Kindesmissbrauch und Giftgas: Die wirkliche Welt des Dalai Lama

In westlichen Medien wird der 14. Dalai Lama gerne als Friedensapostel und Menschenfreund dargestellt, der selbstlos die Interessen der TibeterInnen gegenüber China vertritt. Doch die Realität sieht anders aus.

Lhamo Dhöndup, der spätere 14. Dalai Lama, kam 1935 im Dorf Takster zur Welt. Seine Familie dürfte relativ wohlhabend gewesen sein, obwohl er ausdrücklich betont, daß sie nicht zur Adelsschicht gehöre. Sein Lebensweg war ihm eigentlich schon vorgezeichnet, gab es doch bereits früh eigentlich untrügliche Zeichen seiner Bestimmung. So habe laut seiner Mutter der kleine Lhamo von Anfang an nur am oberen Tischende sitzen wollen und nur seiner Mutter gestattet, seine Eßschale zu berühren, in der Nacht vor seiner Geburt seien ihr im Traum außerdem zwei blaue Drachen erschienen. Ausgestattet mit so eindeutigen Vorzeichen, war der Rest eigentlich nur mehr Formsache. 1938 wurde Klein-Lhamo offiziell als Reinkarnation des fünf Jahres zuvor verstorbenen 13. Dalai Lama anerkannt.

Das Leben zur Zeit der Geburt des Dalai Lama wird in einer (autorisierten) Biographie paradiesisch geschildert. „Die Bewohner von Lhasa, ob arm oder reich, sind alle sehr friedlich. (…) Selbst die Bettler von Lhasa brauchen ihrem Gewerbe nur morgens ein paar Stunden nachzugehen um sich ihr tägliches Brot zu beschaffen. Am Abend sind sie alle selig betrunken. (…) Niemand muß sich allzusehr ins Zeug legen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.”. Der Dalai Lama selbst ergänzt, es sei „der fortwährende Einfluß des Buddhismus” gewesen, der eine „Gesellschaft des Friedens und der Harmonie” hervorgebracht habe. „Wir waren schlicht und einfach glücklich”. Soweit die Darstellung des Dalai Lama und seiner BewundererInnen. Doch wie sah die Realität aus?

Mary Craig etwa beschreibt in ihrem Buch “Tears of Blood – A Cry for Tibet” (das keineswegs Dalai Lama kritisch ist, im Gegenteil, es ist mit einem Vorwort des Dalai Lama versehen) die tibetische Gesellschaft so: „Es war eine mittelalterliche Feudalgesellschaft. Der tibetanische Bauer war ohne Zweifel Eigentum seines Herrn, egal, ob er Staatseigentum, klösterliche Anwesen oder den Boden einer der etwa zweihundert großen aristokratischen Familien bebaute. Als Gegenleistung für ein kleines Stück eigenes Land musste er ein gewisses Pensum abarbeiten. Den größten Teil seines Ertrags musste er seinem Herrn abliefern, für sich und seine Familie konnte er kaum das Nötigste behalten. Der Grundbesitzer durfte nicht nur die Höhe der Pacht nach Belieben festlegen, sondern auch drakonische Strafen verhängen, sollte der Bauer seinen Forderungen nicht nachkommen.”

Heinrich Harrer, Freund des Dalai Lama und ehemaliger SS-Mann, beschreibt die tibetische Gesellschaft so: „Die Herrschaft der Mönche in Tibet ist einmalig und läßt sich nur mit einer strengen Diktatur vergleichen.” Harrer beschreibt einen bestimmten Fall. Ein Mann hatte in einem Tempel eine Butterlampe gestohlen. Ihm wurden „öffentlich die Hände abgehackt und sein verstümmelter Körper in eine nasse Jakhaut eingenäht. Dann liess man die Haut trocknen und warf ihn in die tiefste Schlucht.”

Neben „VerbrecherInnen” hatten es Frauen im Tibet der Lamas besonders fein. Eine Frau durfte bei Ehebruch von ihrem Mann straflos getötet werden. Kein Wunder eigentlich bei näherer Betrachtung der am häufigsten verwendeten Bezeichnungen für Frauen: Kyemen (“mindere Geburt”), Tobmema (“die ohne Samen”) oder Tsandenma (“die mit Beschränkungen Behaftete”).

Alles Karma

Auch das tibetische Strafrecht zeichnete sich durch besondere Liberalität aus. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die öffentliche Auspeitschung, das Abschneiden von Gliedmaßen, das Ausstechen der Augen und das Abziehen der Haut bei lebendigen Leibe üblich. In den fünfziger Jahren, berichteten amerikanische Journalisten, dass erst auf ihre Intervention eine Gruppe von Gefangenen, denen öffentlich Nasen und Ohren abgeschnitten werden sollen, zu 250 Peitschenhieben „begnadigt” wurden. Der Autor Colin Goldner erklärt den religiösen Hintergrund dieser Form der Bestrafung, die im – in westlichen Alternativkreisen so beliebten – Buddhismus liegt: „Da Buddhisten die Tötung eines Lebewesens prinzipiell untersagt ist, wurden Delinquenten oftmals bis nahe an den Tod herangeführt und dann ihrem Schicksal überlassen. Starben sie nun an den Folgen der Tortur, war dies durch ihr eigenes Karma bedingt.”

In dieser streng religiösen Gesellschaft wurde aber nicht nur das Strafrecht karmisch begründet. Goldner erklärt: „Wie in der Hindu-Gesellschaft Indiens bestand auch in Tibet eine strenge Hierarchie aus Kasten, einschließlich einer Kaste der ,Unberührbaren´ [Anm.: bis in das 20. Jahrhundert hinein gab es sogar Formen von Sklaverei]. Privilegierte beziehungsweise benachteiligte Lebensumstände wurden erklärt und gerechtfertigt durch die buddhistische Karma-Lehre, derzufolge das gegenwärtige Leben sich allemal als Ergebnis angesammelten Verdienstes respektive aufgehäufter Schuld früherer Leben darstellt.”

Doch am entlarvendsten ist die Aussage von Ernst Schäfer, der mehrmals Expeditionen nach Tibet organisierte. Schäfer, seit 1933 SS-Mitglied, erklärte, „es leuchtet viel Wesensverwandtes auf, so daß man meinen möchte, die Kulturkreise müßten schon zu einer früheren Zeit in inniger Verbindung gestanden sein”.

Lamas und Nazis

Diese Sympathie des Nazis Schäfer für die Diktatur der Lamas beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Denn das Verhältnis des Dalai Lama zum Nationalsozialismus lässt – freundlich formuliert – Fragen offen. In einer Verteidigung seines Freundes Harrer erklärte er 1998 in einem Playboy-Interview: „Natürlich wußte ich, dass Heinrich Harrer deutscher Abstammung war – und zwar zu einer Zeit, als die Deutschen wegen des Zweiten Weltkriegs weltweit als Buhmänner dastanden. Aber wir Tibeter haben traditionsgemäß schon immer für Underdogs Partei ergriffen und meinten deshalb auch, daß die Deutschen gegen Ende der vierziger Jahre von den Alliierten genügend bestraft und gedemütigt worden waren. Wir fanden, wir sollten sie in Ruhe lassen und ihnen helfen”.

Bereits 1939 wurde eine SS-Delegation offiziell empfangen, über den Inhalt der Gespräche wird bis heute Stillschweigen bewahrt. Klar ist jedenfalls, daß manche hochrangigen Nazis ein starkes okkult-esoterisches Interesse an Tibet hatten und sich etwa die Idee eines Reiches von Atlantis-Überlebenden in Tibet zusammenphantasierten. Dabei bezogen sie sich unter anderem auf die Theosophin Helena Blavatsky, eine der esoterisch-rassistischen Vorläuferinnen der Nazis.

Blavatsky, Begründerin der Wurzelrassenlehre, deren Höhepunkt die Arier seien, meinte unter anderem, die Jüdinnen/Juden seien „abnormes und unnatürliches Bindeglied zwischen der vierten und fünften Wurzelrasse”. Mit der internationalen Theosophen-Bewegung pflegt der Dalai Lama übrigens bis heute regen Kontakt, eine Neuausgabe des Blavatsky-Buches “Die Stimme der Stille” erhielt sogar ein Vorwort des Dalai Lama.

Vertreibung aus dem Paradies

1950, kurz nach dem Sieg Maos in China 1949, marschierte die chinesische Armee in Tibet ein. Anfänglich begeisterte sich der Dalai Lama durchaus für den Maoismus und erklärte sich selbst zum halben Marxisten. Doch 1959 war es mit der Koexistenz zu Ende, der Dalai Lama ging ins Exil. Hintergrund des Einmarsches Chinas war ein eminentes Interesse an der geostrategisch bedeutenden Region. Die Tibet-Frage hängt zusammen mit dem langen Grenzstreit zwischen Indien und China, mit dem erbitterten Konflikt zwischen Pakistan und Indien insbesondere hinsichtlich Kaschmirs, und mit umfassenderen strategischen Fragen, die mit dem Kampf um das Öl und die Mineralien in Zentralasien in Verbindung stehen.

Es gelang den chinesischen StalinistInnen jedoch nicht, eine stabile gesellschaftliche Grundlage für ihre Herrschaft zu schaffen. Die religiösen und kulturellen Fragen behandelte Peking ausnahmslos ignorant, chauvinistisch und bürokratisch. Die chinesische Politik war nicht in der Lage, soziale Ungleichheit, Armut und kulturelle Rückständigkeit zu überwinden. China versuchte daher, durch eine Kombination aus brutaler Unterdrückung und Anbiederung an den tibetanischen Buddhismus seine eigene, offiziell sanktionierte Lama-Hierarchie zu schaffen. Folge davon sind die oft recht skurril anmutenden Streitigkeiten zwischen China und dem Dalai Lama um die jeweils rechtmäßigen Reinkarnationen verstorbener Würdenträger.

Im Kampf um Tibet waren die Lamas dabei durchaus nicht zimperlich, das öffentliche Bekenntnis des Dalai Lama zum Pazifismus entpuppt sich als leere Phrase. Nachdem China Tibet unter seine Kontrolle genommen hatte, finanzierte und trainierte die CIA, mit Unterstützung der Lamas, Tibeter zwecks Spionage- und Guerilla-Aktivitäten. Zwar bestreitet der Dalai Lama, um sein Image als Mann des Friedens nicht zu gefährden, jede direkte Beteiligung, doch sein älterer Bruder Gyalo Thondup stand im Zentrum dieser Operationen. „Mitte der sechziger Jahre”, so die US-Zeitschrift Newsweek, kostete die Tibet-Operation Washington jährlich 1,7 Millionen Dollar. Davon entfielen 500.000 $ als Unterstützung auf die in Nepal stationierten Guerilleros und 180.000 $ auf den Dalai Lama.”

Nach Washingtons Annäherung an Peking 1972 ging die offene Unterstützung für den Dalai Lama und die tibetanische Guerilla zu Ende. Newsweek zitiert den Dalai Lama: „Sie [die CIA] hatten so getan, als ob ich nach meiner Ankunft in Indien mit großer Unterstützung würde rechnen können. Es ist eine traurige, eine sehr traurige Geschichte”. Das Image als Friedensapostel, der sogar den Friedensnobelpreis verliehen bekommen hat, erscheint also zumindest als zweifelhaft.

Buddhismus

Der Buddhismus wird im Westen oft als sehr sympathische Religion gesehen, die ohne Staatskirche und zentrales Oberhaupt auskommt. Zahlreiche Prominente, etwa Richard Gere, Sharon Stone, David Bowie, Sting, Tina Turner oder auch Hubert von Goisern gehören zum Buddha-Fanclub und sind teilweise auch in der Free-Tibet-Szene zu finden. Der Buddhismus besteht aus vier Hauptrichtungen, eine davon wird vom Dalai Lama repräsentiert, der eine gottähnliche Reinkarnation ist, die gleichzeitig absolute weltliche Gewalt hat. Richtungsstreitigkeiten zwischen diesen vier Richtungen werden teilweise durchaus handgreiflich ausgetragen und enden schon mal im Krankenhaus oder sogar auf dem Friedhof.

Auch in größerem Rahmen werden buddhistische Sekten teilweise äußerst gewalttätig. Die japanische Aum-Sekte Shoko Asaharas machte 1995 weltweit von sich reden, als sie einen Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn verübte. Weniger bekannt ist, daß Asahara ein enger Verbündeter des Dalai Lama ist, von dem sich dieser bis heute nicht distanziert hat. Im Gegenteil, er bezeichnete ihn noch nach dem Anschlag als seinen „Freund, wenngleich nicht unbedingt einen vollkommenen”.

Die Rituale des Lama-Buddhismus scheinen auch nicht eben sympathisch oder appetitlich. In einem Tantratext werden Mädchen ab dem achten Lebensjahr als Sexualgefährtin-nen propagiert. Kinder sollten dabei vor dem Geschlechtsverkehr mit etwas Honig oder Süßigkeiten beschenkt werden, ältere Mädchen könne man mit Wein gefügig machen. Im Übrigen ginge es durchaus in Ordnung, Mädchen, die sich weigern, zum Sex zu zwingen. Die Lamas sind dabei wählerisch, Frauen ab Ende dreissig werden als “Hundeschnauze, Schakalfratze, Saugfresse” bezeichnet. Daneben nehmen Tantra-Adepten regelmäßig gewisse Substanzen zu sich. Konkret handelt es sich um die fünf Arten von Fleisch (Stier, Hund, Elefant, Pferd, Mensch) und die fünf Arten von Nektar (Kot, Gehirn, Sexualsekret, Blut, Urin). Nähere Auskunft wird von Vertrauten des Dalai Lama übrigens verweigert.

Im Gegensatz zur offiziell propagierten Enthaltsamkeit dürften die meisten hochrangigen tibetischen Lamas auch geheime sexuelle Beziehungen haben, die nicht gerade auf der Gleichwertigkeit der PartnerIn-nen beruhen. Dabei sind aber nur Frauen angesprochen, Homosexualität ist – laut Dalai Lama im Playboy – „Fehlverhalten” und zieht entsprechend schlechtes Karma auf sich. Eine amerikanische Psychotherapeutin, die mit einer Vielzahl von betroffenen Frauen arbeitete, meinte, dass alle von ihr betreuten Frauen alle sich zum Sexualobjekt degradiert gefühlt.

Das Aufkommen der Begeisterung für Buddhismus, Dalai Lama und sonstige fernöstliche Heilslehren ist trotz diverser Unappetitlichkeiten (die ja öffentlich kaum bekannt sind) eigentlich nicht unverständlich. In einer Gesellschaft, die von Individualismus durchdrungen ist, sucht so manche/r eine individuelle Lösung für seine/ihre Ängste und persönlichen Krisen. Der tibetanische Buddhismus bietet nicht nur einen exotischen Lebensstil, sondern verkündet auch die geistige Erlösung des Individuums aus eigener Kraft. Darüber hinaus rechtfertigt der Buddhismus Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit angesichts von Leid, Armut und sozialer Ungleichheit mit der reaktionären Lehre, dass die Welt eben so beschaffen sei und dass der/die Einzelne aufgrund seiner/ihrer Untaten in früheren und heutigen Reinkarnationen selbst Schuld an seinem Leiden trage.

Doch letztlich bleibt das, was wir über den Dalai Lama schreiben könnten, zweitrangig, schliesslich können wir gewöhnliche Erdenmenschen ihn kaum richtig erfassen. Die Aufklärung erfolgt durch Gerhardt Schuster, den wissenschaftlichen Leiter der letztjährigen Ausstellung „Geheimnisvolle Welt des alten Tibet” auf der Schallaburg/NÖ. Seine Beschreibung der Künste der Lamas: „Das Schreiten über glühende Kohlen, das Berühren glühenden Eisens, ohne sich zu verbrennen, ja selbst die oft geübte Praxis, den eigenen Körper mit einem Schwert zu durchbohren, ohne die geringste Verletzung davonzutragen.“ Darüber hinaus hätten sie die Kunst beherrscht, durch die Luft zu fliegen sich an verschiedenen Orten gleichzeitig zu zeigen und konnten die eigene Lebensspanne gleich auf mehrere hundert Jahre verlängern. Noch Fragen?