Waffe statt Kochlöffel: Frauen im Widerstand

Der 20. Juli 1944 wird nun in den Medien als Ausdruck des bürgerlichen Widerstands wieder hochgelobt. Doch der weitaus größere Widerstand kam aus der ArbeiterInnenbewegung. Hier spielten die Frauen eine besondere Rolle. Der von Frauen geleistete Widerstand gegen den Faschismus war sehr vielfältig. Über die "Stillen Helferinnen" im Hintergrund, das Verstecken von Verfolgten, Flugblattproduktionen und Sabotage bis hin zum bewaffneten Kampf reichten die Widerstandsformen von Frauen gegen den aufkommenden und den bereits etablierten Faschismus.

 Ebenso vielschichtig wie die Widerstandsformen waren auch die Motive, sich am Widerstand zu beteiligen. Grob eingeteilt, wäre der Widerstand aus humanitären Gründen und der politisch motivierte Widerstand zu nennen. Die Grenzen zwischen diesen beiden Motivationen sind allerdings oft fließend.

Frauen die aus humanitären Gründen Widerstand leisteten, berichten oft von konkreten Auslösern für den Beginn ihres Handelns. Nicht selten erzählen jene Frauen, dass sie erst durch den Widerstand zu oppositionellen Schriften Zugang bekamen und so ihre politische Meinung entwickeln und festigen konnten.

Die Tatsache, als Frau eine gewisse Rolle in der Gesellschaft einzunehmen und das Gefühl, der Familie verpflichtet zu sein, spielte am Beginn des Widerstandes oft eine große Rolle. So haben manche Frauen erst nachdem ihr Mann oder nahestehende Verwandte (Eltern, Kinder) deportiert, umgebracht, zum Militär eingezogen oder gefallen waren, begonnen, sich am Widerstand zu beteiligen.

Vor allem drei Faktoren scheinen für diesen Zugang zum Widerstand von Wichtigkeit gewesen zu sein. Zum Einen die persönliche Betroffenheit, zum Anderen berichten Frauen, dass sie erst dann die Sicherheit hatten, dass nicht Verwandte für ihren Widerstand zur Rechenschaft gezogen werden können. Der dritte Faktor, der von Widerstandskämpferinnen erwähnt wurde, waren die Männer in ihrem Umfeld. Manche billigten den Frauen nicht zu, sich politisch oder im Widerstand zu engagieren. Sehr gut zeigen dies zwei Beispiele. Der Versuch der stalinistischen KPD, 1933 eine Frauenkonferenz zu organisieren, scheiterte bei vielen Frauen an den Ehemännern, auch wenn diese selbst politisch aktiv waren. Von den 100 Teilnehmerinnen berichteten viele, dass sie Probleme hatten, zu dieser Konferenz zu kommen, da ihre Männer nicht bereit waren, Haushalt und Kinder für nur einen Tag zu übernehmen.

Eine österreichische Widerstandskämpferin erzählt auch von ihrem Schwiegervater und meint: "Der war ja net dafür, dass ich politisch arbeit', das ist für ihn net richtig gewesen, dass eine Frau politisch auftritt." Dieser Meinung war nicht nur dieser Mann, sogar manche Widerstandskämpfer selbst dachten ähnlich. In Konsequenz verbargen manche Frauen vor Familie und Mann, dass sie überhaupt im Widerstand tätig waren. Andere haben sich erst nach der Verhaftung des Mannes politisch betätigt und "seine" Aufgaben übernommen sowie die Kontakte aufrecht erhalten. Von Frauen wurden somit immer öfter die Aufgaben – die zuvor den Männern vorbehalten waren – (Parteiaufbau, Organisierung von Widerstand und Widerstandsgruppen) übernommen.

Gleichzeitig nahmen Frauen weiter Tätigkeiten auf der "sozialen" Ebene (Nahrungsmittel und Geld sammeln und weiterleiten, etc.) wahr. Einerseits, weil das den klassischen Rollenzuschreibungen entsprach, andererseits aber auch, weil es tatsächlich für Frauen wesentlich ungefährlicher war, da viele dieser Widerstandsformen auch den klassischen Aufgaben entsprachen, die Frauen im Rollenbild der Nazis hatten (so wäre es aufgefallen, wenn ein Mann regelmäßig mit größeren Mengen von Nahrungsmitteln unterwegs gewesen wäre).

"Ich liebe Karl"

Die Mehrheit der Frauen fand für ihre mutigen Tätigkeiten keinen Rückhalt bei der eigenen Familie und lobt heute die MitkämpferInnen, die sie motivierten, durchzuhalten. Aber besonders die Gewissheit, andere Frauen würden standhaft bleiben, motivierte. Umso beeindruckender sind daher bis heute Briefe, die aus den KZs geschrieben wurden und die Überzeugung und Zuversicht von Frauen zeigen, wie etwa ein Brief der sozialistischen Widerstandskämpferin Rosa Joch-mann, in dem sie schreibt "Ich liebe Karl heiß und innig wie immer." Gemeint war Karl Marx. Damit wird neben der politischen Notwendigkeit, auch die persönliche Wichtigkeit der Organisierung des Widerstandes in Gruppen, Verbänden und Organisationen deutlich.

Gleichstellung?

Viele Widerstandskämpferinnen betonen eine – ihrer Meinung nach vorhandene – "absolute" Gleichstellung und Gleichwertigkeit zwischen Mann und Frau im organisierten Widerstand. Und tatsächlich sind – gerade im bewaffneten Widerstand – oft Rollenklischees über Bord geworfen worden. So kämpften eine ganze Reihe von Frauen Seite an Seite mit ihren männlichen Kameraden unter anderem in den meisten slowenischen PartisanInneneinheiten in Kärnten und der Steiermark. Viele Frauen machten die – für sie neue – Erfahrung, eine politische Meinung haben und auch äußern zu dürfen und in dem ernst genommen zu werden, was sie sagten und taten.

Bei einer genaueren Betrachtung wird allerdings klar, dass auch im Widerstand oft traditionelle Rollenaufteilungen und geschlechterspezifische Hierarchien vorherrschten. Vor allem bei den verschiedenen Widerstandsformen wird dies deutlich. So gibt es den Begriff der "Stillen Helferin", für den es keine männliche Entsprechung gibt. Diese Frauen nahmen nur indirekt am Widerstand teil. Sie halfen den im Widerstand aktiven Männern, indem sie durch die Erledigung der Hausarbeit und durch die Aufrechterhaltung des Familienlebens dem Mann den Rücken frei hielten. Bei den "Stillen Helferinnen" ist allerdings anzumerken, dass in den meisten Familien (wie auch der Bericht von der KPD-Frauenkonferenz zeigt) die Frauen in jedem Fall für Hausarbeit und Familienleben verantwortlich waren. Fraglich ist also, ob diese Hilfe tatsächlich immer ein bewusst gesetzter Akt war, um sich am Widerstand zu beteiligen.

Viele Frauen der ArbeiterInnenbewegung leisteten Widerstand nicht nur gegen den Faschismus im Allgemeinen, sondern auch gegen die totale Entmündigung als Frau und die Degradierung zur Gebärmaschine, die ihnen der NS vorschreiben wollte. Sie nahmen die Rolle der fügsamen Frau, duldenden Mutter und emsigen Rüstungsarbeiterin, deren Hauptaufenthaltsort Heim und Herd sein sollte, nicht wahr. Ganz im Gegenteil. Der Widerstand bot den Frauen auch die Möglichkeit, aus Familie und Milieu auszubrechen, was besonders für Frauen gilt, die am bewaffneten Kampf teilgenommen haben, da dies auch mit einem Milieuwechsel einherging. Diese "Möglichkeit" muss aber auch kritisch gesehen werden. So gibt es Berichte von Frauen, die im Spanischen BürgerInnenkrieg von 1936-39 kämpften und sich die Brüste zum Körper schnürten, um nicht auf den ersten Blick als Frau erkannt zu werden.

Ebenso ist bekannt, dass Frauen sich für ihre Menstruation genierten und diese zu verbergen versuchten. Das Klima an der Front dürfte also durchaus den Frauen verunmöglicht haben, sich als "Menschen weiblichen Geschlechtes" zu geben, sondern es entstand an manchen Schauplätzen offensichtlich der Druck "Mann zu sein". Die "Möglichkeit", die Männerrolle einzunehmen, wurde so zum Teil auch zum Zwang.

Die politische Frau

Die politische Widerstandskämpferin wird in der Aufarbeitung des Frauenwiderstandes immer wieder vernachlässigt. Oft wird der Widerstand von Frauen auf ihre humanitäre Motivation reduziert. Doch die politischen Positionen von Frauen, waren ebenso vielfältig wie jene der Männer, obwohl Frauen zum Teil explizit aufgefordert wurden "nur" helfende Frau im Sinne der "Stillen Helferin" zu sein, anstatt sie zu motivieren selbst aktiv zu werden. Die meisten Widerstandskämpferinnen, die einen politischen und nicht ausschließlich humanitären Widerstand leisteten, waren Sozialdemokratinnen oder Kommunistinnen (wie ja insgesamt der Widerstand gegen das NS-Regime zum überwiegenden Teil – Zahlen sprechen von bis zu 90% – aus der ArbeiterInnenbewegung getragen wurde). Viele Frauen waren bereits vor der Etablierung des Faschismus in ArbeiterInnenorganisationen aktiv, hatten schon gewerkschaftliche Arbeit geleistet und zum Teil auch Streiks organisiert.

Schätzungen zufolge dürften alleine in Deutschland unter der einen Million politischen Gefangenen, die noch vor Kriegsbeginn festgenommen wurden, 15-20% Frauen gewesen sein. Die reale Beteiligung von Frauen am Widerstand wird jedoch höher vermutet. Im deutschen Moring wurde das erste Frauen-KZ bereits 1933 gebaut. Nachdem es 1938 überfüllt war, folgte das "Reichsfrauenlager Lichtenburg" und das Frauen-KZ Ravensbrück. Alleine in Ravensbrück waren von 1939-1945 133.000 Frauen inhaftiert. 92.000 von ihnen wurden ermordet.

Frauen aus der ArbeiterInnenbewegung organisierten, planten und führten politischen wie militärischen Widerstand aus. Frauen schwiegen unter der Folter und mussten sich vor Gerichten für ihren Widerstand verantworten. Frauen wurden in KZs umgebracht und führten bis zuletzt ihren Kampf. Das alles verband diese Frauen mit ihren männlichen Mitkämpfern. Denn motiviert oder zusammengehalten hat sie nicht ihre Geschlechtszugehörigkeit, sondern ihre politische Haltung: Gegen den Faschismus aufzutreten und ihn mit allen notwendigen Mitteln zu stoppen.

Quellen u.a.:
– Ingrid Strobl, Sag nie, du gehst den letzten Weg. Frauen im bewaffneten Widerstand … Fischer
– Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Der Himmel ist blau. Kann sein. Promedia
– Gerda Szepansky, Frauen leisten Widerstand: 1933-1945, Fischer

"Was hätten wir denn sonst tun sollen?"

In allen Berichten ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Frauen den Kampf aufnahmen verblüffend. Der Widerstand ergab sich für die meisten Widerstandskämpferinnen, nach eigenen Angaben, als einzige Konsequenz aus ihrem Denken und auch als einzige Möglichkeit. Nicht selten, löste – für jene Frauen, die sich bereits vor dem Aufkommen des Faschismus politisch betätigt hatten – das Wissen darum, verfolgt zu werden, den Kampfgeist und den Willen aus, nicht ohne Widerstand sterben zu wollen. Viele der Frauen wehren sich heute gegen die Lüge "Man habe diese Dinge nicht gewusst" und "Was hätten wir denn tun sollen?". Einheitlich sprechen sie davon, dass es für sie auf der Hand lag, was zu tun war: Widerstand in jedem möglichen Ausmaß zu leisten, um einen Beitrag zum Sieg über den Faschismus zu leisten.