Österreich, das Naziland. Wer war Thomas Bernhard?

Sein "Heldenplatz" spaltete die gesamte österreichische Kultur- und Politszene, denn er entlarvte Österreich als das, was es ist. Ein Land, das es noch immer nicht geschafft hat, seine Vergangenheit zu bewältigen. Ein Land, in dem Antisemitismus und Rassismus noch immer an der Tagesordnung sind. Er, das ist Thomas Bernhard, einer der bedeutendsten und herausragendsten Schriftsteller Österreichs.
Thomas Bernhard wird am 9. Februar 1931 in Heerlen bei Maastricht, Holland, geboren. Die ledige Mutter hatte im Sommer 1930 Österreich verlassen, um in Holland als Dienstmädchen zu arbeiten. Der Vater des unehelichen Kindes, Alois Zuckerstätter, setzt sich nach der Geburt des Kindes nach Deutschland ab. Im Herbst 1931 bringt Herta Bernhard ihr Kind zu den Großeltern nach Wien. Anfang 1938 heiratet seine Mutter Emil Fabjan, der in Traunstein in Deutschland lebt. Sie nimmt nun ihren Sohn wieder zu sich, der aber in schulische Schwierigkeiten gerät. Da sie mit Thomas nicht zurecht kommt, schickt sie ihn in ein nationalsozialistisches Erziehungsheim nach Salzburg. Nach einem schweren Bombenangriff wird er nach Traunstein, Deutschland, zurückgeholt.

Sein Großvater drängte schon früh auf eine künstlerische Ausbildung seines Enkels und ließ ihm Zeichen-, Mal- und Gesangsunterricht geben. Mit fünfzehn Jahren erkrankt Bernhard an Lungentuberkulose. Während seiner mehrjährigen Aufenthalte in Sanatorien und Lungenheilstätten, beginnt Thomas Bernhard intensiv zu lesen und zu schreiben. In der Lungenheilanstalt Grafenhof bei St. Veit lernt er die 35 Jahre ältere Hedwig Stavianicek kennen – sie sollte bis zu ihrem Tod 1984 seine Lebensgefährtin sein.

1951 beginnt Bernhard ein Musikstudium; gleichzeitig arbeitet er als Journalist bei verschiedenen Zeitungen, unter anderem als Gerichtsreporter für die sozialdemokratische Zeitung "Das Demokratische Volksblatt" (später "Die Arbeiterzeitung"). Danach lebt er bis zu seinem Tod als freier Schriftsteller in Österreich. Thomas Bernhard erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen in Deutschland und Österreich: 1965 den Bremer Literaturpreis, 1968 den "Großen österreichischen Staatspreis" und 1970 den Georg-Büchner-Preis.

Bernhard schreibt vor allem über EinzelgängerInnen (Auslöschung; Frost; Verstörung; Ja), SelbstmörderInnen (Beton; Heldenplatz; Der Untergeher) und Kranke (Verstörung; Ein Fest für Boris). Auch der Tod nimmt in seinen Werken immer wieder eine bedeutende Rolle ein. "Die menschliche Existenz ist mit dem Leiden verbunden. Das eigentliche Wesen der Existenz liegt im Tod. "Wenn wir ein Ziel haben, so scheint mir, ist es der Tod" (Verstörung). Sein Werk "Auslöschung", das er 1986 schreibt, beginnt mit einem Zitat des französischen Philosophen Montaigne: "Ich fühle, wie der Tod mich beständig in seinen Klauen hat. Wie ich mich auch verhalte, er ist überall da."

Thomas Bernhard stirbt am Morgen des 12. Februar 1989 in Gmunden, Oberösterreich. Bernhards Tod wird erst nach dem Begräbnis bekannt gegeben. Mit einer testamentarischen Verfügung lässt er sämtliche Aufführungen, Drucklegungen und Rezitationen seiner Werke in Österreich verbieten. Dieses, auf seinem Hass auf Österreich beruhende, Aufführungsverbot wird im Juli 1998, trotz des Protestes von AutorInnen wie Elfriede Jelinek und Peter Turrini, durch die Initiative einer Privatstiftung wieder aufgehoben.

Thomas Bernhard ist als durchaus fortschrittlicher Autor zu betrachten, auch wenn er lange Zeit Mitglied der ÖVP war. Seine Kritik und teilweise oft wüsten Beschimpfungen gegen die katholische Kirche und die ÖVP dürften ihm allerdings wenige FreundInnen innerhalb dieser Partei beschert haben.

Thomas Bernhard, Heldenplatz

"Heldenplatz" beschreibt den März 1988, 50 Jahre, nachdem Adolf Hitler auf dem Heldenplatz in Wien die Annektierung Österreichs ausrief. Der jüdische Professor Schuster musste 1938 emigrieren, kehrte aber in den Fünfzigerjahren auf Bitten des Bürgermeisters wieder auf seinen Lehrstuhl zurück. Dieses ihm verhasste Wien, das ihn vertrieben hatte und wo der Judenhass noch immer allgegenwärtig ist.

Schuster wollte mit seiner Frau im März 1989 wieder ins Ausland gehen, da er dieses Land einfach hasste und seine Frau noch immer das Jubelgeschrei der Massen am Heldenplatz hören konnte, welches sie langsam in den Wahnsinn trieb. Kurz vor der Abreise nach Oxford beging der jüdische Professor Selbstmord. Während das Hausmädchen und die Wirtschafterin des Professors in dessen Wohnung alles für das Leichenmahl richten, diskutieren dessen Töchter mit deren Onkel über die momentane politische Situation in Österreich und den latenten Antisemitismus, der noch immer spürbar ist.

Während des Leichenmahls beginnt der Bruder des Verstorbenen eine Hasstirade gegen Österreich und den allgegenwärtigen JüdInnenhass. So meint er etwa: "In diesem fürchterlichsten aller Staaten, haben sie (die Leute, Anm.) ja nur die Wahl zwischen schwarzen und roten Schweinen." Die Frau des Verstorbenen, beginnt wieder, die anschwellenden Schreie der Massen bei Hitlers Ankunft auf dem Heldenplatz zu hören, die sich ins Unerträgliche steigern, bis sie schließlich tot zusammenbricht.