Die unendliche Geschichte – Der Konflikt zwischen Israelis und PalästinenserInnen

Seit dem Beginn der neuen Intifada am 28. September 2000, als der damalige Oppositionsführer und heutige Ministerpräsident von Israel, Ariel Sharon, den Tempelberg in Jerusalem besuchte, vergeht fast kein Tag mehr ohne Tote in Israel und Palästina. Im Folgenden versuchen wir, einige Hintergründe zu beleuchten.

Ein näheres Verständnis der aktuellen Situation im nahen Osten ist ohne eine Betrachtung der Ideologie des Zionismus unmöglich. Der Zionismus entstand als Reaktion auf die (wieder) zunehmend antisemitischer werdenden Gesellschaften in Europa am Ende des 19. Jhdt. Demzufolge war es das Ziel der zionistischen Bewegung, einen eigenen Staat für JüdInnen zu gründen, wenn möglich auf dem Gebiet des "biblischen Israels", um somit der Verfolgung und Diskriminierung Einhalt zu gebieten.

Doch natürlich wussten die Gründerväter des Zionismus, dass Palästina eine überwiegend arabische Bevölkerung hatte. Doch nur Wenige hielten die arabische Präsenz für ein wirkliches Hindernis bei der Verwirklichung des zionistischen Plans, denn zu jener Zeit gegen Ende des 19. Jhdt gab es keine Form eines arabischen Nationalismus. Außerdem war die arabische Bevölkerung in Palästina mit 600.000 relativ gering. Viele zionistische FührerInnen glaubten, dass Spannungen zwischen der relativ kleinen lokalen Gemeinschaft und den heimkehrenden JüdInnen vermieden werden könnten.

Doch mit den ersten Einwanderungswellen vor dem ersten Weltkrieg begannen die Auseinandersetzungen, die auch und vor allem von den arabischen Großgrundbesitzern forciert wurden, die um ihre Macht und ihren Einfluß bangten. Innerhalb der zionistischen Bewegung gab es drei Hauptpositionen: Minimalismus, Maximalismus und Realismus. Die MinimalistInnen vertraten die Ansicht, dass Land gehöre beiden Völkern; daher könne der Zionismus ohne vorangehende Zustimmung der anderen Nation nicht verwirklicht werden. Um eine jüdisch-arabische Übereinkunft zu sichern, waren die MinimalistInnen bereit, auf die Gründung eines jüdischen Staates zu verzichten und an seiner Stelle einen binationalen, auf der politischen Parität von jüdischen und moslemischen Menschen basierenden Staat zu akzeptieren.

Im Gegensatz dazu standen damals die MaximalistInnen, die glaubten, der nationale Kampf zwischen den beiden Völkern müßte gewaltsam ausgefochten werden. Sie lehnten die Gewährung arabischer nationaler Rechte im Lande Israel mit dem Argument ab, AraberInnen hätten niemals einen Staat in Palästina besessen. Sie sahen keinen Grund zu Verhandlungen mit einheimischen AraberInnen, und hofften, sie könnten das gesamte Land entweder durch diplomatische Kontakte mit ausländischen Mächten oder durch bewaffnete Truppen gewinnen.

Die RealistInnen stellten die größte zionistische Gruppe dar, waren aber wiederum in sogenannte liberale und sozialistische Gruppen gespalten. Die RealistInnen hielten es für unmöglich, einen Konflikt mit den AraberInnen gänzlich abzuwenden, waren jedoch der Meinung, diesen Konflikt durch die Einnahme gemäßigter Positionen mindern zu können. Aber sie waren nicht zu Kompromissen im Hinblick auf die zionistischen Ziele bereit – eine jüdische Mehrheit durch uneingeschränkte Einwanderung von JüdInnen und die Gründung eines jüdischen Staates.

Das Gebiet, um das sich heute alles dreht, wurde in den Jahren von ca. 1.000 vor unserer Zeit (v.u.Z.) bis 587 v.u.Z. von israelischen Königen beherrscht. Nach dieser Zeit regierten andere Völker über die großteils jüdische Bevölkerung, bis große Teile des israelischen Volkes zwischen 500 unserer Zeit (u.Z.) bis 1200 u.Z. auswanderten oder auswandern mussten, da die Menschen auch in diesem Teil der Erde von den (freiwilligen und unfreiwilligen) Völkerwanderungen betroffen waren. Bis zum Beginn des 20. Jhdt. lag deshalb der Anteil der Menschen jüdischen Glaubens in diesem Gebiet bei nie mehr als 20%.

Eine erste größere Einwanderungswelle ausländischer JüdInnen, vorwiegend aus Russland und Polen, setzte 1882 ein. Dieser folgt eine zweite zwischen 1904 und 1914. Beide wurden durch den Antisemitismus der Mehrheitsbevölkerung ausgelöst, der sich oft in blutigen Pogromen ausdrückte. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Gebiet von Großbritannien erobert. Bereits 1917 plante die britische Regierung, in Palästina eine "nationale Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina" zu errichten, soweit dabei die Rechte der nicht jüdischen Gemeinschaften nicht beeinträchtigt würden.

1933 begann die stärkste jüdischen Einwanderungswelle, ausgelöst durch die JüdInnenverfolgung des Dritten Reiches. Das Resultat in Palästina war der erste landesweite arabische Aufstand gegen die JüdInnen. Am Ende des Zweiten Weltkrieges leben dort etwa 600.000 JüdInnen – 30 Jahre vorher waren es noch 100.000. Im Vergleich dazu gab es nach britischen Zählungen ca. 1.200.000 MoslemInnen und 150.000 ChristInnen.

Die wachsenden Spannungen zwischen AraberInnen und JüdInnen führten schon in den 20er Jahren zur Gründung der "Haganah", einer militärischen Organisation zum Schutz von jüdischen Siedlungen. Fortan erhöhten diese jüdischen Terrorkommandos mit Sprengstoffanschlägen auf britische Einrichtungen den Druck auf die Regierung Großbritanniens, die gegen einen rein jüdischen Staat war und vor allem auch kein Interesse daran hatte, eine Kolonie zu verlieren.

Nach dem zweiten Weltkrieg und der Shoah ("Holocaust"), die rund fünf Millionen JüdInnen das Leben kostete, war der Wunsch vieler JüdInnen nach einem Leben ohne Angst ebenso groß wie nachvollziehbar. Doch die Leidtragenden dieses Wunsches sollten die PalästinenserInnen werden.

1947 beschloß die UNO die Teilung der britischen Kolonie Palästinas in einen jüdischen Staat und einen arabischen Staat, wobei die vorwiegend arabischen Siedlungsgebiete an das Königreich Jordanien kommen sollten. Jerusalem sollte unter internationale Verwaltung gestellt werden. Doch die AraberInnen lehnten die Lösung ab. Trotzdem wurde am 14. Mai 1948 der Staat Israel ausgerufen.

Unmittelbar nach der Gründung des Staates begannen Jordanien, Ägypten, Irak, Syrien und Libanon einen Krieg, der die Realisierung Israels vereiteln sollte. Am Ende gewann Israel und konnte sein Territorium vergrößern – in Folge flüchteten hunderttausende PalästinenserInnen, die bis heute in Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarländern leben. Viele sind inzwischen in andere Regionen des Nahen Ostens oder in den Westen ausgewandert – in Kuwait und anderen Golfstaaten dienen sie den KapitalistInnen als billige Arbeitskräfte. Und doch blieben 200.000 Moslems im Staat Israel – deren Nachkommen leben bis heute dort, werden aber systematisch diskriminiert und benachteiligt.

Ebenfalls umstritten war die Aneignung des Bodens in den eroberten Gebieten: 1946 besaßen JüdInnen auf dem Gebiet des späteren Israel – trotz des massiven Aufkaufens von Land seit 1900 weniger als 12% des Landes; nach dem Krieg von 1948-49 waren es aber auf einmal 77 %. Die UNO schätzte Anfang der 50er Jahre, dass achtzig Prozent des von jüdischer Seite angeeigneten Landes gewaltsam errungen wurde. 1950 legalisierte der zionistische Staat die Enteignung von Land mit dem Gesetz über verlassenes Eigentum sowie dem Gesetz über das Staatseigentum und der Landverordnung – seine Rückgabe an die ursprünglichen palästinensischen BesitzerInnen wird dadurch juristisch verhindert.

Der Suezkrieg von 1956 wurde vom Staat Israel begonnen, weil Ägypten die Meerenge von Tiran am Südausgang des Golfes von Akaba für israelische Schiffe sperrte. Mit britischer und französischer Unterstützung besetzte Israel kurzzeitig den Gazastreifen und die Halbinsel Sinai. Acht Jahre darauf erfolgte die Gründung der PLO (Palestine Liberation Organisation), um für die PalästinenserInnen einen eigenen Staat zu gründen.

Der Sechstagekrieg, vom 5. – 11. Juni 1967, hatte wieder die Sperrung der Straße von Tiran für israelische Schiffe durch die Ägypter zum Anlaß. Israelische Truppen besetzten den Gazastreifen und die Sinaihalbinsel bis zum Suezkanal, die Golanhöhen, Westjordanien und Ostjerusalem. Kurz darauf begann die PLO, sich mit militärischen Aktionen gegen die militärische Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes zu wehren. 1973 griffen Ägypten und Syrien Israel am jüdischen Versöhnungstag "Yom-Kippur" am Sinai und den Golanhöhen an, jedoch ohne Erfolg.

Um die Angriffe der PLO zu unterbinden, aber auch um den eigenen politischen Einflussbe-reich zu erweitern, marschierten israelische Truppen 1983 im Libanon ein. Das Ziel war die Vernichtung der PLO, das Resultat waren Massaker in den PalästinenserInnenlagern von Sabra und Chatila, die vom damaligen israelischen Verteidigungsminister Ariel Sharon, der heute Ministerpräsident ist, zu verantworten sind. Vier Jahre später überrollte ein Sattelschlepper der israelischen Armee ein mit PalästinenserInnen vollbesetztes Fahrzeug im Gazastreifen, in Folge begannen Massendemonstrationen in den besetzten Gebieten – der Beginn der ersten Intifada, des Aufstands der PalästinenserInnen gegen die seit 1967 währende Besatzung durch die israelische Armee.

Seit der Ermordung des Ministerpräsidenten Rabin am 4. November 1995 durch einen fanatischen orthodoxen Jurastudenten stockte der Anfang der 90er begonnene Friedensprozess. RechtszionistInnen wie Netanyahu, Ministerpräsident von 1996-1999 und Ariel Sharon, seit 2001 Ministerpräsident stellen programmatisch klar: Kein PalästinenserInnenstaat und keine Diskussion über Jerusalem. Das Resultat ist uns allen bekannt – seit dem Beginn der Regierung Sharon stieg die Zahl der Anschläge gegen die israelische Bevölkerung massiv. Die Regierung Israels ihrerseits erhöhte nicht nur den militärischen Druck, auch die wirtschaftliche Verelendung der palästinensischen Bevölkerung wurde durch Blockaden maximiert.

Machtmittel Wasser

Auch das Wasser wird heute als politisches Druck- und Machtmittel verwendet. Während israelische Bäuerinnen und Bauern großzügig bewässern, haben nur wenige Meter entfernt die palästinensischen KollegInnen Probleme, mangels Wasser ihre Felder zu bestellen. Für die PalästinenserInnen entsteht ein Teufelskreis, und für die Israelis ein Druckmittel. Denn in den autonomen Gebieten kann zwar Land erworben werden, es bleibt jedoch im Eigentum des Staates, nur der Nießbrauch wird, unter dem Vorbehalt, das Land zu pflegen, gekauft. Fehlt Wasser, ist das unmöglich, der Vertrag wird nicht eingehalten und der Staat kann von seinem Recht auf Enteignung des Bodens Gebrauch machen. Würde Israel seine Bewässerungswirtschaft einschränken, wäre für alle Länder der Region genügend Wasser vorhanden.

Polarisierung

Die Israel/Palästina Frage spaltet auch die wichtigsten imperialistischen Blöcke. Die amerikanische Regierung verteufelt im Einklang mit Sharon den palästinensischen Präsidenten Arafat und gibt diesem die Alleinschuld für alles, was passiert und fordert inzwischen sogar seine Absetzung. Auf der anderen Seite denkt die Europäische Union darüber nach, ob sie wirtschaftliche Sanktionen gegen Israel verhängen soll. Währenddessen werden weiter Siedlungen in den besetzten Gebieten gebaut oder ausgebaut, um die Verhältnisse grundlegend zu beeinflussen. Insgesamt leben 200.000 Israelis im Westjordanland und dem Gaza-Streifen in Siedlungen, ihnen gegenüber leben 4 Mio. PalästinenserInnen.

Immer mehr Israelis erkennen, dass die momentane Situation unhaltbar ist. Die Friedensbewegung bekommt verstärkt Zulauf, ReservistInnen weigern sich, einzurücken. Diese israelische Linke ist für die PalästinenserInnen die beste und natürliche Bündnispartnerin im Kampf um Gerechtigkeit.