Dass der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) die Vertretung der österreichischen arbeitenden Menschen ist (bzw. sein sollte), ist bekannt. Dass er aber darüber hinaus einer der größten österreichischen Konzerne ist und dass einige Spitzengewerkschafter dabei eine sehr undurchsichtige Rolle spielen, schon viel weniger.
Die Gewerkschaft der Privatangestellten, die Gewerkschaft Metall-Textil und drei kleinere Gewerkschaften wollen sich bereits seit längerem zu einer neuen Gewerkschaft zusammenschließen Im Zuge dieser Fusionsdiskussion innerhalb des ÖGB begann auch eine Diskussion über das Immobilienvermögen der GPA. Denn die GPA ist ein dicker Fisch im Immobiliengeschäft, die GPA-Privatstiftung besitzt immerhin fast 10.000 Wohneinheiten sowie 50 Prozent an der Shopping Mall im Wiener Gasometer. Buchwert mit Ende 2003: rund 400 Millionen Euro. Die Frage, warum eine Gewerkschaft ein Einkaufszentrum besitzen muss, ist wohl zumindest berechtigt.
Doch auch unabhängig von den Ausflügen der GPA in die Immobilienbranche ist der ÖGB eine beachtliche Wirtschaftsmacht. Die meisten der ÖGB-Beteiligungen werden über die Gewerkschaftsbank Bawag gehalten, die wiederum die PSK-Gruppe, die Sparda-Bank sowie die Verkehrskredit-Bank besitzt. Damit ist die Bawag/PSK-Gruppe die viertgrößte Bankengruppe in Österreich. Laut "News" sind die Beteiligungen des ÖGB insgesamt rund 6 Milliarden Euro wert.
Nun ist tatsächlich nichts dagegegen einzuwenden, dass eine Gewerkschaft versucht, sich vom Kapital unabhängig zu machen und eine gewisse Infrastruktur (z.B. Gewerkschaftsheime, Medien, Druckereien, Verlage, Buchhandlungen, …) besitzt. Die Druckerei Leykam, die Bücherzentren sowie die 41,5 Prozent Beteiligung am Privatsender ATV+ könnten ja durchaus noch im politisch-strategischen Sinn interpretiert werden. Doch andere Teile des Firmenbestands des ÖGB werfen zumindest Fragen auf. So ist der ÖGB unter anderem mit mehr als 20% nach der Republik Österreich der größte Einzelaktionär der Österreichischen Nationalbank sowie Hauptaktionär der Österreichischen Lotterien. Beteiligungen finden sich unter anderem auch an den Casinos Austria, Cosmos/Köck, der Skifirma Atomic, der Voest Alpine oder dem Luxus-Klavierhersteller Bösendorfer.
Besonders absurd ist wohl die Beteiligung an den Österreichischen Lotterien und den Casinos Austria. Zurecht hatte die ArbeiterInnenbewegung über Jahrzehnte das Glückspiel bekämpft. Nicht umsonst nennt der Volksmund Brieflose und Lotterie eine "Deppensteuer", tatsächlich werden dabei die Illussionen breiter Teile der Bevölkerung betrogen, die so glauben, ihrer sozialen Situation entfliehen zu können. Nicht zuletzt hat das Glücksspiel auch ein hohes Gefährdungspotenzial, tausende Abhängige in Österreich können ein Lied davon singen.
Wir werden nun sicher nicht in das Geheul der Bürgerlichen über die Macht des ÖGB und insbesondere die Höhe seines Streikfonds (die zurecht streng geheim ist) einstimmen. Dennoch sind vor allem diejenigen Beteiligungen, die nicht unmittelbar mit der politischen Tätigkeit einer Gewerkschaft zu tun haben, in ihrer Gesamtheit hinterfragenswert.
Es stellt sich aber auch die Frage, wie der ÖGB mit dem Geld der Gewerkschaftsbewegung umgeht. Als Beispiel: Anfang 2002 genehmigte sich Helmut Elsner, damals Generaldirektor der Bawag, eine kleine Pensionsabfindung. Höhe laut "Format": 3,63 Mio. € (50 Mio öS). Elsner selbst meinte, dass es sich um einen "völlig normalen und vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Vorgang handelt". Auch der Aufsichtsrat hat damals einstimmig eingewilligt. Man habe keinen Grund gesehen, Elsner die Pensionsabfindung zu verweigern, erklärte damals BAWAG-Aufsichtsratschef und ÖGB-Finanzchef Weniger. (Wir berichteten in Morgenrot Nr. 16/02 über diesen Fall).
Aber noch wesentlich grundsätzlicher stellt sich die Frage, wie der ÖGB reagieren würde, wenn in einem der Betriebe, wo er Miteigentümer ist, ein Arbeitskampf aubricht. Würde er sich als ArbeitgeberInnen- oder als ArbeitnehmerInnenvertreter fühlen? Erfahrungen aus der Vergangenheit geben hier zu denken. So berichten KollegInnen der Bawag, dass es in der Bank vor einiger Zeit eine Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung gegeben hat, weil die Geschäftsführung verhindern wollte, dass der Betriebsrat – wie in dieser Branche üblich – die MitarbeiterInnen via Mail informiert. Wohlgemerkt: die Geschäftsführung, also die ArbeitgeberInnenseite, ist vom ÖGB eingesetzt. Letztlich ist das eine logische Entwicklung. Schon Karl Marx erklärte sehr treffend, dass "das Sein das Bewußtsein" bestimmen würde. Und das ist auch beim ÖGB der Fall.
Doch es gibt noch eine weitere Komponente, die vielleicht fast noch bezeichnender ist: auffallend ist nämlich, dass laut "Standard" die GPA-Stiftung an ihren fast 10.000 Wohneinheiten nur 99% hält. Ein Prozent mit einem Buchwert von rund 4 Millionen Euro (!) befindet sich im Privatbesitz von GPA-Vorsitzenden Hans Sallmutter. Das Wort "Kapitalist" kommt uns hier bereits relativ leicht über die Lippen …
Quellen unter anderem:
Der Standard, 27.5.2004
Die Presse 29.5.2004
Morgenrot Nr. 16/02