Patrice Lumumba – Mord im Auftrag des Imperialismus

"Nachdem er tot ist, hört Lumumba auf, eine Person zu sein. Er wird zu ganz Afrika"(Sartre). Knapp 43 Jahre sind seit dem gewaltsamen Tod des Führers des kongolesischen Unabhängigkeitskampfes, Patrice Lumumba, vergangen. Die TäterInnen von damals plündern auch heute noch die zahlreichen Rohstoffe des Landes aus. Ökonomische Unabhängigkeit, soziale Gerechtigkeit und politische Selbstbestimmung. Dies waren die prägenden politischen Forderungen Patrice Lumumbas. 1925 in Katako (Kasai-Provinz) im nördlichen Kongo als Sohn einfacher Bauern geboren, machte er eine Ausbildung zum Arzthelfer. Fasziniert von Voltaire und Rosseau begann er mit etwa 17 Jahren seine politische Aktivität. Er hielt Reden, schrieb Artikel und wollte die kongolesische ArbeiterInnenklasse neu organisieren und vereinigen.

Freiheitskampf

Am zehnten Oktober 1958 organisierte Lumumba die Gründung des Mouvement Nationale Congolaise, MNC (Nationale kongolesiche Bewegung) mit dem Ziel der Unabhängigkeit des Kongos von der belgischen Kolonialmacht. Der belgische Kolonialismus hatte im Kongo die afrikanische Bevölkerung gezielt unwissend gelassen. Man drückte die KongolesInnen auf den Status von Lasttieren für die Rohstoffe gewinnende Industrie herab, die den gewaltigen Mineralreichtum des Landes und andere natürliche Schätze plünderten. Am Vorabend der Unabhängigkeit war der Kongo, ein größeres Territorium als Westeuropa, von starken Entwicklungsrückständen gezeichnet. Es gab keine afrikanischen Offiziere, im gesamten Staatsdienst nur drei AfrikanerInnen auf leitenden Positionen und lediglich 30 KongolesInnen mit akademischer Ausbildung. Die Armee und Verwaltung waren von Belgien dominiert.

1959 schließlich begannen landesweit Unruhen und Streiks gegen die Unterdrückung durch die Kolonialmacht. Nach einem Fußballspiel in Leopoldville (Kinshasa) am 4.1.1959 wurde ein Volksaufstand niedergeschlagen. Der MNC war eine treibende Kraft, die an der Rebellion gegen die Kolonialmacht teilgenommen hatte. Um einen Kolonialkrieg zu verhindern, der zur Verringerung des Einflusses in der Region geführt hätte, wurden von der Kolonialmacht für den Mai 1960 Wahlen anberaumt. Ein chaotisches Gedränge um die Verteilung der Früchte der Unabhängigkeit setzte ein. Es formierten sich 120 Parteien, wobei sich die meisten auf regionale oder ethnischer Grundlage bildeten. Der MNC war die einzige Partei, die für eine Zentralregierung und die Vereinigung des Kongos über ethnische und regionale Grenzen hinweg eintrat. Aus den ersten Wahlen Kongos ging der MNC als stärkste Kraft heraus, Lumumba wurde Premier. Belgien und die USA hätten allerdings eine andere, eine "moderatere" Regierung vorgezogen.

"Fiktive" Unabhängigkeit

Im Dezember 1960 wurde die offizielle Unabhängigkeit Kongos gefeiert. Belgien organisierte die Machtübernahme, jedoch bewusst so, dass diese bestenfalls eine formale Fiktion sein würde.

Der Westen war daran interessiert, das Land über seine neu erworbene Unabhängigkeit hinaus unter Kontrolle zu halten, denn die westlichen Investitionen in die Mineralressourcen des Kongos waren kolossal. Bis heute ist die südöstliche Provinz Katanga die Schatzkammer des Kongos. Hier hatten belgische Staatskonzerne während der Kolonialzeit Kupfer, Uran und andere Metalle abgebaut; wichtige Rohstoffe für die Rüstungsindustrie und für die Produktion von Atombomben. Das war für die USA ein guter Grund, Katanga als strategisch wichtige Weltregion in die Karten des Kalten Krieges einzuzeichnen.

Intervention

Die Feindschaft des Premiers gegenüber einer Ordnung, die auf wirtschaftlicher Ausbeutung und machtpolitischen Interessen basierte, war den ImperialistInnen ein Dorn im Auge. Bereits elf Tage nach dem Bestehen der Republik brachen Unruhen aus, Katanga sagte sich von der Zentralmacht los. Der Anführer der Sezessionisten war der Garant für westliche Interessen, Moise Tschombe.

Belgien unterstützte die Soldaten Tschombes mit eigenen Truppen. Sie hatten Angst, Einfluss auf die Armee Kongos zu verlieren, da Lumumba die Forderung der Soldaten nach einer "Afrikanisierung" der Armee zustimmte. Die Intervention der Belgier war eindeutig eine militärische Aggression, die auf politischer Ebene ihre Fortsetzung fand. So schickte der belgische Botschafter im Kongo ein Telegramm an das Außenministerium nach Brüssel: "Ich habe einem Minister Lumumbas unsere Kritik an der Haltung des Premierministers und gewisser anderer zweifelhafter Mitglieder des Kabinetts vorgehalten und ihm unsere Hoffnung nicht verheimlicht, statt Lumumba ihn an der Spitze der Armee oder an der Spitze des Landes zu sehen." Zwölf Tage jung war die Republik, als schon ein der belgischen Regierung genehmerer Premier gesucht wurde.

Nachdem belgische Soldaten den Süden des Kongo besetzten und Lumumba bereits zum dritten Mal naive Hilfsforder-ungen an die UNO sandte, intervenierte diese. Der Westen hatte durchaus ein Interesse an dieser Intervention, galt es doch, mögliche Hilfeleistungen afrikanischer Staaten oder der Sowjetunion zu verhindern. Die UNO intervenierte also vor allem, wie es auch der damalige amerikanische Botschafter im Kongo erklärte, "um den sowjetischen Bär vom kongolesischen Kaviar fernzuhalten".

Die Soldaten der UNO blieben gegen den Aggressor Belgien passiv und besetzen gleichzeitig den restlichen Kongo. Der Premier wurde zum Feindbild des Westens. Mit den von den Regierungen vorgesetzten Informationen wurde das Oberhaupt Kongos in den westlichen Medien zu einem "Neger-Premier eines sogenannten Staates" und als "tobsüchtiger Premierminister" oder "Urwaldneger mit dem Ziegenbart" beschimpft. Die rassistische Botschaft und Erklärung für militärische Einsätze im Herzen Afrikas war, dass der "weiße Mann" eingreifen müsse, um dem schwarzen Kontinent aus der Krise zu helfen. "Vergessen" wurde dabei, dass der Kolonialismus die Probleme des afrikanischen Kontinents erst hervorgerufen hatte.

Regimewechsel

Sehr schnell begann der US-Auslandsgeheimdienst CIA hinter den Kulissen, an der Entfernung von Patrice Lumumba zu arbeiten. Nach Präsident Eisenhowers persönlicher Empfehlung, Lumumba zu eliminieren, herrschte reger Informationsaustausch zwischen den Vereinigten Staaten, Belgien und CIA-Spitzel Dulles im Kongo: "Falls Lumumba an der Macht bleibt, wird die Situation im besten Falle in ein Chaos münden und im schlechtesten Falle in der Machtergreifung der Kommunisten im Kongo. Wir haben entschieden, dass seine Entfernung das wichtigste Ziel ist und oberste Priorität hat …"

Auf Geheiß Belgiens entließ der kongolesische Präsident von Brüssels Gnaden, Joseph Kasavubu, am 5. September 1960 den Premier. Mobutu, ehemaliger Kampfgefährte Lumumbas, übernahm das Kommando über die Streitkräfte. Das Volk protestierte vehement gegen die Absetzung ihres gewählten Ministerpräsidenten. Im Senat und Parlament erhielt Lumum-ba überwältigende Unterstützung, bei seinen Reisen durch das Land war ihm großer Zuspruch sicher. Der Westen wollte die Situation endgültig lösen und organisierte gemeinsam mit Armeechef Mobutu am 14. September einen Putsch gegen die Regierung. Das Parlament wurde aufgelöst. Unter dem Vorwand, "Ruhe und Ordnung" wiederherstellen zu wollen, schloss die UNO Radiosender und Flughäfen. Die Armee, von den USA mit einer Million Dollar gesponsert, stellte den Premier unter Hausarrest.

Lumumba konnte fliehen, wurde aber mit seinen Gefährten wenige Tage darauf wieder gefangen genommen. Der Widerstand gegen den Putsch verstummte dadurch aber nicht. Die KongolesInnen gingen auf die Straße, um die Jahreswende 1960/61 leiteten die Lumumba-Anhänger eine militärische Offensive im Osten des Kongo ein und eroberten innerhalb kurzer Zeit die Hälfte des Landes. Dies machte die EntscheidungsträgerInnen im Westen natürlich zusehends nervös.

Lumumbas Tod und dessen Folgen

Am 17. Januar 1961 wurden Patrice Lumumba, Joseph Okito, der Vizepräsident des Senats, und Maurice Mpolo, der Informationsminister in die Hauptstadt Katangas geflogen. Lumumba und seine Gefährten wurden stundenlang gefoltert, ehe sie im Beisein der führenden Politiker der Regierung Tschombe und in Begleitung belgischer Offiziere und Verwaltungsbeamter erschossen wurden. Die vorher erfolgte Aussage des damaligen belgischen Ministers für afrikanische Angelegenheiten, dass "das Hauptziel, das im Interesse von Kongo, Katanga und Belgien zu verfolgen ist, (…) fraglos die endgültige Eliminierung Lumumbas (ist)", war die Legitimation zum Mord.

Obwohl Tschombe nach dem Mord Premierminister wurde, hatte seine Herrschaft nicht lange Bestand. Im Jahre 1965 führte der kongolesische Armeechef Joseph Mobutu, der Lumumba dem Exekutionskommando ausgeliefert hatte, einen unblutigen Staatsstreich durch. 32 Jahre dauerte seine vor allem durch Belgien, Frankreich und die USA gestützte Diktatur an. Mobutu wurde bekannt für seine Korruption und Habgier. Sein Regime wurde zum engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten auf dem afrikanischen Kontinent und diente ihnen als Operationsbasis für ihre konterrevolutionären Interventionen gegen Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika.

Der antikoloniale Befreiungskampf in den 50ern, 60ern und 70ern weckte in den Völkern Afrikas große Erwartungen und Hoffnungen der kongolesischen Bevölkerung in eine revolutionäre gesellschaftliche Umgestaltung, doch wurden diese von den nationalistischen Eliten, die nach der Ent-kolonialisierung in den meisten Ländern an die Macht kamen, tragisch verraten. Die neuen Herren akzeptierten bereitwillig das von den Kolonialherren an-gebotene Erbe. Sie übernahmen die willkürlichen Grenzen, die Afrika zu einem irrationalen Fleckenteppich machten und keinerlei Rücksicht auf geschichtliche, sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten nahmen.

Die neuen Eliten praktizierten weiter den kolonialen Opportunismus, der ethnische Konflikte schürte und (etwa in Ruanda) bis in den Völkermord führte. Der Kampf, den die Menschen Afrikas führten, um ihre Unabhängigkeit zu erobern, kann und sollte heute Inspiration und Motivation sein, um die ArbeiterInnen in Afrika, Europa und dem Rest der Welt zu einer internationalistischen Bewegung zu vereinen.

Lumumbas Rede am Tag der Unabhängigkeit

"Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt, mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. (…) Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger sind. (…) Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. (…) Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten."