–„Drauf und dran, Bauersmann–“. Die Bauernkriege des Mittelalters

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es in großen Teilen Europas fast zeitgleich zu unzähligen Aufständen der Bauern und Bäuerinnen gegen Adel und Klerus. In den meisten Fällen entfachten sich kleine Revolten als direkte Reaktionen auf eine verschärfte Unterdrückung der bäuerlichen Bevölkerung. Vom gegenseitigen Erfolg ermutigt, entwickelte sich das Aufbegehren zu einem Flächenbrand, der mit Unterbrechungen bis ins 17. Jahrhundert hinein loderte.

 Die meisten Bauern und Bäuerinnen waren zu Beginn des 15. Jahrhunderts nicht frei, das heißt, sie waren mehr oder weniger Eigentum eines weltlichen oder geistlichen Feudalherren, dem gegenüber sie zu hohen Abgaben und „Frondienst“ verpflichtet wurden. Als Gegenleistung versprach der Herr für den Schutz seiner Untertanen gegen Feinde und Kriminelle zu sorgen. Allerdings konnte er die Bauern jederzeit in sein Heer einziehen oder seine Untergebenen auch willkürlich töten.

Die Grundzüge dieser Ordnung wurden nach der Etablierung des Kapitalismus übernommen, da ArbeiterInnen zwar ihrem Status nach frei sind, dennoch aber keineswegs unabhängig.

Neben Forderungen nach niedrigeren Steuern und Zöllen ging es oft um die Wiederherstellung des so genannten „alten Rechts“, das eine gemeinsame Benutzung der Weiden, Wälder und Gewässer vorsah. Die zunehmende Missachtung dieses Rechts von Seiten der Obrigkeit traf mit der großen Religionsreformation zusammen und widersprach ihren vorgeblichen Ideen grundsätzlich. Denn Martin Luther redete von der „Freiheit eines Christenmenschen“ und predigte das „reine Evangelium“, also ein „Wort Gottes“, das nicht von den (herrschenden) Menschen zurechtgebogen werden sollte.

In ganz Europa begannen also Bauern und Bäuerinnen – und mit ihnen bisweilen auch die Knappen und die Besitzlosen in den Städten (also Handwerker, ArbeiterInnen, Tagelöhner-Innen und BettlerInnen) – nicht nur damit, sich gegen einzelne Missstände zur Wehr zu setzen, sondern brachten eine straffe Gesellschaftsordnung ins Wanken. HistorikerInnen zählen allein in Südwestfrankreich an die 500 kleinere Revolten in der Zeit zwischen 1590 und 1750. Ihre geistigen Führer waren meist Priester oder religiöse Gelehrte und dementsprechend waren ihre sozialen Ansprüche mit dem christlichen Glauben verknüpft bzw. basierten auf Bibelstellen. Als wären die bloßen Fakten nicht Legitimation genug, galten diese der tiefgläubigen Bauernschaft als Rechtfertigung für ihr Vorgehen.

Oft schlugen sich wesentliche Teile der BürgerInnenschaft und auch Adelige auf die Seite der Aufständischen. Dafür gibt es eine wirtschaftliche Erklärung, die in den folgenden Jahrhunderten noch an Bedeutung gewinnen würde. Denn für den Handwerksmeister oder den Kaufmann stellte die Leibeigenschaft der ländlichen Bevölkerung keine Bereicherung dar, im Gegenteil, machte sie ihm den Zugang zu billigen Arbeitskräften doch unmöglich. Während die Bourgeoisie jedoch den Kampf gegen die Feudalordnung in England bereits 1642 gewann, musste sie sich auf dem Festland beinahe noch zwei Jahrhunderte gedulden. Erst die bürgerlichen Revolutionen von Frankreich im Jahr 1789 und Deutschland bzw. Österreich um 1848 brachten einen Umbau der Gesellschaft. Der Weg in den Kapitalismus war dadurch geebnet.

Chronologie der Bauernkriege in Österreich

Im damaligen österreichischen Gebiet gab es neben etlichen kleineren, territorial begrenzten Kämpfe vier große Aufstände, die sich längere Zeit gegen die feudalen Armeen mit Erfolg behaupten konnten. Letztlich wurden auch diese – meist durch kaiserliche Truppen oder mit ausländischer Hilfe – blutig niedergeschlagen.

Die erste Erhebung begann im Mai 1525 in Tirol, als ein Bauer, der auf sein Fischrecht beharrte und hingerichtet werden sollte, von der Masse befreit wurde. Dem waren im ganzen Land vermehrt Fälle von Ungehorsam – Verweigerung von Abgaben, Ignorierung des Jagdverbots – vorangegangen, worauf die Obrigkeit mit zunehmender Strenge reagiert hatte. Die entfesselte Wut der Bauern und Bäuerinnen richtete sich vor allem gegen die Burgen und Klöster des Landes, die geplündert und oft zerstört wurden. In den Städten beherrschte die besitzlose Klasse tagelang die Straßen, bevor sie mit Hilfe der BürgerInnen-schaft geschlagen wurde.

Von Tirol aus erreichte der Bauernkrieg das restliche Land: In Salzburg, wo der Aufstand besonders mit der Reformation in Verbindung stand, musste der Erzbischof auf die Festung Hohensalzburg fliehen, in der er monatelang belagert wurde. Die niederösterreichischen Kämpfe betrafen vor allem die Stifte Zwettl und Melk sowie Wiener Neustadt, wo sich an die 12.000 Aufständischen zusammengerottet haben sollen. Die meisten Beteiligten am niederösterreichischen Aufstand kamen mit Geldstrafen davon.

Nicht so jene Kämpfer, die in Schladming den steirischen Landeshauptmann und seine Söldner gefangen genommen hatten. Die Überlebenden sammelten sich in den Bergen, worauf im Frühjahr 1526 erneut ein Aufstand ausbrach, der nur mit Hilfe schwäbischer Truppen niedergeschlagen werden konnte. Der militärisch und politisch wichtigste Führer dieser ersten großen Erhebung war Michael Gaismair, eine Persönlichkeit, die ganz im Zeichen der Glaubensreformation stand. (mehr dazu im Kasten unten auf dieser Seite).

Religiöse Motive sollten bei den nächsten beiden Kriegen keine wesentliche Rolle spielen. Denn als sich 1573 in Kroatien und in der Steiermark die Bauern erhoben, fiel es dem katholischen und mittlerweile teilweise auch protestantischen Adel nur all zu leicht, über die Schatten ihrer Konfessionen zu springen und gemeinsam die Revolte niederzuschlagen.

Ebenso blutig wie auch der dritte Bauernkrieg in Ober- und Niederösterreich (1595 –1597) endete, der seinen Höhepunkt fand, als im Spätherbst 1596 Soldaten für einen Krieg gegen das Osmanische Reich ausgehoben werden sollten. Doch die Untertanen entschieden sich statt dessen für die „Haufen“ der aufständischen Bauern und Bäuerinnen und somit für den Krieg gegen ihre unmittelbaren Unterdrücker. Am Ende exekutierte ein Söldnerheer an die hundert Aufständische; unzählige wurden verstümmelt. Man wollte offensichtlich nicht nur Rache nehmen, sondern ein Exempel statuieren.

Höhepunkt …

Der blutigste aller österreichi-schen Bauernkriege fand jedoch zwei Jahrzehnte später in Oberösterreich statt, das zur damaligen Zeit unter bayri-scher Herrschaft stand. Es war aber der österreichische Kaiser Ferdinand II, der Maximilian II von Bayern zur Gegenreformation drängte. Dieser traf dann auch mehrere strenge Maßnahmen zur Wiedereinführung des Katholizismus. Entsprechend hatte der Aufstand, der im Mai 1626 losbrach, anfänglich vor allem die Beendigung der bayrischen Herrschaft und die Rückgabe des Landes an Ferdinand II zum Ziel (dieser kurzsichtige Patriotismus sollte zu denken geben).

Da die Wut der Aufständischen durch die Grausamkeit des Gegners immer wieder geschürt wurde, dauerten die Kämpfe bis ins Frühjahr 1627 an. Nach diesem letzten Krieg war das Land verwüstet, der Widerstand der Bauern weitgehend gebrochen und ihre Rädelsführer tot. Die soziale Lage der Bauern und Bäuerinnen hatte sich nicht verbessert, im Gegenteil.

… und Niederlage

Nicht nur in Österreich, beinahe überall in Europa endete die Zeit der Bauernkriege mit blutigen Niederlagen. Der Widerstand der Bauern und Besitzlosen wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht nur für den Moment, sondern nachhaltig gebrochen, während die Ära der bürgerlichen Bewegungen erst einsetzen sollte. Erst im Jahr 1848 wurde in Deutschland und Österreich die Leibeigenschaft auf Grund eines Gesetzesantrages abgeschafft. Die Bauern mussten sich allerdings „freikaufen“, was eine neuerliche Abhängigkeit durch Schulden bedeutete.

Doch trotz der Niederlage in den Bauernkriegen sind die Ideen von Gaismair, Münzer, Geyer oder den TaboritInnen ein wesentlicher Meilenstein in der Herausbildung der Ideen von einer anderen Gesellschaft. Daher sehen sich heute die meisten sozialistischen Organisationen in dieser Tradition. Ist doch ein Gutteil des marxistischen Gedankens auf eben diesen Schlachtfeldern geboren worden.

Luther gegen Münzer

1850 veröffentlichte Friedrich Engels den Aufsatz „Der deutsche Bauernkrieg”, in dem er immer wieder Vergleiche mit der eben beendeten Revolution von 1848/49 zog. Hier beschreibt er unter anderem die drei Lager, die sich im ausgehenden Mittelalter auf Grund verbreiteter religiös-politischer Reformideen herausgebildet hatten: das bestehende katholische oder reaktionäre, das lutherische bürgerlich-reformierende und das revolutionäre. Für Engels ist es allerdings wichtig, zu sehen, dass nicht religiöse Differenzen Ursache für die Bauernkriege waren, sondern „positive materielle Klasseninteressen”, denn „diese Kriege waren Klassenkämpfe, ebensogut wie die späteren inneren Kollisionen in England und Frankreich” [Anm.: gemeint sind die dortigen Revolutionen].

Beide oppositionellen Gruppen hatten ihre ideologischen Vordenker. Um den gemäßigten Reformator Martin Luther sammelten sich die besitzenden Elemente der Opposition, präsentiert durch die Bürger-Innenschaft und die Masse des niederen Adels. Selbst weltliche Fürsten, die ein Auge auf die geistlichen Güter geworfen hatten, waren dabei. Die Bauern und Besitzlosen bildeten die revolutionäre Bewegung, deren Forderungen in Deutschland am schärfsten durch Thomas Münzer vertreten wurden.

Dabei war auch Luthers Auftreten 1517 durchaus revolutionär und die Richtung seines weiteren Vorgehens noch offen. Die Gesellschaft wurde energisch wachgerüttelt, als Luther erstmals gegen die Dogmen und die Verfassung der katholischen Kirche auftrat: “[…]warum greifen wir nicht vielmehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens, als Päpste, Kardinäle, Bischöfe und das ganze Geschwärm der römischen Sodoma mit allerlei Waffen und waschen unsere Hände in ihrem Blut?“

Kurz darauf hatten sich die Parteien gebildet, Luther musste wählen. 1520 predigte er die friedliche Entwicklung und den passiven Widerstand („Ich möchte nicht, dass man das Evangelium mit Gewalt und Blutvergießen verfechte”), bei Ausbruch des Bauernkriegs – in vorwiegend katholisch dominierten Gebieten – waren alle Feindschaften vergessen. Bürger und Fürsten, Adel und Klerus, Luther und Papst verbanden sich gegen die „mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern”, wie Engels ironisch anmerkte. Luthers Wahl drückte sich wenig später in deutlich aus: “Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muß!”

Zur selben Zeit, als Luther sich dem bürgerlichen Lager zuwandte, begab sich Thomas Münzer in die entgegengesetzte Richtung. Der 1498 geborene Münzer ging 1520 als erster evangelischer Prediger nach Zwickau. Dort kam er mit der Sekte der Widertäufer in Verbindung, einer gesellschaftlichen Opposition der untersten Gesellschaftsschichten, auf die seine religiösen und politischen Ideen großen Einfluss hatten. Die Folge war, dass sowohl er als auch die Sekte den Ort verlassen mussten.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Prag wurde Münzer Prediger im Thüringer Allstedt, von wo aus er erfolgreich die „Antipfaffenbewegung” organisierte. Hier setzte er die früheren gewaltsamen Predigten Luthers fort und rief die sächsischen Fürsten und das Volk zum bewaffneten Einschreiten gegen die römischen Pfaffen auf. Zwar war er zu diesem Zeitpunkt noch vor allem Theologe, doch wie Engels betont, waren seine politischen Ansichten bereits revolutionär, denn “unter dem Reich Gottes verstand Münzer […] einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine[…] fremde Staatsgewalt mehr bestehen. Sämtliche bestehende Gewalten […] sollten gestürzt, alle Arbeiten und alle Güter gemeinsam und die vollständigste Gleichheit durchgeführt werden.”

Die – durchaus zeitgemäße – Kehrseite der Münze ist die religiöse Verpackung, die Münzers revolutionäre Anliegen umgibt. Seine Forderungen stützt er in den wenigsten Fällen auf soziale Fakten, gewaltvolles Vorgehen wird mit Sprüchen aus dem Evangelium gerechtfertigt. Seine Rhetorik zeigt deutlich die Ambivalenz eines durch biblische Dogmen gefestigten und doch konsequenten Auftretens: ”Sagt doch Christus, ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. […] Christus hat mit großem Ernst befohlen […] nehmt meine Feinde und würget sie vor meinen Augen. […] Gott hat […] gesagt, ihr sollt euch nicht erbarmen über die Abgöttischen, zerbrecht ihre Altäre, zerschmeißt ihre Bilder und verbrennet sie, auf daß ich nicht mit euch zürne.”

Michael Gaismair – Führer der Bauern und Bäuerinnen

Michael Gaismair wurde 1490 bei Sterzing im heutigen Südtirol geboren, wo sein Vater Bergwerksunternehmer und Landwirt war. Vor Ausbruch des Bauernaufstandes, an dessen Spitze er sich später stellte, bekleidete er die Stelle eines Sekretärs des Erzbischofs von Brixen. 1525 wählten ihn die Bauern zum Feldobristen.

Er kämpfte für mehr Gerechtigkeit für die BürgerInnen und die Bauern- und Bäuerin-nenschaft, weniger Macht für den Adel und die Geistlichkeit. Als Gaismair im August 1525 nach Innsbruck gelockt und eingekerkert wurde, wandelte er sich vom Reformer zum Revolutionär und sah nur noch eine Möglichkeit: den bewaffneten Kampf. Nach seiner Flucht in die Schweiz stand er mit einem Heer 1527 in der Toskana und bald darauf in Umbrien.

Später kämpfte Gaismair als Söldnerführer für Venedig, das mit den Habsburgern verfeindet war. Vermögend geworden, erwarb er großen Grundbesitz in der Nähe von Padua. Am 15. April 1532 wurde Gaismair in Padua von bezahlten Mördern Ferdi-nands I ermordet, was folgenlos blieb, da sich die Republik Venedig inzwischen mit Habsburg versöhnt hatte.

Nicht nur als militärischer Stratege sondern auch als Theoretiker wurde Michael Gaismair bekannt. Herrschte in seinen frühen Schriften – insbeson-dere in den „Meraner Artikeln” – noch eine reformatorische Kompromisslösung vor, so wurde er spätestens durch seine „Tirolische Landesord-nung” zum (bürgerlichen) Revolutionär. Gerade diese letzten Forderungen waren allerdings direkt vom schweizerischen Religionsreformator Ulrich Zwingli beeinflusst. So fordert Gaismair unter anderem die Verbindlichkeit des Evangeliums für das ganze Land (Tirol) und die Errichtung einer Hochschule in Brixen, in der nur das „Wort Gottes” gelehrt werden dürfe. Doch neben diesen religiösen Ansprüchen nahm er moderne sozial-politische Vorstellungen vorweg, die als Vorstufen sozialistischer Ideen angesehen werden können:

# Die Armenfürsorge wird durch teilweises Heranziehen der kirchlichen Zehnte, durch abgestufte Steuern und die Umwandlung von Klöstern in Spitäler gewährleistet

# Alle Menschen sollen – gemäß dem Evangelium – gleich sein

# Die Kaufmannschaft wird verboten

# Die Erzeugnisse der Handwerker werden durch staatliche Beamte zum Selbstkostenpreis weitergegeben

# Binnenzölle werden abgeschafft

# Die Regierenden werden durch unmittelbare Wahl in den Vierteln und Bergwerken bestimmt

# Die Richter und acht Geschworene werden jährlich von der Gemeinde gewählt

Michael Gaismair konnte seine „Tiroler Konstitution” niemals umsetzen, doch seine Ideen haben ihn überlebt.

Bauernkriege international

Deutschland

In Deutschland kam es 1514 und 1524 zu Aufständen von Bauern/Bäuerinnen gegen die mittelalterliche Standesgesellschaft. Die Aufständischen beriefen sich vor allem auf die reformistischen Ideen Martin Luthers, die aber oft radikalisiert wurden.

Einer der berühmtesten revolutionären Theoretiker Deutschlands war zweifellos der evangelische Prediger Thomas Münzer, aber daneben gab es noch andere wichtige Persönlichkeiten. So zum Beispiel den Prediger Christoph Schap-peler und den Kürschnergeselle Sebastian Lotzer. Sie gelten als die Verfasser der „12 Artikel” der oberschwäbi-schen Bauern, die in zahlreichen Gebieten zum Programm der Aufständischen wurden. Die wichtigsten darin enthaltenen Forderungen waren die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Abschaffung des „Gunstrechts” (willkürliche Bestrafung durch den Grundherrn), das Recht der Gemeinde, ihren Pfarrer selbst zu wählen und abzusetzen sowie selbst über die Verwendung des „großen Zehent” (kirchliche Abgaben) zu entscheiden. In militärischer Hinsicht ging besonders Florian Geyer als Führer des so genannten „schwarzen Haufens” in die Geschichte ein.

Italien

Zur gleichen Zeit kam es auch in italienischen Gebieten zu gewaltsamen Aufständen der Bauern und Bäuerinnen. In Venetien wurden systematisch Burgen und Adelshäuser abgebrannt. Die Reaktion Venedigs ließ nicht auf sich warten: der Aufstand wurde niedergeworfen und die Anführer hingerichtet. Allerdings wurde eine Institution gewährt, die „Conta-dinanza”, eine Vertretung bestehend aus „Bürgermeistern”, die ihrerseits allgemeine Vertreter wählten.

Schweden

Auch im Norden des Kontinents wurde die herrschende Feudalordnung energisch in Frage gestellt. Nicht alle kämpften allerdings für eine Revolution des Gesellschaftssystems zugunsten der benachteiligten Schichten. Zumindest was Nils Dacke, den schwedischen Bau-ernführer, anbelangt, so ist sein Status als lokaler Volksheld zurecht mehr als umstritten. Denn nachdem sich im Jahr 1542 die Bauerntruppen erfolgreich in der Region Småland durchgesetzt hatten, übernahm Dacke die Sitten seiner Gegner und herrschte mit eiserner Faust über seine „Untertanen”. Nur ein Jahr später setzten königliche Truppen dem „Spuk” allerdings ein blutiges Ende.

Böhmen

Das damalige Gebiet der heutigen tschechischen Republik war im 14. Jahrhundert durch die Silberwerke in kurzer Zeit sehr reich geworden. In erster Linie kamen diese Reichtümer dem böhmischen König und der Kirche zugute, die wieder-um einen großen Anteil an den Papst abführte, aber auch viele BürgerInnen waren durch den Bergbau wohlhabend geworden. Das aufkeimende kapitalistische System war im Begriff, mit der traditionellen Feudalordnung zu konkurrieren.

Diese Situation führte zu Konflikten zwischen der Kirche und der Masse der Bevölkerung sowie zwischen Kaufleuten und Handwerksmei-stern und den Adligen, die um ihre Privilegien fürchteten, aber auch zwischen den Bauern und Bäuerinnen, die sich aus der Leibeigenschaft befreien wollten, und den Grundherren. Zu den wirtschaftlichen kamen noch die ethnischen Gegensätze zwischen der deutschen sozialen und geistlichen Oberschicht und der reformistischen tschechischen Bevölkerung.

Den militärischen Auseinandersetzungen ging ein Streit der Prager Universitätsprofessoren voraus, der sich um Jan Hus entfacht hatte. Hus, der sich auf die Lehren John Wyclifs (englischer Reformator des 14. Jahrhunderts) bezog und wie er die Notwendigkeit von Armut und Bescheidenheit der Kirche predigte, bestritt die Rechtmäßigkeit weltlicher und geistlicher Herrscher. Die Lager hatten sich gespalten: einerseits waren die Interessen der katholischen Kirche gefährdet, andererseits witterten die besitzlose Bevölkerung sowie der verarmte Kleinadel ihre Chancen. In Anschluss an das Konzil von Konstanz (1414), das einen neuen Papst (anstelle der drei damals existierenden) einsetzen und das Problem der „tschechischen Ketzerei” lösen sollte, wurde Jan Hus als Ketzer verurteilt und verbrannt. Der Konflikt wurde dadurch aber erst recht geschürt.

Die aufständischen Gruppen waren zum einen die Utra-quistInnen, bestehend vorwiegend aus reichen Bürgern und Adeligen, die sich das Kirchengut einverleiben wollten, zum anderen die Taborit-Innen. Diese erkannten keine weltlichen Herren an und praktizierten in der neugegrün-deten Stadt Tabor Gemeineigentum. Sie wurden von der Bauernschaft und den Handwerkern unterstützt.

Als König Wenzel die ausgezogenen katholischen Geistlichen wieder nach Prag zurückrief, brachten die empörten TschechInnen unter Jan Zizka die Stadt am 30. Juli 1419 unter ihre Kontrolle. Dabei kam es zum ersten Prager Fenstersturz, bei dem sieben Vertreter des Stadtrats aus dem Fenster des Rathauses gestürzt wurden. Den König traf bei dieser Nachricht der Schlag und er starb. Böhmen war daraufhin eine Republik.

Der Kreuzzug gegen die HussitInnen, zu dem Papst Martin V daraufhin aufrief, scheiterte ebenso wie alle folgenden an der Übermacht des Bauernheers, das sich mittler-weile über weite Teile Mitteleuropas ausgedehnt hatte. Ab 1431 gab es niemanden mehr, der es wagte, gegen die Hu-ssitInnen in den Kampf zu ziehen. Erst durch das Zugeständnis der Kirche, der Adel dürfe die „geraubten” Güter behalten, wendete sich das Blatt: Im Mai 1434 schlug die bürgerlich-adlige Söldnerarmee die Bauern und Handwerker vernichtend – die eigene Reiterei war ihnen in den Rücken gefallen. Intrige und Verrat kosteten in der Folge 13.000 TaboritInnen das Leben.