptstadt Berlin zu erkennen. So bekäme die Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) die besten Noten ausgestellt, auch im Westen. Ihr werde von der Mehrzahl der TeilnehmerInnen eine "befriedigende oder ausreichende politische Position zu Hartz IV" bescheinigt. 75% sehen den Sozialismus als gute Idee, die in der Vergangenheit schlecht ausgeführt worden ist.

27% der TeilnehmerInnen hätten vor zwei Jahren die SPD gewählt, heute würden dies nur zwei Prozent wiederholen. Ähnlich die Situation beim Bündnis 90/Die Grünen. Auch die Zustimmung unter der gesamten Bevölkerung sei sehr hoch. So unterstützen 83 Prozent der Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und 66 Prozent der Menschen in Westdeutschland die Proteste.

Jedoch haben auch 25% ausländerfeindlichen Slogans zugestimmt. Allerdings hätten rechtsextreme und neofaschistische Parteien bei den Protesten keine Chance, diese in großem Rahmen zu dominieren (was nichts daran ändert, dass die Versuche von Nazis, in den Montagsdemos aufzutreten und sie in kleineren Orten sogar zu organisieren, entschieden bekämpft werden müssen).

Einen neuen Aufschwung für die Proteste erwarten die AutorInnen der Studie für Jänner 2005, da dann die Reformen von "Hartz IV" für die Bevölkerung Realität werden.