Wenn zwei sich streiten – Der Kaschmirkonflikt

Nach einem Blutbad von muslimischen Extremisten im indischen Parlament im Dezember 2001, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen, ist der Konflikt um die Grenzregion Kaschmir zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan neu entfacht. Seit nun fast sechs Jahrzehnten kämpfen das mehrheitlich muslimische Pakistan und das mehrheitlich hinduistische Indien um das Land.

Der erste Kaschmirkonflikt begann 1947 nach der Aufteilung Britisch-Indiens. Die Briten hatten beschlossen, dass Staaten mit überwiegend moslemischer Bevölkerung zu Pakistan gehören, solche mit hauptsächlich hinduistischer Bevölkerung jedoch Indien zugeordnet werden. Nach diesem Gesetz zufolge, hätte Jammu und Kaschmir Pakistan angehören müssen, doch das Gebiet grenzt an beide Staaten. Nun lag die Entscheidung beim autokratischen Maharadscha Hari Singh, der sich am 24. Oktober 1947 auf die Seite Indiens schlug.

Im darauffolgendem Jahr eroberte Indien durch seine Luftlandetruppen zwei Drittel von Kaschmir, die kurz nach Vertragsunterzeichnung am 27. Oktober losgeschickt wurden. In diesem Krieg bekämpften sich moslemische Aufständige, pathanische Stammeskrieger, die Truppen des Maharadschas von Kaschmir, Indien und Pakistan.

Unabhängigkeit oder Anschluss?

Nach der Beendigung der britischen Kolonialherrschaft 1948, kam es zur endgültigen Teilung Indiens in Pakistan (mit Ost-Pakistan, dem heutigen Bangladesch) und Indien. Während diese beiden Länder versuchten, Kaschmir in ihre Gewalt zu bekommen, gab es in der Region Kaschmir eine Anzahl von Gruppierungen, die für die Freiheit Kaschmirs und die Unabhängigkeit von Indien kämpften.

Heute sind diese Gruppierungen einerseits einheimische RebellInnen und Guerillas, andererseits ausgebildete Kämpfer aus Pakistan sowie afghanische Guerillas, die nach dem Krieg gegen die Sowjets nun auch das zu 80% muslimische Kaschmir von den "Ungläubigen" befreien wollen. Ein wichtigerer Bezugspunkt für uns ist die National Awami Party (JKNAP), eine sozialistische Organisation, die derzeit sehr aktiv in der Antikriegsbewegung ist, aber auch die Verbindungen zwischen der gegenwärtigen Politik, IWF/Weltbank und dem kapitalistischen System aufzeigt.

Nach zwei Kriegen in den Jahren 1965 und 1971, begann nach einer missglückten Volksabstimmung (nur 2% Wahlbeteiligung) über die Zukunft Kaschmirs im Jahr 1989 zu einem dritten großen Krieg, der sich vor allem gegen die indische Zentralregierung richtete. Diese hatte 600.000 Soldaten in Kaschmir stationiert, gegen diese richteten sich die Angriffe, da sie als Besatzungsmacht gekommen waren und die Kaschmiris mit allen Mitteln unterdrückten.

Immer wieder entstanden neue Konfrontationen mit blutigen Folgen. Dörfer und Tempel wurden niedergebrannt und Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Es wurden hauptsächlich AusländerInnen und TouristInnen entführt, um gefangene RebellInnenführer frei zu pressen. Die indische Regierung blieb aber in fast allen Fällen hart und hat bis auf einmal – bei der Entführung der Tochter des indischen Innenministers Lal Krishna Advani – nie den Forderungen nachgegeben. 1994 hat die Regierung den Kurs etwas geändert und mehr Kooperationsbereitschaft gezeigt. Es wurden Rebellenführer freigelassen, EU-VermittlerInnen in die Region gelassen und sogar Wahlen vorbereitet, welche jedoch schon im Vorfeld von der Bevölkerung abgelehnt wurden.

Atomkrieg?

Gut ein Jahr nach dem offiziellen Aufrücken Indiens und Pakistans in den Kreis der Atommächte eskalierte der Konflikt zwischen den Erzfeinden um die Kaschmirregion. Erstmals seit zwanzig Jahren flog die indische Luftwaffe wieder Angriffe. Pakistan drohte mit Vergeltung. Auslöser war nach Darstellung aus Neu-Delhi die Invasion von rund 600 Söldnern aus Pakistan, die sich bei Kargil im indischen Teil Kaschmirs festgesetzt haben sollen. Die Eindringlinge würden von offiziellen pakistanischen Verbänden unterstützt, hieß es in einer Erklärung der indischen Regierung. Pakistan widersprach umgehend, beschuldigte Indien des Abwurfs von Bomben und drohte Vergeltung an. Während Indien offen seine Besitzansprüche an Kaschmir stellt, hofft Pakistan durch seine Unterstützung der Guerillas auf eine spätere Annexion des Gebietes.

Der Konflikt forderte seit seinem Ausbruch 1947 ca. 40.000 Tote. Nach der Stationierung von knapp 800.000 indischen Soldaten an der pakistanischen Grenze, könnte diese Zahl bald drastisch steigen. Viele pakistanische und indische PolitikerInnen betonten bereits, dass ein Erstschlag vorstellbar wäre. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs gering, nicht unrealistisch hingegen ist ein konventionellen Krieg, die Folgen für die Zivilbevölkerung sind auch in diesem Fall katastrophal.

Interessant wird die Rolle des westlichen Imperialismus sein, der gerade in dieser heiklen Zone (Afghanistan) keine Unruhe brauchen kann. Offensichtlich ist jedenfalls, dass die FundamentalistInnen gescheitert sind und große Teile der Bevölkerung genug vom Kämpfen haben. Die Menschen in Pakistan und Indien zahlen einen riesigen Preis für die Besetzung Kaschmirs. Der Weg vorwärts ist ein gemeinsamer Kampf für das Recht auf Selbstbestimmung, für eine Föderation der Völker und Staaten des indischen Subkontinents und für den Sozialismus.