Noam Chomsky: War against people

"War against people" ist das neueste Buch von Noam Chomsky benannt, der Untertitel lautet "Menschenrechte und Schurkenstaaten". Sowohl Titel als auch Autor versprechen eine interessante Lektüre zu Zeiten, in welchen humanitäre Bomben als Notwendigkeit angesehen werden.

Chomsky selbst ist infolge der "Antiglobalisierungsbewegung" auch auf dieser Seite des Atlantik bekannt geworden. Die New York Times bezeichnet ihn sogar als "den einzigen Intellektuellen von Rang" welcher in der "eigentlich antiintellektuellen Bewegung der Globalisierungsgegner eine Rolle spielt".

Das ist, abgesehen von der polemischen Beleidigung der Bewegung, ein erstaunliches Lob dieser bürgerlichen Zeitung für einen Mann, der sich selbst als Anarchisten und die USA als Schurkenstaat bezeichnet. Doch nicht nur von der Presse wird Chomsky mit Anerkennung überhäuft, der mittlerweile 73jährige unterrichtet seit knapp 20 Jahren Linguistik am renommierten MIT (Massachusetts Institute of Technology), besitzt sogar das Ehrendoktorat der Universitäten von London und Chicago. Doch diese Formalitäten sollen nicht Thema sein, sondern die wohlformulierte Anklage der USA und anderer Wirtschaftsmächte, welche auf knapp 150 Seiten Platz findet.

USA demaskiert

Mit vielen Fakten und ausführlichen Quellenangaben zeichnet der Autor hier die Verbrechen der Westmächte in Indonesien, Haiti, Nicaragua oder Vietnam nach. In allen Fällen wird mit Hilfe diverser Dokumente dem/r LeserIn vor Augen geführt, wie die verschiedensten internationalen Abkommen, von der UN-Charta bis hin zur Genfer Konvention, gebrochen werden, wie demokratisch gewählte Regierungen durch Marionettenregimes ersetzt werden, wie jegliche Hoffnung auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen systematisch zerstört wird, wie die USA mit jedem Verbrecherregime paktieren, von Saddam Hussein bis Suharto – zumindest solange es ihren Interessen dient – und wie sie sich von ihren VasallInnen trennt sobald diese nutzlos werden.

Chomsky zerreisst das Netz aus Propagandalügen, und zeigt, dass hinter den Sonntagsreden von Menschenrechten und hungernden Kindern in Wirklichkeit machiavellistische Machtpolitik steht, welche militärischen und wirtschaftlichen Interessen dient. Das ist gut und wichtig, vor allem angesichts der momentanen patriotischen Hochkonjunktur in den USA kann dieser Schlag ins Gesicht einer selbstverliebten Nation nicht schaden. Es gibt sogar ein wenig Hoffnung zu sehen, dass es, trotz der ideologischen Integration, noch immer notwendig ist, die Bevölkerung über die eigentlichen Interessen im Unklaren zu lassen, um deren Unterstützung zu gewinnen.

Formale Kritik

Doch wo die New York Times unverdrossen ihre Lobeshymne trällert, stimmt das Morgenrot kritische Töne an: Abgesehen von formaler Kritik, wie einer unklaren Struktur des Buches und andauernden Wiederholungen, kann der Autor dieser Zeilen Chomsky auch inhaltlich nicht voll zustimmen. So wird z.B. über mehrere Seiten aufgezeigt, dass die US – Intervention in Nicaragua gegen die UN Charta verstieß. Das ist inhaltlich korrekt, doch was, wenn die USA ebendiese Charta nicht unterzeichnet hätten? Hier sehen wir, dass die rein formale Kritik nicht ausreicht.

Überhaupt zeigt Chomsky, wie so viele andere, welche die Aggressionen der Westmächte kritisieren, ein bedenkliches Faible für die UN und ihre Charta. Hier wird des Öfteren suggeriert, dass Ausbeutung und Unterdrückung akzeptabel seien, solange sie am grünen Tisch beschlossen werden. Oft überkommt einen beim Lesen das beklemmende Gefühl, dass Chomsky die Weltpolitik als eine moralische Frage betrachtet.

Natürlich ist das Verhalten der USA zutiefst "unmoralisch", allerdings ist dies nicht der Knackpunkt, denn natürlich brauchen sich die Mächtigen nicht an die Spielregeln zu halten, die sie den anderen aufzwingen. Das aufzuzeigen ist wichtig, doch was bewirkt unser Zeigefinger gegen eine Cruise Missile? Chomsky versagt darin, offenzulegen, warum die Interessen der Bevölkerung andere sind als die der Regierung, und warum wir für unsere Interessen kämpfen müssen. Denn nur so wird aus einer moralischen Frage eine Machtfrage, welche die Welt verändern kann.