Wird die grüne Mark jetzt rot?

Wie wohl die meisten Menschen mit linkem Selbstverständnis in ganz Österreich haben auch wir uns mit der Grazer KPÖ über ihr fulminantes Wahlergebnis bei den Gemeinderatswahlen Mitte Jänner gefreut. Fast 21% der Stimmen beweisen, dass (zumindest in Graz) die ewig gleichen Diskussionen über das kommunistische Schreckgespenst nicht mehr ziehen. Im Folgenden wollen wir die Gründe, aber auch die Auswirkungen dieses Wahlergebnisses näher betrachten und die Politik der Grazer KPÖ einer näheren Analyse unterziehen.

Das Wahlergebnis ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass die Zeit auch in Österreich nicht stehen bleibt. Mit dem Zusammenbruch des Stalinismus 1989-1991 hat der Begriff "Kommunismus" viel von seinem Schrecken verloren. Junge Menschen kennen den "eisernen Vorhang" nur mehr aus den Geschichtsbüchern und stehen damit der Idee einer Systemalternative wesentlich offener gegenüber. Daneben hat die Grazer KP durch konkrete Politik im Dienste der Bevölkerung den Warnungen vor "den Roten" viel von ihrem Schrecken genommen. Somit beweist das Grazer Ergebnis, was auch in anderen Städten möglich wäre.

Der Erfolg bei den Wahlen ist zweifellos vor allem darauf zurückzuführen, dass die Grazer KPÖ tatsächlich an den Nöten und Problemen der Menschen angesetzt hat. Der Mieternotruf, aber auch die persönliche Integrität von Stadrat Kaltenegger (der in guter kommunistischer Tradition nicht mehr für sich beansprucht als einen FacharbeitrInnenlohn und den Rest spendet) haben der Grazer Bevölkerung eine Art von Politik vorgestellt, die in dieser Form österreichweit einmalig ist.

Die KP fährt ein klassisches sozialdemokratisches Reformprogramm nach Art des "Roten Wien". In einer Zeit, da die SPÖ auf die Arbeit an der Basis vergessen hat und statt dessen versucht, sich medienkonform zu geben, eine wohltuende Abwechslung, aber auch eine Absage an die angebliche Notwendigkeit von mediengerechter Schönheit und Stromlinienförmigkeit. Vor allem die hohe Zuwachsrate aus dem NichtwählerInnenlager beweist, dass es hier gelungen ist, Menschen, die von der Politik bereits frustriert waren, eine neue Perspektive zu bieten. Wohnbau-Stadtrat Kaltenegger und der Mieternotruf waren der Schlüssel zum Erfolg. Es stellt sich allerdings die Frage, wie hier in Zukunft weiter agiert werden sollte. Der Mieternotruf ist eine sehr wesentliche Einrichtung, die einen sehr stark sozialarbeiterischen Ansatz hat. Eine wichtige und notwendige Ergänzung wäre aber die Selbstorganisation und damit die Politisierung der Betroffenen zur Umsetzung ihrer Interessen.

Sozialreformerische KPÖ

Aufgrund ihrer Reputation in dieser Frage hat die KPÖ im Wahlkampf auch vor allem auf die Themen "Wohnbau" und "Privatisierung" gesetzt. Das birgt für die Zukunft allerdings gewisse Gefahren. Vor allem die Nicht-Auseinandersetzung mit der FPÖ und dem Rassismus könnte der KPÖ auf den Kopf fallen. Die KPÖ gewann zahlreiche FPÖ-WählerInnen direkt über, was an sich selbstverständlich hocherfreulich ist.Bereits zum wiederholten Mal wurde die FPÖ damit von den WählerInnen für ihre unsoziale Politik bestraft und FPÖ-Vizebürgermeister Peter Weinmeister erklärte bereits am Wahlabend: "Es geht mir ganz schlecht. Das habe ich nicht erwartet."

Doch für die Zukunft wird sich die Frage stellen, wie die KPÖ mit diesem Gewinn umgeht. Denn eines ist klar: die KPÖ hat WählerInnen gewonnen, keine KommunistInnen. Die Zukunft wird weisen, inwieweit die KPÖ sich verpflichtet fühlen wird, – etwa bei antirassistischen Aktionen – eine Schere im Kopf anzulegen um diese WählerInnen nicht zu vergraulen. Bereits in der Vergangenheit hat es hier Diskussionen gegeben. So wurde der KPÖ wiederholt vorgeworfen, gegen die Öffnung der Gemeindebauten für MigrantInnen eingetreten zu sein (was der steirische KP-Vorsitzende Parteder verneint).

Aber auch in Law&Order-Fragen dürfte es diskussionswürdige Positionen geben: In der Gemeinderatssitzung vom 12. September 2002 wurde ein gemeinsamer dringlicher Antrag der Großparteien zur Bereitstellung von 160.000 Euro eingebracht, um es dem Innenministerium zu ermöglichen, die per Erlass von Minister Strasser verfügte Streichung von Überstunden der Grazer Polizei teilweise zurückzunehmen. Diesem Antrag stimmte auch die Grazer KP zu. KritikerInnen, die den zweifelhaften Erfolg restriktiver Methoden im komplexen Kontext der Sucht-Problematik thematisierten, blieben ungehört.

Es scheint überhaupt, als würde die KPÖ Graz sich sehr erfolgreich in Sozialfragen profilieren, aber dabei oft grundsätzliche Positionen vergessen (was verwundert, da die KP Steiermark die Bundes-KPÖ genau dafür kritisiert). So kommentierte Neo-Gemeinderätin Lisbeth Zeiler im dieStandard.at-Interview den Satz "Wo Kaltenegger drauf steht, ist Kommunismus drin" folgendermaßen: "Es ist lächerlich, der KPÖ Graz die Geschichte anderer Länder in einer anderen Zeit vorzuwerfen." Statt einem Bekenntnis zu kommunistischen Ideen (möglicherweise verbunden mit einer kurzen Erklärung des Stalinismus) das Statement, dass Kommunismus etwas sei, was mit der Geschichte anderer Länder verbunden und zu kritisieren sei (und damit die Gleichsetzung von Kommunismus und Stalinismus).

Solche Versuche, sich selbst – obwohl sich das "K" im Namen findet – möglichst pragmatisch zu positionieren finden wird es Öfteren: Nach den Wahlen schloss Ernst Kaltenegger nicht einmal ein Zusammengehen mit der ÖVP aus. Er erklärte laut Standard, eine ÖVP-KPÖ Koalition sei eine "delikate Situation" und diese sei auch "eher unwahrscheinlich". In der Stadtpolitik aber sei nie etwas gänzlich auszuschließen. Weiters meinte Kaltenegger laut Standard, dass "Kommunalpolitik nicht unbedingt etwas mit großer Ideologie zu tun" habe und schließt damit, dass "die großen Fragen der Menschheit (…) sicher nicht in der Kommunalpolitik entschieden [werden]."

Solche Aussagen machen es der ÖVP natürlich leicht, den Wahlerfolg der KP herunterzuspielen, ja sie sogar zu vereinnahmen. VP-Wirtschaftslandesrat Paierl erkärte: "In den USA kennt keiner Kaltenegger und seine Liebenswürdigkeit", Wirtschaftskammerpräsident Peter Mühlbacher meint, bei der KPÖ unter ihrem Vorsitzenden Ernst Kaltenegger in Graz handle es sich nicht um Kommunisten, der steirische VP-Landesrat Hirschmann setzt dem ganzen die Krone auf: "Die steirische ÖVP ist in ihrem Herzen immer eine kommunistische Partei gewesen, aber eine mit menschlichem Antlitz." Unterstützung kommt dabei von SPÖ-Klubchef Karl Heinz Herper: "Bitte, der Ernst Kaltenegger isst auch nur mit Messer und Gabel und nicht mit Hammer und Sichel." Hier sollte sich die KP Steiermark fragen, inwieweit sie es mit ihrer "pragmatischen" Politik ÖVP und SPÖ nicht zu einfach macht.

Wer wird Bürgermeister?

Die KPÖ wird jetzt bei der Wahl zum Bürgermeister sowohl von Teilen der Stadt-SPÖ (die Landesorganisation setzt auf Schwarz-Rot) als auch von Teilen der ÖVP umworben. Am sinnvollsten wäre aber zweifellos, im ersten Wahlgang Kaltenegger als eigenständigen kommunistischen Kandidaten zu präsentieren. Dabei ginge es nicht darum, diese Wahl tatsächlich zu gewinnen, sondern den Gemeinderat als Bühne für die Vorstellung eines revolutionären Programms zu benützen. Im zweiten Wahlgang wäre eine Stimme für die SPÖ, verbunden mit einer Reihe politischer Forderungen an die SP, eine sinnvolle Taktik, um die Basis der SPÖ an Hand dieser Fragen aufzurütteln und zu spalten. Klar ist allerdings, dass keine Verantwortung für bürgerliche Politik übernommen werden darf, also weder Zustimmung für ein Budget, noch für Gesetze, die gegen die Interessen der ArbeiterInnenklasse gerichtet sind. Dabei sollten allerdings immer auch alternative Vorschläge unterbreitet werden.

Ihre hervorragende Position sollte die KP Graz jetzt aber nicht primär innerhalb des Gemeinderats nutzen, sondern daran gehen, die Organisierung ihrer WählerInnen voranzutreiben. Bisher hat sie eher versucht, "für" die Menschen etwas zu erreichen, jetzt sollte sie ihre neue Stärke dazu nützen, nicht nur verstärkt lokale Arbeit und Betriebsarbeit zu machen, sondern auch, die Menschen für Demonstrationen und Aktionen zu mobilisieren. Der momentane Erfolg der KP steht auf tönernen Füssen, da ihre reale Mitgliederbasis sehr schwach ist. Doch die reale Organisierung der SympathisantInnen und WählerInnen auf Grundlage eines revolutionären Programms könnte ein Ansatz dazu sein, die Machtverhältnisse in Stadt und Land tatsächlich zu verändern.