Kommt der Numerus Clausus?

Nach den im Wintersemester 2001/02 eingeführten Studiengebühren von 370 Euro pro Semester, wird für die nächsten Monate wieder ein Angriff auf den Zugang zu Hochschulen erwartet. Von höheren Studiengebühren, verstärkten und schwierigeren Knock-Out-Prüfungen (wie jetzt bereits bei der Uni für Medizin und dem Institut für Psychologie in Wien üblich), aber auch von der Einführung eines Numerus Clausus (NC), ist die Rede.

Hintergrund der Diskussion über weitere Zugangsbeschränkungen für Hochschulen ist, eine beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebrachte Klage gegen Österreich. Laut geltendem Gesetz, ist die Voraussetzung für die Studienberechtigung von AusländerInnen an österreichischen Universitäten, dass diese auch im eigenen Land über einen Studienplatz verfügen. Diese Bestimmung wird – so wird vermutet – demnächst vom EuGH aufgehoben, denn diese widerspricht dem "Gleichstellungsgebot von EU-BürgerInnen mit InländerInnen". Nun wird von manchen befürchtet, dass es zu einem StudentInnenzustrom – vor allem aus Deutschland – kommen könnte, denn in der Bundesrepublik unterliegen die Fächer Betriebswirtschaft, Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin dem Numerus Clausus.

Wer freut sich?

Dabei kommt dieses Gerichtsverfahren der Regierung und auch so manchen Rektoren sehr gelegen. Befürchtet wird nun, dass dieses Verfahren – dessen Ausgang (Österreichische Universitäten müssen EU-BürgerInnen gleichstellen) kaum angezweifelt wird – zum Anlass genommen wird, um verschärfte Zugangsbeschränkungen einzuführen. Die Bestrebungen von Regierung und Universitäten, die Anzahl der Studierenden zu verringern, ist seit längerem bekannt und wird auch immer wieder thematisiert. So wies Georg Winckler, Rektor der Uni Wien, auf mehrere eigenständige Regelungen hin.

In der Schweiz etwa, ist der Zugang zum Bakkalaureatsstudium frei, für Diplom- und Doktoratsstudien gibt es aber eine "Selbstauswahl durch die Universität." Wolfgang Schütz, Chef der Wiener Medizin-Uni behält sich vor, bei Bedarf (dass heißt, wenn seiner Meinung nach, zu viele Menschen sich auf Hochschulen weiterbilden möchten) "Druck auszuüben" und den "freien" Uni-Zugang in Frage zu stellen. Christoph Badelt, Rektor der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) ist noch deutlicher und weiß schon in welche Richtung er gerne den Zugang zu Universitäten lenken möchte. Ginge es nach ihm, sollte künftig über ein "Assessment-Center" entschieden werden, wer zum Studium zugelassen wird.

Beschränkungsmöglichkeiten

Doch wenn der Entscheid des EuGH als Anlass genommen wird, um die Studierendenzahlen zu senken, dann haben die Verantwortlichen mehrere Optionen. Sie können die Studiengebühren erhöhen und so nach den ökonomischen Möglichkeiten der Studierenden aussieben. Wer es sich nicht leisten kann, höhere Gebühren zu bezahlen wird nicht mehr studieren können (mehr zu Studiengebühren im Kasten unten). Eine weitere Möglichkeit ist ebenfalls wie in Deutschland, einen NC für gewisse Fächer einzuführen. Der Beginn des Studiums wird dann jenen verweigert, die den vorgegebenen Notendurchschnitt nicht erreicht haben. Oder ein anderer Ausweg über die Hintertüre wäre, verstärkt Knock-Out-Prüfungen zu forcieren. Extrembeispiele für Knock-Out-Prüfungen bietet immer wieder die Medizin-Uni Wien. Beispielsweise gab es eine Zulassungsprüfung für den zweiten Abschnitt, bei welchem bei einer Wiederholungsprüfung nur sieben (!) von 235 Prüfungen positiv waren. Das ist eine Durchfallsquote von 97%.

Im Zuge der Autonomie für Universitäten, ist es durchaus denkbar, dass sich die verschiedenen Universitäten ihren eigenen Fahrplan zurecht legen können, wie sie mit einer zu hohen Zahl von Studierenden umgehen. Es ist bereits jetzt so, dass durch die neoliberale Bildungspolitik frühere Errungenschaften unter anderem durch das Universitätsgesetz (UG) 2002 rückgängig gemacht werden. Jede einzelne, der 21 Universitäten hat die Möglichkeit die Anzahl der Prüfungswiederholungen festzulegen, und auch die Vorgehensweise bei Beurlaubungen vom Studium ist ihnen überlassen. Es hängt in Zukunft von der Uni ab, ob Erwerbsarbeit oder Entwicklungshilfe einen Grund für Beurlaubung darstellen oder nicht.

Profit mit Bildung?

Allerdings liegt das Problem nicht in diesem Verfahren oder dem zu erwartendem Urteil. Das Problem liegt in der neoliberalen Bildungspolitik selbst. Den Universitäten wird trotz steigenden Studierendenzahlen nicht mehr Geld, sondern im Gegenteil sogar weniger zugebilligt. Die Universitäten sollten diese verlorenen Einnahmen durch Sponsoren wieder ausgleichen. Doch Firmen finanzieren in den wenigsten Fällen etwas, wovon sie nicht profitieren. Ein Bildungssystem nach ökonomischen Gesichtspunkten würde bedeuten, dass nur schnell in Geld verwandelbare Forschungsziele finanziell gestärkt würden und Grundlagenforschung, sowie viele geisteswissenschaftliche Richtungen (die keinen Profit abwerfen) auf der Strecke blieben.

Daher kann die Lösung nur sein, gegen jegliche Einschnitte und Zugangsbeschränkungen im Bildungsbereich zu kämpfen und sich mit anderen, ebenfalls von Sparmassnahmen betroffenen Gesellschaftsgruppen zu solidarisieren.

Studiengebühren

Bereits vor der Einführung der Studiengebühren, waren 68% der Studierenden neben ihrem Studium berufstätig, weil sie sich den "Luxus" studieren, sonst nicht hätten leisten können. Durch einen Nebenjob kann weniger Zeit für das Studium aufgewendet werden und die Aussichten auf einen schnellen Abschluss werden geringer, was die Inanspruchnahme von Leistungsstipendien so gut wie unmöglich macht. Lohnarbeit neben dem Studium bedeutet aber auch, dass Menschen in unsichere und rechtlich ungeschützte prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden. Die Wirtschaft darf sich freuen, genießen doch diese ArbeitnehmerInnen meistens keine gewerkschaftlichen Rechte.

Effizientere Uni?

Erschreckende Argumentationen "gegen" die Studiengebühren kamen im Kampf gegen die Einführung zum Vorschein: So gab es die Position, dass Reformen – für "effizienter" arbeitende Universitäten – notwendig sind. Damit würde weniger Geld benötigt werden und die anfallenden Kosten, sollten von den Studierenden beglichen werden. Doch dann – so die Argumentation weiter – würden die Studierenden für ihr Geld wenigstens etwas geboten bekommen. Doch Universitäten "effizienter", sprich ökonomischer, zu gestalten, heißt auch, Personal einzusparen und bei verschiedenen Zusatzleistungen zu sparen. Durch das UG 02 beispielsweise gibt es vier Säulen der Anstellung. Die drei ersten Säulen, sehen Arbeitsverträge von maximal sieben Jahren vor. Nur in der letzte Säule ist ein unbefristeter Vertrag möglich. Neben diesen Einschnitten, kommt es zu Kündigungen und die Arbeitszeit der verbleibenden Angestellten wird ausgedehnt. Diese Form der Effizienz muss natürlich bekämpft werden.

Solidarität

Der dringend nötige Kontakt, die Koordination und Vernetzung zu anderen Bevölkerungsschichten, die auch von Einsparungen betroffen waren, wurde im Kampf gegen die Studiengebühren nicht gesucht, sondern zum Teil sogar aktiv verweigert. So wurde eine Solidaritätsbekundung eines Eisenbahners (der mit 2200 KollegInnen an Aktionen gegen die Studiengebühren teilnahm), vom ÖVP-nahen ÖH-Vorsitzenden Martin Faißt, kühl abgelehnt. Anstatt sich mit anderen Gesellschaftsgruppen, die auch von der Sparwut der Regierung betroffen sind, zu solidarisieren schrieb die ÖH im "Uni aktuell": "Wir Studierende dürfen uns nicht vereinnahmen lassen. Unser Anliegen ist die Universitätsreform und nicht ein Putsch".

Richtige Strategie!

Doch um einen Kampf zu gewinnen, wäre genau dies, was hier so strikt abgelehnt wurde, notwendig gewesen. Denn das große Problem von StudentInnen- und SchülerInnenstreiks ist, dass sie keinen ökonomischen Einfluss haben. Bei Studierenden kommt damit noch dazu, dass sie ganz gleich ob ein Streik gewonnen oder verloren wird, der Streik sie selbst am meisten trifft. Die Problematik, der ökonomischen Einflusslosigkeit kann nur verändert werden, wenn eine Vernetzung zu anderen Arbeitsbereichen stattfindet, die ebenfalls von Einsparungen betroffen sind. Und Diese gibt es ja zur Genüge.