Ein Jahr für ein Stofftuch? Zur Diskussion um das Vermummungsverbot

"Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um das weiter zu versachlichen, möchte ich die Berichte erwähnen, die im Ausschuss von diversen Beamten erstattet wurden. Dort waren es vor allem Leute aus der Praxis, dort war es unter anderen Major Albrecht von der WEGA Wien, der genau definiert hat, woher die großen Gefahren kommen: Sie kommen insbesondere aus dem Black Block, gerade Vermummte neigen vornehmlich zu Straftaten." R. Egghart (F) im Nationalrat, 109. Sitzung.

Es ist also soweit: seit 1.9.2002 gibt es in Österreich ein Vermummungsverbot. Worum geht es eigentlich, wenn FPÖVP eine "Bundesgesetzänderung" beschließen? Was bedeutet dieses Gesetz nun konkret für uns? Wer vermummt ist, hat nicht das Recht, an einer Demo teilzunehmen. Weiters kann die Polizei eine Verwaltungsstrafe bis 720 Euro verhängen. Dies ist auch möglich, wenn bei Vorkontrollen Gegenstände gefunden werden, die zur Vermummung dienen könnten,… genau! drei Blocks von dem Demotreffpunkt entfernt,… der nette Polizist perlustriert uns,… ja schau an, ein Palästinensertuch, 9.900 öS Strafmandat, Verbot der Teilnahme und/oder Konfiszierung des Tuches … Diese Vorgangsweise könnte schon bald bittere Realität bei politischen Aktionen werden. Ganz zu schweigen davon, wenn mensch noch "Waffen" dabei haben sollte, wie z.B. Nietenarmbänder oder ähnliches. Dann wird's zu einer Straftat mit max. 6 Monaten Gefängnis. Nette Überlegung ist auch, dass laut Sicherheitspolizeigesetz u.a. Fäuste Waffen sein können.

Natürlich ist es nicht Hauptziel des Gesetzes, die marode Finanzsituation der Exekutive aufzubessern. In erster Linie geht es darum, sicherzustellen, dass die Staatspolizei auch wirklich alle Daten über politische AktivistInnen sammeln kann. Der Kessel auf der Anti-WEF-Demo in Salzburg voriges Jahr hat unter anderem deshalb 7 Stunden gedauert, da auch wirklich von allen 970 Menschen ein Schnappschuss gemacht werden sollte. Ein zweiter wichtiger Grund, dieses Gesetz einzuführen ist, der Polizei einen zusätzlichen "Gummiparagraphen" in die Hand zu geben. Neben Widerstand gegen die Staatsgewalt und Landfriedensbruch nun also auch Vermummungsverbot. Die Polizei hat also die Möglichkeit, wenn sie will, ein Exempel zu statuieren. Und zwar deshalb, da nach Vorschlag der SPÖ und dem "Expertenhearing" im Innenausschuss beschlossen wurde, dass von einer Exekution dieses Gesetztes abgesehen werden kann, wenn es nicht durchführbar ist.

Demokratie?

Den Leuten, die immer noch an die Mär von "Demokratischer Republik" glauben, sollte dieses Gesetz eigentlich besonders aufstoßen. Es wurde also beschlossen, dass Menschen sich nicht vermummen dürfen, da sie vermummt vermehrt und einfacher Straftaten begehen könnten. Das heißt, dass alle zukünftigen DemonstrationsteilnehmerInnen vorverurteilt werden und die Unschuldsvermutung per Gesetz außer Kraft gesetzt wurde.

Die SPÖ hat das Gesetz zwar nicht mitbeschlossen, ist jedoch prinzipiell für ein Vermummungsverbot. Die Grünen haben einfach den Plenarsaal verlassen, wer Hoffnung dahingehend setzt, sollte sich die APA-Aussendung zur Vermummungsdebatte durchlesen, in der Pilz meint, dass Maßnahmen gegen bewaffnete Amokläufer, gegen Neonazis und gegen Gewalttäter aus der Anarcho-Szene(!) notwendig seien, jedoch die Regierung nur gegen die einen vorginge.

Ablenkung

Bemerkenswert ist, dass die Debatte zum Vermummungsverbot genau zu dem Zeitpunkt begonnen wurde, als Neonazis "Sieg Heil" schreiend über die Kärntnerstraße (1) marschieren konnten, während AntifaschistInnen am Heldenplatz misshandelt (2) wurden. Außerdem brauchte die Polizei ja auch verschärfte Vorgangsmöglichkeiten zur Vorbereitung auf den WEF-Gipfel Mitte September, um den KapitalistInnenclub auch gebührend "schützen" zu können. Damit tritt die Gesetzesänderung mit 1.9.02 passend in Kraft.

Obwohl viele von uns nicht vermummt agieren, sind wir gegen dieses Gesetz. Eigentlich sollte jeder Mensch selbst entscheiden, ob er/sie unerkannt auf Demonstrationen gehen will. Für einige kann dies auch existenzbedrohend werden. Es wird in Zukunft vermehrt zur Kriminalisierung von GenossInnen und FreundInnen kommen. Unsere Solidarität sollte in Zukunft den Betroffenen gelten. Unser Widerstand jedoch wird nur noch entschlossener, denn dass sich die Machthaber ihre Gesetze immer schon zurechtgebogen haben oder notfalls auch ohne diese agieren, ist erwiesen. Orwells Vision 1984 scheint uns bereits mehr als überholt …

Gesetzestext

Kurztitel

Bundesgesetz: Änderung des Versammlungsgesetzes 1953
(NR: GP XXI IA 680/A AB 1245 S. 109. BR: 6686 AB 6710 S. 690.)

Kundmachungsorgan BGBl. I Nr. 127/2002

Typ
BG

Teil
1

Datum
20020813

Text
Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Versammlungsgesetz 1953, BGB1. Nr. 98/1953, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGB1. I Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:

1. § 9 (neu) lautet wie folgt:
"§ 9. (1) An einer Versammlung dürfen keine Personen teilnehmen, 1. die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern oder
2. die Gegenstände mit sich führen, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern. (2) Von der Festnahme einer Person gemäß § 35 Z 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 wegen eines Verstoßes gegen Abs. l ist abzusehen, wenn der gesetzmäßige Zustand durch Anwendung eines gelinderen Mittels hergestellt werden kann; § 81 Abs. 3 bis 6 des Sicherheitspolizeigesetzes gilt sinngemäß.
(3) Darüber hinaus kann von der Durchsetzung der Verbote nach Abs. 1 abgesehen werden, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht zu besorgen ist."

2. Nach § 9 (neu) wird folgender § 9a eingefügt:
"§ 9a. An den im § 2 erwähnten Versammlungen dürfen Bewaffnete nicht teilnehmen; ebenso dürfen Personen nicht teilnehmen, die Gegenstände bei sich haben, die geeignet sind und den Umständen nach nur dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben."

3. In § 19 wird der Ausdruck "360 Euro" durch den Ausdruck "720 Euro" ersetzt.

4. Nach § 19 wird folgender § 19a eingefügt: "§ 19a. Wer an einer Versammlung entgegen dem Verbot des § 9 Abs. 1 teilnimmt und bewaffnet ist oder andere Gegenstände gemäß § 9a bei sich hat, wird vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, im Wiederholungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft."

4a. § 20 lautet wie folgt: "§ 20. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes, ausgenommen des § 19a, ist der Bundesminister für Inneres betraut; mit der Vollziehung des § 19a ist der Bundesminister für Justiz betraut."

5. § 21 wird folgender Abs. 3 angefügt: "(3) Die §§ 9, 9a, 19 und 19a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 127/2002 treten mit 1. September 2002 in Kraft."