Oberst Stauffenberg, der 20. Juli 1944 und der bürgerliche Widerstand

Kaum nähert sich der 20. Juli eines Jahres, wird im deutschsprachigen Raum voll tiefster demokratischer Überzeugung dem militärischen Widerstand um Oberst Graf von Stauffenberg gedacht. Grund genug um sich mit den Plänen, Zielen und Motivationen der (großteils adeligen) Verschwörer auseinander zu setzen.

Anfänglich standen große Teile, sowohl des deutschen Adels, als auch der restlichen gesellschaftlichen Elite Deutschlands auf der Seite Hitlers. Neben zahlreichen Großkapitalisten (Krupp, Thyssen, IG Farben …), unterstützte auch der alte Landadel die Nazis finanziell. Zwar rümpften viele (adelige) Offiziere die Nase, da es Hitler selbst in der Armee nie weit gebracht hatte und zudem keine adelige Abstammung vorweisen konnte, doch waren sie begeistert von den militärischen Plänen und den Großmachtsambitionen des Nationalsozialismus. Auch Oberst Graf von Stauffenberg war einer dieser hochrangigen Offiziere, die direkt aus der Tradition des "preußischen Militarismus" stammten.

Nach den Niederlagen an der Ostfront (angefangen mit Stalingrad 1943) und angesichts einer drohenden Invasion an der Westfront, erkannten viele hochrangige Militärs, dass der Krieg nicht mehr mit Hitler zu gewinnen war. Grund für den bürgerlich-militärischen Widerstand war also nicht der Holocaust oder der NS-Terror (dessen sich die hohen Militärs alle bewusst waren), sondern die drohende militärische Niederlage. Außerdem schlossen sich einige Offiziere dem Widerstand an, in der Hoffnung, nach dem Krieg nicht für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden.

"… den Kommunisten nicht zum Opfer fallen."

Oder sollte gar die Führung ausgetauscht werden, um den Krieg doch noch zu gewinnen? Johann Adolf Graf von Kielmansegg, einer der letzten überlebenden Mitverschwörer des 20. Juli sprach Klartext: "Im Vordergrund der Befürchtung stand für uns nicht Hitler, sondern der Bolschewismus. Deutschland sollte den KommunistInnen nicht zum Opfer fallen. […] Es war die Idee Stauffenbergs, den Westen aufzumachen und die Ostfront um jeden Preis zu halten …"(1). Das Thema Holocaust interessierte die Attentäter kaum, denn "man wußte ja fast nichts davon", so Kielmansegg.

Stauffenberg war Stabschef des Befehlshabers des Ersatzheers. Gemeinsam mit anderen hochrangigen Offizieren (jeder zweite war adelig) wie Ritter Mertz von Quirnheim, Henning von Tresckow oder General Friedrich Olbricht, begann er 1943 ein Attentat auf Hitler zu planen. Nach mehreren vergebenen Chancen hinterließ er am 20. Juli 1944 eine mit Sprengstoff gefüllte Tasche auf einer Besprechung im Führerbunker. Nach Hitlers Tod sollte das Militär die Macht übernehmen, um das Volk "in eine vom christlichen Geiste getragene autoritäre Ordnung" einzubinden, so ein Mitglied der mit Stauffenberg zusammenarbeitenden Widerstandsgruppe "Kreisauer Kreis".(2) Den Verhörprotokollen des 20. Juli zu Folge plante Stauffenberg "eine vorübergehende Militärdiktatur".(3)

Eine demokratisch-sozialistische Gesellschaftsordnung als Reaktion auf den Faschismus, kam den Verschwörern logischerweise nicht in den Sinn. Denn dies hätte ja bedeutet, "den Pöbel ans Ruder zu lassen" – eine wahrhaft schaurige Vorstellung für tradierte Bürgerliche. Aber eine solche Variante lag ohnehin nicht im Bereich des Möglichen, schließlich hatten die Nazis – unter tatkräftiger Mithilfe der Wehrmacht – längst einen Großteil der deutschsprachigen Linken umgebracht.

Was heute oft verschwiegen wird: Auch Stauffenberg war 1933, kurz nach seiner Ernennung zum Leutnant, an der militärischen Ausbildung von SA-Mitgliedern beteiligt und organisierte die Übergabe illegaler Waffendepots an die Reichswehr. Weiters entspricht es einer Geschichtslüge, überhaupt von einem relevanten "bürgerlichen Widerstand" zu sprechen. Im Gegensatz zu KPD, SPD und anderen linken Kräften wurden die bürgerlichen Parteien nach der Machtübernahme der Nazis 1933 nicht verboten, sondern lösten sich mit Aufrufen an ihre Mitglieder auf, sich hinter die "nationale Regierung" zu stellen. Schätzungen zufolge, setze sich bis zu 90% des Widerstands aus der ArbeiterInnenbewegung zusammen.

Traditionen

Auf einen Reaktionär wie Stauffenberg können wir uns also nicht positiv beziehen. Wir – die AL – sehen uns in der Tradition linker und proletarischer WiderstandskämpferInnen, denn sie kämpften für eine wirklich freie und demokratische Gesellschaft.

Fußnoten:
1) Junge Welt vom 21.07.01
2) Der Spiegel vom 12.07.04
3) ebenda