Pensionsraub in Frankreich: Die gleichen Pläne, der gleiche Kampf, die gleichen Fehler

Mit dem "Plan Fillon" (benannt nach dem bürgerlichen Sozialminister der Regierung Raffarin) sollen auch in Frankreich massive Angriffe auf die Pensionen erzwungen werden. Und auch in Frankreich gibt es wachsenden Widerstand gegen eine Anhebung der Pensionsversicherungsbeiträge, die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums, die Erhöhung des Pensionsantrittsalters in einer ersten Phase um dreieinhalb Jahre und die obligatorische Einrichtung von (privaten) Pensionskassen. Im Gegensatz zu Österreich gibt es in Frankreich kein weitgehend harmonisiertes Pensionssystem nach Art des ASVG. Teilweise gibt es branchenspezifische Lösungen oder, wie bei den Kollektivverträgen, sogar werks- oder konzerninterne Vereinbarungen. Weiters gibt es anstelle eines Gewerkschaftsdachverbandes wie dem ÖGB Richtungs- und Fachgewerkschaften: Die mit der KPF verbundene CGT, die der SP nahe stehende CFDT und die "nur-gewerkschaftliche", sozialdemokratisch orientierte FO. Im Bildungssektor spielt die FSU eine gewichtige Rolle. Die kleine katholische CFTC wird von den Arbeiter/inne/n und Angestellten mit Recht als "Gelbe Gewerkschaft", also als trojanisches Pferd der Unternehmer/innen und Streikbrecherverband, angesehen.

Die Regierung hat seit Anfang des Jahres versucht, in einer Salamitaktik die bestehenden Pensionsregelungen auszuhebeln. Genau wie in Österreich wurde versucht, mit "demographischen Argumenten" die Notwendigkeit der Anti-Reform zu beweisen: Die Arbeiter/innen lebten einfach zu lange, die Alten würden immer mehr – wir kennen das ja zur Genüge. Nach dem überwältigenden Wahlsieg der bürgerlichen Parteien im vergangenen Jahr gingen die Gewerkschaften keineswegs auf einen Konfrontationskurs – vielmehr versuchten sie in unterschiedlichem Ausmaß als "vernünftige" Sozialpartner akzeptiert zu werden. Ebenso wie KPF und SPF anerkannten sie die "Notwendigkeit" einer Pensionsreform und spielten damit natürlich der Bourgeoisie in die Hände.

Beim Energieversorger EDF-GDF – einer Hochburg der Arbeiter/innen/bewegung – akzeptierten sie Ende 2002 eine erste Verschlechterung der Pensionsvorsorge – und mussten am 10. Januar eine blamable Niederlage einstecken, als bei einer Urabstimmung 60 % der Belegschaft gegen den zwischen vier Gewerkschaften und der Geschäftsführung ausgehandelten Pakt stimmten, und damit den Gewerkschaftsführer/inne/n offen das Misstrauen aussprachen. Das Beispiel der Kolleg/inn/en bei EDF-GDF führte in einer Reihe von Branchen zu massiven Protesten – am stärksten wohl bei den Lehrer/inne/n, einer traditionell kampfbereiten und radikalen Schicht der Werktätigen. Seit Februar kam es zu einer Reihe von Streiks in Bildungseinrichtungen, in der Industrie und im Gesundheitswesen.

Genau hier liegt aber das Problem: Wie schon oft bei sozialen Protesten der vergangenen Jahre versuchen die Gewerkschaftsführungen, durch teilweise spektakuläre Aktionstage, Großdemonstrationen und Punktstreiks die Wut der Betroffenen zu kanalisieren und zu zersplittern, statt sie in einem landesweiten, branchenübergreifenden Generalstreik münden zu lassen. Auch wenn für den 13. Mai eine zentrale Demonstration in Paris angekündigt wurde – die Perspektive von CGT, CFDT, FO und FSU ist es nicht, durch den Generalstreik die Angriffe abzuwehren, sondern sie durch Verhandlungen abzumildern und gleichzeitig durch Einzelaktionen in den Betrieben Dampf abzulassen.

300 Lehrer/innen in Montpellier haben in einem offenen Brief an die Führungen der Gewerkschaftsverbände die anstehenden Aufgaben auf den Punkt gebracht: "Es geht nicht darum, zu ‚unterstützen‘, sich ‚zu beglückwünschen‘, zu 24-Stunden-Streiks aufzurufen. Eure Pflicht ist es, angesichts der Regierungsangriffe die Einheitsfront herzustellen, deren Fehlen Raffarins größtes Glück ist. Worauf wartet ihr? Erklärt, dass es nichts zu verhandeln gibt, dass man die Angriffe nicht wegdiskutieren, sondern nur bekämpfen kann. Worauf wartet ihr, um ab Mai alles für den Generalstreik vorzubereiten?"