“… die Sanktionen der UNO ebenso verurteilen wie einen Krieg gegen den Irak.”

Interview mit Teilnehmer an Irak-Solidaritäts-Delegation

Gerhard Drexler, Du warst vor kurzem als Teilnehmer einer internationalen Solidaritätsdelegation mit dem irakischen Volk im Irak. Warum?

Zuerst einmal ging es darum, der irakischen Bevölkerung zu zeigen, dass es in Europa auch andere Menschen gibt, Menschen, die solidarisch sind und die die Sanktionen der UNO ebenso verurteilen wie einen Krieg gegen den Irak. Das kann nur vor Ort geschehen, also dadurch, dass man selbst zu den Irakern fährt. Zweitens ging es darum, uns selbst ein Bild von der Lage in diesem Land zu machen. Was wir alle ursprünglich nicht wissen konnten, war das große Medienecho, das unsere Demonstration vor dem Sitz der UNO in Bagdad hervorgerufen hat. 12 Kamerateams aus verschiedenen Ländern waren da und haben ausführliche Beiträge gemacht.

Wie hast Du die Situation im Irak erlebt?

Erstaunt hat uns die Gelassenheit der Bevölkerung. Die ganze Energie der einfachen Leute gilt dem täglichen Kampf ums Überleben, der nur durch die unentgeltlichen Lebensmittelpakete der Regierung gesichert ist. Der Zorn richtet sich vor allem gegen die als ungerecht empfundenen Sanktionen und gegen die USA.

Hast Du Auswirkungen der US-Politik und des UN-Embargos gesehen?

Ja, wir haben gesehen, wie ein ursprünglich vorbildhaftes Bil-dungs- und Gesundheitswesen durch die Sanktionen zerstört wurde. Wir haben in einem Krankenhaus in Bagdad gesehen, wie völlig unterernährte Mütter Kinder auf die Welt bringen, die nur durch spezielle Kin-dernahrung eine Überlebenschance hätten, doch diese Nahrung darf nicht eingeführt werden. Wir haben im Krankenhaus in Basra krebskranke Kinder gesehen, denen ausländische Hilfsorganisationen nur deshalb nicht helfen können, weil das, was wir mit eigenen Augen gesehen haben nach amerikanischer Darstellung gar nicht existiert, sondern bloße Greuelpropaganda Saddams ist.

Hast Du das Gefühl, dass Ihr vom irakischen Regime vereinnahmt worden seid?

Nicht direkt, doch wenn ja, müssten wir das als das kleinere Übel in Kauf nehmen. Wer ängstlich daheim bleibt und nur über Äquidistanz und "political correctness" herumphilosophiert, wird auf dieser Welt nichts verändern!

Du bist kein Befürworter des irakischen Regimes. Was für eine Lösung siehst Du für den Konflikt?

Da muss man unterscheiden zwischen der längerfristigen Perspektive, die nur darin bestehen kann, dass sich das irakische Volk selbst ohne Einmischung von außen die Demokratie erkämpft, auch auf revolutionärem Weg, und der kurzfristigen Perspektive, bei der es nur darum gehen kann, geschlossen die imperialistische Bedrohung abzuwehren. Sollte es den USA gelingen, im Irak eine von ihr abhängige Marionettenregierung einzusetzen, hat die Demokratie im Irak in nächster Zeit keinerlei Chance. Dann verkommt der Irak zur Bananenrepublik und die imperialistischen Länder, allen voran die USA, werden das Land rücksichtslos und ausschließlich zu ihrem eigenen Vorteil ausplündern.

Wir danken für das Gespräch.