Von Nizza nach Tallin: Die EU-Osterweiterung

Nun ist es so weit, die Volksabstimmung in Irland hat mit einem klarem "Ja" zu den Verträgen von Nizza geendet. Irland war das letzte Land, welches noch nicht positiv über diese Verträge abgestimmt hatte, deren Inhalt auch die Erweiterung der Europäischen Union ist. Die meisten EU-Länder haben diese Abstimmung relativ problemlos im Parlament durchgeführt. Die Verträge sind damit ratifiziert, der EU-Osterweiterung steht somit nichts mehr im Weg.

Wir können natürlich davon ausgehen, dass die EU die Erweiterung nicht aus humanitären Gründen betreibt. Statt dessen ist der weltgrößte Wirtschaftsblock dabei, sich zu formieren. Und das hat seinen Preis: Schon jetzt hat die Bevölkerung der Beitrittskandidaten erhebliche Kürzungen zu ertragen, welche mit den Aufnahmekriterien gerechtfertigt werden. Damit geht eine allgemein angespannte wirtschaftliche Lage einher.

Anscheinend bringt der bevorstehende EU-Betritt also nicht das erhoffte Wirtschaftswunder, sondern Restrukturier-ungen und Privatisierungen. Diese wären allerdings auch ohne Beitritt gegeben, denn zumindest wirtschaftlich sind Länder wie Tschechien oder Slowenien längst völlig integriert, oder, besser gesagt, abhängig. Mit der Integration dieser Länder und eventuellen Subventionen oder Chancen auf dem west- und zentraleuropäischen Arbeitsmarkt ist aber niemandem nachhaltig geholfen: Die neuen Hinterhöfe des Wohlstands werden sich dann in der Ukraine oder Weißrussland befinden. Selbstredend ist, dass im Zuge des Standortvorteils die Löhne in der EU mit den Löhnen in diesen Länder konkurrenzfähig bleiben müssen. Ein nie endenwollendes Spiel.

Doch ist es trotz alledem falsch, in Westeuropa eine generelle Position gegen die EU-Osterweiterung einzunehmen. Die Stellungnahme der westeuropäischen radikalen Linken muss den Spagat schaffen, einerseits ein Europa der zwei Geschwindigkeiten (und die damit verbundenen nationalistischen Ressentiments, wie sie beispielsweise manche Gewerkschaften pflegen) zurückzuweisen, andererseits die Probleme, die mit dem EU-Betritt vor allem in den osteuropäischen Staaten entstehen werden, zu thematisieren. Die Linke muss Kritik an den Kürzungen und dem Nationalismus üben und klar machen, dass ein vereintes Europa notwendig ist. Allerdings unter einer Maxime der wirtschaftlichen und politischen Demokratie im Dienste der arbeitenden Menschen und der Jugend.