Afrika im Kontinentalkrieg

Der drittgrößte Kontinent der Erde steckt in der Krise: 80 Millionen Menschen sind von einem andauernden Kontinentalkonflikt betroffen. In den letzten sieben Jahren zählte man in 23 verschiedenen Staaten Afrikas BürgerInnen- bzw. internationale Kriege. Die Ausbeutung der Bodenschätze und Ressourcen wie Gold, Diamanten, Kobalt, Uran, Palladium, Coltan, Öl oder Kaffee stehen im Mittelpunkt des Interesses. Besonders betroffen von diesen Kriegstreibern sind die Menschen im mittleren Afrika. Hier herrscht seit 1998 der erste afrikanische Kontinentalkrieg. Es stehen sich auf dem Territorium der Demokratischen Republik Kongo acht Armeeeinheiten aus afrikanischen Staaten gegenüber. Die DR Kongo wurde 1997 von der RebellInnenbewegung ADLF unter Laurent Kabila erobert, der 2001 ermordet wurde (seitdem regiert sein Sohn Joseph das Land). Vor 1997 war der von Frankreich unterstützte Diktator Mobutu an der Macht. Kabila galt früher als fortschrittlich (auch Che Guevara war einmal zu Besuch, kritisierte aber bereits damals die Undiszipliniertheit und die mangelnde politische Ausbildung der RebellInnenbeweg-ung), wurde aber später von den USA unterstützt, die in ihm ein Instrument sahen, die Machtverhältnisse in der DR Kongo, dem frühere Zaire (die Umbennenung fand unter Kabila statt), zu verändern.

Auf Seiten der kongolesischen Regierung und Armee kämpfen Verbände aus Angola, Namibia, Simbabwe und zeitweise aus dem Tschad, unterstützt werden sie auch von der Republik Südafrika. Hinter all diesen Ländern stehen die Interessen der USA. Interessant dabei ist, dass es sich hier mehrheitlich um Länder bzw. Befreiungsbewegungen handelt, die bis Anfang der 90er Jahre mit der Sowjetunion zusammengearbeitet haben. Offensichtlich haben sich diese (meist anglo-phonen, also englischsprachi-gen) Länder, die nicht mit den alten Kolonialmächten verbündet sind, diejenige Schutzmacht ausgesucht, die selbst nicht direkt mit der kolonialen Vergangenheit des Kontinents verknüpft ist. Als Beispiel seien der südafrikanische ANC, die namibische SWAPO oder der angolanische Staat mit der Staatspartei MPLA genannt.

Gegen die kongolesische Armee und ihre Verbündeten kämpfen Rebellenbewegungen und Truppen aus den (mehrheitlich frankophonen, also französischsprachigen) Ländern Burundi, Ruanda und Uganda, tendenziell unterstützt von der alten Kolonialmacht Frankreich, die ja derzeit an der Elfenbeinküste gerade wieder dabei ist, ein ihr genehmes Regime des frankophonen Afrikas militärisch zu stützen. Diesen Krieg als StellvertreterInnen-krieg zwischen den USA und Frankreich um den künftigen Einfluss in Afrika zu bezeichnen, wäre also sicher nicht falsch.

Der Krieg ist jedoch nicht nur auf die Sta-atsgrenzen Kongos eingeschränkt. Alle Nachbarstaaten sind Teil dieses blutigen Konflikts, der sich seit Jahrzehnten aufgebaut hat. Blutig deshalb, denn schätzt vier Millionen Tote als mittelbare oder unmittelbare Folge des Krieges, weitere 16 Millionen KongolesInnen sind Menschenrechtsver-letzungen ausgesetzt, unzählige Menschen sind geflohen, über 100.000 Flüchtlinge befinden sich im Nachbarland Tansania.

Ethnisierung und Krieg in Ruanda

Das zweite Zentrum dieses Krieges ist Ruanda, ein dichtbesiedeltes Land, in dem seit der Unabhängigkeit 1962 ebenfalls ein menschenverachten-der, durch die früheren Kolonialmächte provozierter Konflikt stattfindet. Es stehen sich hier durch die Ethnisierung die zwei Bevölkerungsgruppen Tutsi und Hutu gegenüber. Seit 1960 war es zu sporadischen Massakern an Tutsi gekommen. Rund 800.000 Menschen fielen im April/Mai 1994, durch eine beispiellose eingefädelte Hetzkampagne seitens der ruan-dischen Hutu-Regierung, einem unvorstellbaren Massenmorden zum Opfer.

Die Enthnisierung ist ein bedeutender Punkt in der Politik der Machthaber und ist ein häufig auftretendes Merkmal nachkolonialer Gesellschaften. Gemeint ist damit die Zugehörigkeit zu einer ethnisch definierten Gruppe und die damit einhergehende Abgrenzung zu einer anderen. In Ruanda wurde dies bewusst von der belgischen Kolonialmacht benutzt. Die ethnische Definition der Tutsi oder Hutu ist eine Erfindung der Kolonialverwal-tung, um Menschen einer Gruppe zu mobilisieren, politische Ziele gegen über einer anderen durchzusetzen.

Die Rassenideologie Belgiens bestand darin, dass sie behauptete, die Tutsi seien ein aus Nordafrika und Arabien eingewandertes Volk, das sich aufgrund seiner "edleren Herkunft" zu den Herrschern über die Hutu-Bauern/Bäuerinnen entwickelte. Das führte soweit, dass die Zugehörigkeit im Pass vermerkt wurde. Ein Blick auf die vorkoloniale Gesellschaft Ruandas zeigt, dass die Zugehörigkeit zu einer der beiden Bevöl-kerungsgruppen die soziale Stellung innerhalb der Gesellschaft widerspiegelte. Diejenigen, die der politischen und wirtschaftlichen Elite angehörten, wurden Tutsi genannt. Die Mehrheit, die beherrscht wurde, nannte man Hutu. Solche Methoden der Kolonialmächte begünstigten den Machterhalt. Sie verstanden es sehr gut, einzelne Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, um so den Widerwillen von der eigenen Verwaltung auf eine andere "Ethnie" zu kanalisieren.

Völkermord

1994 eskalierte die Situation. Wie im Holocaust fand der Versuch statt, systematisch eine ganze Bevölkerungsgruppe auszulöschen, einen Völkermord durchzuführen. Ein großer Teil der Bevölkerung hat mitgewirkt, die Angehörigen der Tutsi-Minderheit und oppositionelle Hutu innerhalb kürzerster Zeit zu ermorden.

Nach der Rückeroberung Ruandas durch Tutsi-Verbände der von Frankreich unterstützten "Ruandischen Patriotischen Front" flohen mehrere hunderttausend Menschen und bewaffnete Milizen aus Angst vor den Vergeltungsschlägen der Tutsi in die DR Kongo, das ehemaliges Zaire. Durch diese Auswanderung in das ohnehin schon kriegsge-plagte Land, kam es zu schweren Spannungen zwischen der eingewanderten und der einheimischen Bevölkerung, der ruandische BürgerInnenkrieg wurde ins Land getragen.

Ähnliche Spannungen wie in Ruanda haben sich in Burundi in zahlreichen Massakern an der Bevölkerungsgruppe der Hutu entladen. Der anhaltende BürgerInnenkrieg mit knapp 400.000 Toten hat zur Unterstützung der RebellInnen-gruppen in Kongo geführt. Wie auch in Ruanda fühlen sich die Hutu durch den auf den Kolonialismus zurückzuführenden Einfluss der Tutsi benachteiligt und unterdrückt. Auf dem Gebiet Ugandas haben sich eben-falls ruandische Flüchtlinge niedergelassen und betreiben nun von hier aus den Sturz der Regierung Ruandas.

In Uganda selbst hat die "nationale Befreiungsarmee" unter Yoweri Museveni mit US-Unterstützung den Staat erobert und versucht nun ebenfalls, ihr Stück vom Kuchen in Ruanda zu bekommen. Jedoch gibt es RebellInnenbewegungen, die im Westen des Landes agieren und sich zugleich nach Kinshasa, der Hauptstadt der DR Kongo, zurückziehen. Daraufhin sendete Uganda unter dem Vorwand des Schutzes der eigenen Grenzen Truppen in den Osten der DR Kongo, die sich dort als ständige Besatzungsarmee etablierten und sich aus der Kriegsbeute finanzierten.

Simbabwe beteiligt sich eben-falls mit der Aussendung eigener Truppen zur Unterstützung der Regierung der DR Kongo an diesem Kontinentalkrieg. Simbabwes Regierungschef Mugabe rechnet mit Gegenleistungen, etwa in Form von Konzessionen für die Ausbeutung der Diamantenminen, daneben ist er am Ausbau einer regionalen Vormachtstellung interessiert.

Angola hingegen steckt eben-falls in einen BürgerInnenkrieg, und das bereits seit seiner Unabhängigkeit. Die rechte Rebell-Innenbewegung UNITA (die jahrzehntelang von den USA und dem Südafrika der Apartheid gegen die stalinistische MPLA-Regierung unterstützt wurde) kämpft gegen die Regierung und findet ihr Rückzugsgebiet, aber auch Möglichkeiten zum Waffenkauf und einen Handelsweg für illegalen Dia-mantenexport, in der DR Kongo. Angola strebt eine Festigung der kongolesischen Regierung an, um der UNITA die Rückzugsmöglichkeit in der DR Kongo abzuschneiden. Doch nicht nur diese Staaten haben mit den Wirren des Krieges zu kämpfen. Auch die Zentralafrikanische Republik, der Kongo (der westliche Nachbar der DR), Tansania und die Regierung Sambias sind involviert.

Das gesamte mittlere Afrika leidet mittlerweile unter diesem Flächenbrand, der Waffenstillstand 2002, der im Dezember zu Stande gekommen ist, wird wahrscheinlich nicht von Dauer sein. Die Machtkämpfe des internationalen Kapitals auf dem Kontinent rund um Einfluss und Ressourcen werden weitergehen, solange das zu Grunde liegende Problem – der Kapitalismus – nicht überwunden ist.

StellvertreterInnenkrieg in Afrika – USA und Frankreich stecken ihr Territorium ab

Der oberhalb geschilderte Konflikt in Afrika ist eigentlich ein StellvertreterInnenkrieg um Macht und Einfluss zwischen der traditionellen alten Kolonialmacht Frankreich, die in Afrika noch immer vielfältige Interessen hat und mit zahlreichen frankophonen Länden der Region verbündet ist und der neuen Supermacht USA, die versucht, auch in Afrika verstärkt Fuss zu fassen.

Von 1945 – 1989/91 verdeckte der Systemge-gensatz zwischen Kapitalismus und Stalinismus die innerkapitalistischen Widersprüche. Diese spezielle Periode ohne kriegerische Auseinandersetzung innerhalb der kapitalistischen Staaten ist eigentlich eine Besonderheit … nun holt uns die Realität des Kapitalismus wieder ein.

Frankreichs Rolle

Hier spielt die französische Mineralölgesellschaft Elf/Total-Fina eine nicht unwichtige Rolle. Wurden ihr doch "mögliche kriminelle" Verwicklungen in illegale Waffengeschäfte, Geldwäscherei und vielem mehr nachgesagt. Gestützt durch die Regierung in Paris hat der Konzern jedoch freie Hand. Ein Diplomat erklärte: "Das Öl aus dem Golf von Guinea ist für uns von vitalem Interesse. Man kann doch nicht Exxon das Öl fördern lassen, das in unseren Tankstellen fließt. Elf, das ist der französische Staat." Mit diesen Worten kommentierte er aber auch zugleich den Wirtschaftskrieg, der nach Meinungen in eine Neuaufteilung des Kontinents münden könnte. Denn aus französischer Sicht steht es außer Frage, den amerikanischen Multis Afrika zu "überlassen". Paris steht im ständigen Konkurrenzkampf mit den USA, Deutschland (speziell in Nigeria) und Großbritannien. Dementsprechend hielt Frankreich lange an Regierungschef Mobutu, dem Diktator der DR Kongo fest. 1997 musste Mobuto schließlich dem Führer der von den USA unterstützten RebellInnenbewegung, Laurent Ka-bila, weichen.

Frankreich musste sich auch unterstellen lassen, am Massenmord von 1994 in Ruanda Mitschuld zu haben. Es wurde daraufhin dem Verteidigungsausschuss Frankreichs aufgetragen, die Rolle der ausländischen Truppen in der ruan-dischen Tragödie bis 94 zu untersuchen. Die Ermittlungs-gruppe kam zum Ergebnis, dass Frankreich vor und nach dem Beginn des Völkermords gegen die Tutsi-Bevölkerung Waffen nach Ruanda geliefert habe.

Aktuelles Einsatzgebiet der französischen Fremdenlegion ist die Elfenbeinküste. "Paris drängt auf Friedensschluss", war kürzlich im Standard zu Lesen. Ebenfalls interessant erscheint aber die Bemerkung, dass die Intervention einen rein wirtschaftlichen Grund habe. "Nicht ganz zufällig sichern sie die Frontlinie ziemlich genau entlang der Nordgrenze der Kakaoplantagen". Auch die Reisen des französischen Präsidenten Chirac nach Südafrika, Namibia und Mosambik lassen die künftige Richtung der Politik Frankreichs vermuten – das Sichern von Märkten und Rohstoffquellen in Afrika.

USA

Die USA hingegen nutzten die postkolonialen Machtverhält-nisse in Kongo zur Durchsetz-ung eigener politischer und wirtschaftlicher Interessen. Während des kalten Krieges bedienten sich die USA Zaires, der heutigen DR Kongo, als Hebel, um eine sowjetische Vorherrschaft in Angola zu verhindern (bedingt durch den "Kalten Krieg" mit dem Stalinismus zogen damals die USA und Frankreich noch an einem Strang). Zudem wurde Zaire durch den Rohstoff Kobalt immer interessanter.

Nach dem "Kalten Krieg" hingegen ließ die USA Zaire fallen, da keine Bedeutung mehr für einen Verbündeten im Ost-West Konflikt bestand. Doch bald veränderten sich diese Interessen wieder und die USA suchte und fand in Laurent Kabila einen verlässlichen Verbündeten, um einen Stützpunkt in dieser Region, die reich an Bodenschätzen ist, zu errichten, womit sich der Konflikt mit Frankreich zuspitzte. Es gilt als sicher, dass die USA Kabila unterstützen: so schlossen bereits vor der Machtübernahme Kabilas US-Firmen Verträge über zukünftige Schürfrechte in der DR Kongo mit Kabila ab (ohne Zusage des Pentagons hätte dies kein Konzern gewagt). Mit Hilfe der Konzessionen haben die amerikanischen Firmen die bisher dominierenden Staaten Belgien (die ehemalige Kolonialmacht Zaires) und Frankreich sowie Südafrika aus dem Markt gedrängt.

Die USA treten offiziell für einen Rückzug aller fremden militärischen Kräfte aus dem Kongo ein. Jedoch wird ihnen selbst vorgeworfen, die ruandischen Truppen zu unterstützen. US-Bergbaukonzerne und die US-Diplomatie werden künftig ihr politisches Engagement in Afrika auf jene Bereiche und Länder ausweiten, die wirtschaftlich oder unter sicher-heitspolitischen Gesichtpunk-ten von Bedeutung sind.