Das Geschäft mit dem Wasser

Wasser besitzt als Lebensgrundstoff eine wichtige ökonomische Bedeutung. Auch ExpertInnen gehen davon aus, dass in diesem Jahrhundert viele Kriege des Wassers wegen geführt werden, da laut Prognosen der UNO bis zu 60 Staaten, vor allem in Afrika und Asien, in den nächsten 50 Jahren enorme Probleme mit der Wasserversorgung ihrer Bevölkerung haben werden.

Mitausgelöst werden solche Konflikte schon jetzt, wenn Staaten große Flüsse, die in Nachbarländer fließen, für eigene Projekte missbrauchen und damit gleichzeitig den anderen Ländern, die auf solche Flüsse angewiesen sind, "den Hahn abdrehen". In Österreich, einem Land mit großen Trinkwasservorräten, wurde vor ein paar Monaten vor allem von der FPÖ die Angst vom "Ausverkauf des österreichischen Wassers" geschürt (wobei diese Kampagne relativ absurd ist). Dass aber die Diskussion um den Umgang mit den Wasserreserven nicht nur in Österreich Thema ist und wie UnternehmerInnen weltweit die ehemals kommunale Wasserversorgung für sich entdecken, davon handelt dieser Artikel.

So steigen die Mannheimer Unternehmen ABB, Bilfinger + Berger und MVV Energie mit ihrem Gemeinschaftsprojekt "Aquamundo" ins das weltweite Geschäft mit der Wasserversorgung ein. Alle drei Partnerunternehmen rechnen in den kommenden Jahren mit einem gewaltigen Boom auf dem Wassersektor. Dort finden sich seit Jahren die französischen Weltmarktführer Vivendi und Suez Lyonnaise des Eaux, deren jährliches Umsatzvolumen auf rund zehn Milliarden Euro geschätzt wird.

Obwohl die kapitalistische Globalisierung zunehmend ins Schussfeld der Kritik gerät, entdecken die multinationalen Konzerne Grundbedarfsgüter – wie etwa Wasser – als viel versprechende Profitquelle. Die beiden französischen Multis Vivendi-Générale des Eaux und Suez-Lyonnaise des Eaux kontrollieren inzwischen rund 40 Prozent des weltweiten Wassermarkts und zählen jeweils über 110 Millionen Menschen in jeweils über 100 Ländern zu ihren KundInnen. Möglich wurde diese Entwicklung durch den Abbau der Handelshemmnisse, den die Unternehmen in Kooperation mit internationalen Institutionen und nationalen Regierungen schon seit einigen Jahren vorantreiben.

Die Privatisierung der Wasserversorgung wird meist wegen der ökologischen Folgewirkungen kritisiert, da mit ihr eine intensivierte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen erfolgt. Im Gegensatz zu den ökologischen Konsequenzen haben die sozialen Auswirkungen dieser Politik bislang wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dabei müsste klar sein , dass die im Zusammenhang mit der Privatisierung steigenden Wasserpreise den ärmeren Bevölkerungsschichten den Zugang zu sauberem Trinkwasser immer mehr erschweren. Die Folgen sind eine kürzere Lebenserwartung und die Gefahr von Seuchen wie z.B. Cholera.

Doch die Regierungen arbeiten mit den privaten Unternehmen Hand in Hand. Die betroffenen Länder wirken aktiv an der Deregulierung der Wasserwirtschaft mit und tragen auch die internationalen Abkommen im Rahmen von Weltbank und Welthandelsorganisation. So brachte der WTO-Gipfel in Katar im November 2001 die Privatisierung ein weiteres Stück voran. In der Abschlusserklärung sprachen sich die KonferenzteilnehmerInnen dafür aus, "die tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse im Bereich der Umweltgüter und -dienstleistungen abzubauen oder gegebenenfalls zu beseitigen" (Artikel 31, Absatz 3 ). Jeder Versuch, der profitorientierten Ausfuhr von Wasser Einhalt zu gebieten, wäre damit rechtswidrig. Artikel 32 empfiehlt sogar, nichttarifäre staatliche Handelsbarrieren wie etwa Umweltschutzgesetze ganz zu untersagen.

Gefundenes Fressen

Knapp 85 Prozent der Wasserversorgung in den Großstädten der Welt liegen noch in den Händen öffentlicher oder staatseigener Betriebe – ein gefundenes Fressen für die KapitalistInnen. So haben die beiden französischen Wasser-Multis in den vergangenen 15 Jahren in vielen Ländern äußerst lukrative Privatisierungsverträge abgeschlossen. Suez-Lyonnaise hat in Städten und Gemeinden in China, Malaysia, Italien, Thailand, Tschechien, Australien, der Slowakei und den Vereinigten Staaten wirtschaftlich erfolgreiche Projekte begonnen, der Konkurrent Vivendi eröffnete in den letzten zehn Jahren unter anderem Niederlassungen in Deutschland, Tschechien, Korea, Kasachstan, auf den Philippinen und in den USA.

Wasser in La Paz: ein Luxus

Wie das dann zum Teil ausschaut, lässt sich am Beispiel der Privatisierung der Wasserversorgung in der bolivianischen Hauptstadt La Paz sehen. Seit das französische Konsortium Aguas del Illimani ( eine Tochterfirma von Suez-Lyonnaise des Eaux) die Wasserversorgung verwaltet, hat sich der Preis von 2 auf 12 Bolivianos versechsfacht. Die meisten EinwohnerInnen des Stadtteils Alto Lima gehen seither in öffentliche Bäder, weil sie sich die Dusche zu Hause nicht mehr leisten können, denn in den städtischen Einrichtungen gilt noch der alte Preis. Die Führungskräfte haben sich indes eine Gehaltserhöhung von 12 000 auf 65 000 Bolivianos genehmigt. Möglich wurde das auch, weil für die Einrichtung eines Wasseranschlusses seit der Privatisierung 1.100 Bolivianos (ca. 150 Euro) statt zuvor 730 Bolivianos (ca. 100 Euro) in fünf Jahresraten gezahlt werden muss.

Vor der Privatisierung waren in den nördlichen Stadtbezirken 18 Techniker angestellt, um jeden Monat zirka 80.000 Wasserzähler abzulesen. Die Hälfte der Arbeiter wurde nach der Privatisierung aus Kostengründen entlassen, der Rest mit Wartungsarbeiten betraut. Seither steht auf den Wasserrechnungen immer derselbe Betrag, egal wie viel der jeweilige Haushalt verbraucht hat, da die Zähler nur noch selten abgelesen werden. Auch ist immer häufiger die Wasserversorgung wegen unzureichender Wartung unterbrochen. Statt den versprochenen Neuinstallationen hat die Firma dann nur die Rohre weiß angestrichen. Über die KundInnen ist Arnaud Bazaire, französische Chef des Wasserversorgers, nur unzufrieden. Er erklärte im Dezember 2000, die Menschen dieses Stadtteils von La Paz seien die "übelsten Kunden" und "die schlechtesten Verbraucher der Welt".

Wasser ist für die Industrie kein soziales Gut, sondern vor allem ein Wirtschaftsgut. Nach Ansicht vieler bolivianischer PolitikerInnen könne die Wasserkonzession durchaus rentabel sein, wenn die Bevölkerung nur mehr verbrauchen würde. Den Leuten müsse beigebracht werden, einmal am Tag zu baden, ihre Pflanzen zu gießen, ihr Auto zu waschen, fordern diese. Dabei vergisst die Bourgeoisie nur leider, dass die Bevölkerung wegen der niedrigen Löhne einfach kein Geld hat, weil sie massivst durch das Kapital ausgebeutet wird. Und könnte sie sich es leisten, wäre das mittelfristig katastrophal, da das Andenbecken zunehmend austrocknet.

Die Wasser-Multis haben auch Rückschläge einstecken müssen. In einigen südamerikanischen Ländern blieb ihnen keine andere Wahl, als sich zurückzuziehen und bei den zuständigen internationalen Instanzen auf Entschädigung zu klagen. In der argentinischen Provinz Tucumán weigerte sich die Bevölkerung 1997, die Rechnungen zu bezahlen, nachdem sich die Wasserqualität verschlechtert hatte und die Preise verdoppelt wurden. Dort hatte die Compagnie Vivendi-Générale des Eaux 1993 die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung übernommen und die Tarife sogleich um durchschnittlich 104 Prozent erhöht.

Die Betroffenen reagierten mit zivilem Ungehorsam: Der Protest begann in den Dörfern der Provinz, in der die Bevölkerung wegen der vielen Zuckerrohrplantagen und den damit verbunden Arbeitskämpfen der Vergangenheit eine gewisse gewerkschaftliche Tradition besitzt. Doch erst als schließlich im Leitungswasser Keime entdeckt wurden, nahm sich die Provinzregierung der Sache an und verklagte das Unternehmen. Das Unternehmen zog sich zurück, verklagte aber die VerbraucherInnen bei der Weltbank – die jedoch entschied, ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit – zugunsten der Provinz.

Die Privatisierung von öffentlichen Wasser- und Abwassernetzen auf der ganzen Welt fängt gerade erst an. Vor allem in den ärmeren Ländern in Süd- und Mittelamerika, Afrika und Asien, in denen mit weniger Gegenwehr seitens der oft korrupten Regierungen zu rechnen ist, als in den Industrienationen (die um nichts weniger korrupt sind, ihre Korruption findet aber meist auf einer anderen Ebene statt) und die Kontrollen nicht so streng gehandhabt werden, findet diese Privatisierung der Wasserreserven statt. Der Preis ist die Gesundheit der in diesen Ländern lebenden Menschen.