Brot statt Bomben! – Gegen die Militärschläge der USA

Am Nachmittag des 7.10. ist der Ernstfall eingetreten, die USA haben begonnen, Ziele in Afghanistan zu bombardieren. Wir stellen uns die Frage: was unterscheidet den Terror der FundamentalistInnen, der unschuldige ZivilistInnen in den USA das Leben gekostet hat, vom Staatsterrorismus der US-Regierung, der weitere Unschuldige töten wird? Um es klar zu stellen: Wir verurteilen die Anschläge auf ZivilistInnen in den USA, sie haben keinerlei, auch nur irgendwie konstruierbares, fortschrittliches Element. Hält sich unsere Trauer über Offiziere, die im Pentagon ums Leben gekommen sind, in Grenzen (denn sie haben selbst oft und oft ähnliche Schläge verantwortet), gilt unser Mitgefühl den Angehörigen der getöteten Feuerwehrleute, SekretärInnen, Büroleute, TouristInnen, … die bei diesem Anschlag umgekommen sind.

Opfer und TäterInnen

Gleichzeitig bemerken wir die Doppelzüngigkeit der meisten politischen Reaktionen auf das Attentat. Daß, was die US-Administration gewöhnlich so zynisch als "Kollateralschäden" bezeichnet, hat bei den Anschlägen ZivilistInnen in den Vereinigten Staaten selbst getroffen. Wo aber waren diejenigen, die jetzt über den internationalen Terrorismus und die Attacken auf ZivilistInnen klagen, als die USA in den letzten Jahrzehnten 10 und 100 mal das Gleiche getan haben?

Wo waren die BeschützerInnen der Zivilbevölkerung, als Bagdad und Belgrad bombadiert wurden? Wo waren sie, als der Sudan bombadiert wurde und dabei die einzige Medikamentenfabrik zerstört wurde? Wo sind sie, wenn mittlerweile zwischen 500.000 und einer Million Kinder an den Folgen von UNO-Embargo und verstrahlter Munition im Irak gestorben sind? Wo sind sie, wenn täglich bis zu 100.000 Menschen an den Folgen der kapitalistischen Wirtschaftspolitik verhungern?

All diejenigen, die gegen die Attentate protestiert haben, sind in der Vergangenheit auffallend still gewesen, wenn es um die Verbrechen der USA und die Verbrechen des Kapitalismus ging. Und sie verhalten sich wiederum jetzt – im Angesicht der US-Vergeltungsschläge – nicht nur nicht still, sie jubeln dem "Kreuzzug" (US-Präsident Bush) unverhohlen zu.

Besonders absurd die Rolle der US-Administration selbst. Ruft sie heute zum Kampf gegen den islamischen Fun-damentalismus und das mediale Feindbild den reaktionären Fundamentalisten Osama Bin-Laden – auf, war sie selbst es, die ihn und andere FundamentalistInnen, wie etwa die Taliban, erst groß gemacht hat. Einerseits dadurch, daß sie ihnen direkt oder via Saudi-Arabien großzügige finanzielle Unterstützung zukommen ließ, andererseits indirekt, indem sie seit Jahrzehnten im Bündnis mit lokalen Machteliten jede fortschrittliche Alternative in den Ländern des arabischen Raums unterdrücken oder dies zumindest versuchen (wobei die Kontrolle über das Öl keine unwesentliche Rolle spielt).

Die USA versuchen nun, einen nationalen und internationalen Schulterschluss für ihre Politik der Vergeltung zu erreichen – und sie sind damit weitgehend erfolgreich. Bis hin zu den meisten europäischen Grünparteien reicht die "Allianz gegen den Terror", die im wesentlichen darin besteht, der US-Administration bedingungslos Beifall zu klatschen. Auch der österreichischen Grün-Abgeordnete Voggenhuber warf der eigenen Partei "Realitätsverweigerung" vor, weil sie nicht bereit ist, dem US-Kurs zu folgen. Wir werden sehen, ob die Grünen, sollten sie künftig in einer Regierung sitzen, ebenso standhaft bleiben – die SPÖ um NATO-Fan und Klubobmann Cap hat sich sowieso schon zum verlängerten Arm der MilitaristInnen gemacht.

Im Gegensatz zu dieser "Allianz" können wir allerdings nicht erkennen, was die jüngsten Terroranschläge qualitativ von den Militäraktionen unterscheidet, die die USA jetzt in Afghanistan durchführen. Beide sind reaktionär und richten sich (auch) gegen unbeteiligte ZivilistInnen.

Es scheint, daß die Medien zwar Probleme mit Anschlägen auf New York und Washington haben, Afghanistan mit einem Krieg zu überziehen, bereitet ihnen augenscheinlich weniger Unbehagen. Gleichzeitig ist offensichtlich, daß die medial kolportierten Opferzahlen viel zu niedrig sind. Das Rote Kreuz etwa erklärte Ende Oktober, daß bereits vier der fünf Rot-Kreuz-Lager in Kabul durch US-Bomben zerstört worden seien, was Rückschlüsse auf die Menge sonstiger "Fehltreffer" zulässt. Auch die Taliban selbst nennen sehr niedrige Opferzahlen, schließlich wollen sie die Moral der Bevölkerung hochhalten. Dieses Phänomen konnte bereits im Irak-Krieg beobachtet werden, wo erst nach und nach die tatsächliche Menge der Opfer genannt wurde.

Krieg der Zivilisationen?

Das Kalkül der USA geht auf. Ein Angriffskrieg gegen Afghanistan wird durchgeführt, die Rollen "Gut" und "Böse" sind bereits vergeben. Versucht wird, den Krieg als einen der "zivilisierten Welt" gegen die "unzivilierte" zu verkaufen. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach dementsprechend von einer "Kriegserklärung gegen die zivilisierte Welt, der stellvertretende Außenminister Paul Wolfowitz erklärte, "die gesamte zivilisierte Welt" sei durch die Ereignisse schockiert worden. Und er fuhr fort: "Und sogar Teile der unzivilisierten Welt haben begonnen sich zu fragen, ob sie auf der falschen Seite stehen."

Wir bemerken allerdings, daß der christliche Fundamentalismus historisch eine Blutspur von den Kreuzzügen über die Hexenverbrennungen bis zur Kolonialisierung gezogen hat, die es mehr als lächerlich erscheinen läßt, ihn als zivilisierte Gegenmacht darzustellen. Die rassistische Komponente ist also offensichtlich, die Botschaft wurde gehört. In den USA wurde bereits ein Angehöriger der Sikhs, der fälschlich für einen Moslem gehalten wurde, erschossen, Übergriffe auf arabische Einrichtungen häufen sich. Auch in Österreich versucht die Rechte im Windschatten der Ereignisse, sich bei Menschen aus Arabien in Erinnerung zu rufen. Anfang Oktober wurde in Linz ein moslemischer Friedhof geschändet, 28 Gräber wurden zerstört.

Die Folgen

Ebenso wie in Österreich nun Menschen islamischer Herkunft eingeschüchtert werden, benützt die israelische Politik ihr kurzfristiges Verschwinden aus den Medien und die geänderte öffentliche Meinung zu verstärkten Übergriffen in den besetzten Gebieten. Zu Hilfe kommt ihr dabei das medial konstruierte Bild der PalästinenserInnen, die die Anschläge bejubeln. Doch auch die Süddeutsche Zeitung bemerkt ganz richtig: "Aber es waren die gleichen drei Sequenzen, die man wieder und wieder sah, und Korrespondenten auf arabischen Nachrichtensendern gaben zu bedenken, dass dies nur vereinzelte Vorfälle waren und das Ausmaß der Anschläge dort noch nicht ins Bewusstsein gedrungen war."

Trotzdem wird sicherlich in Teilen der arabischen Bevölkerung eine gewisse Befriedigung darüber festzustellen sein, daß die USA nun selbst lernen, was "Kollateralschäden" bedeuten. Dies ist nicht richtig und politisch abzulehnen, verständlich ist es allemal. Denn jahrzehntelang haben die USA in ihrer Eigenschaft als selbsternannter Weltpolizist ZivilistInnen auf allen Kontinenten für ihre politischen Ideale geopfert. Von Dresden über Hiroshima/Nagasaki und Hanoi bis Bagdad und Belgrad reicht die Blutspur der US-Politik.

Auswirkungen auf Österreich

Im Moment haben die USA die eigene Bevölkerung bei ihrem Krieg hinter sich. Parallel dazu stehen auch die Regierungen Westeuropas hinter den USA. Einerseits wollen sie Bündnistreue manifestieren, andererseits kochen sie auch ihre nationalen Süppchen. In Österreich werden nun Abfangjäger angekauft, der NATO-Beitritt rückt in greifbare Nähe (was allerdings die NATO-Mitgliedschaft bei einem Terroranschlag, etwa auf den Wiener Millennium-Tower, helfen sollte, bleibt unerwähnt). Den Vogel schoß zweifellos Jörg Haider ab. In einer Aussendung erklärte er, bei den Tätern könnte es sich genauso gut um die "organisierte Gewaltszene der Globalisierungsgegner" handeln. Von solch komischen Einlagen abgesehen, besteht tatsächlich eine ernsthafte Bedrohung – vor allem für die BürgerInnenrechte. Fingerabdrücke der gesamten Bevölkerung sollen abgenommen werden, Einwanderungsbestimmungen verschärft werden, die Überwachung von Handy und Email vereinfacht werden.

Tatsächlich werden sich diejenigen, die im Untergrund leben, von so etwas kaum beeindrucken lassen. Wenn es trifft, sind in einem Fall Flüchtlinge (die zum Sündenbock gemacht werden), im anderen all diejenigen, von deren Überwachung sich der Staat etwas verspricht, also nicht zuletzt all seine KritikerInnen (und dieser Begriff ist weit gefasst). (Mehr dazu im Artikel "Horch wer kommt von draußen rein? – Auf dem Weg in den Überwachungsstaat" aus Morgenrot 15)

Krieg als Lösung?

Die sozialen und politischen Probleme, die in weiten Teilen der Welt zu immensem Haß auf die USA führen, werden mit einer Militärintervention nicht beseitigt werden. Solange diese Probleme bestehen, wird es den FundamentalistInnen nicht schwer fallen, immer wieder neue Mitglieder zu rekrutieren. Gleichzeitig wird auch das geplante Star-Wars-Projekt der USA mit Kosten von bis zu 100 Milliarden Dollar Terror nicht verhindern können, die Rüstungsindustrie wird dennoch jubeln.

Die StrategInnen des Pentagon wissen aber auch: mit dem Hinweis auf die Attentate kann nicht nur die militärische Maschinerie angeworfen werden, Länder in der Umgebung Afghanistans (wie etwa Pakistan oder Länder der GUS) können nun auch (teils gewollt, teils mit Druck) in militärische Bündnisse mit den USA integriert werden. Die geostrategische Position der USA in den Ländern der Region wird sich jedenfalls durch eine direkte Intervention (eventuell sogar verbunden mit einer Invasion durch Bodentruppen) kurzfristig deutlich verbessern. Und Ex-Außenminister Henry Kissinger, guter Freund des faschistischen Schlächters Pinochet und Mitorganisator des Putsches gegen die demokratisch gewählte Regierung Allende in Chile 1973 gibt die Linie vor: "Jede Regierung, die Gruppen beschützt, die in der Lage sind, solche Aktionen durchzuführen, muß einen exorbitanten Preis zahlen, egal ob ihre Beteiligung an der Aktion bewiesen werden kann oder nicht."

Gleichzeitig könnten die USA aber auch – gegen ihren Willen – in einen lange dauernden Guerillakrieg verwickelt werden, der, ebenso wie in Vietnam, mit einer Niederlage enden könnte. Ein wesentlicher Grund, warum der Krieg in Vietnam verloren ging, war die Kriegsmüdigkeit der amerikanischen Bevölkerung. Dieser Faktor ist derzeit nicht gegeben, eine überwiegende Mehrheit der US-Bevölkerung unterstützt einen Militärschlag. Doch wenn die ersten Särge nach Hause kommen, kühlt die Begeisterung naturgemäß deutlich ab.

Unsere Aufgabe ist jetzt, bei Zurückweisung der Anschläge den reaktionären Charakter der Racheschläge der USA und ihre politischen Hintergründe aufzuzeigen. Letztlich ist der beste Weg, um mit religiösem Fundamentalismus und kapitalistischen Herrschaftsansprüchen fertig zu werden, eine glaubwürdige revolutionäre Alternative – in den USA, in den Ländern des arabischen Raums und in Österreich.

Nein zum Krieg!

Gegen den imperialistischen Krieg – Für die Niederlage der USA, weil diese eine empfindliche Niederlage für den US-Imperialismus wäre.

Für den Sturz der reaktionären Taliban-Regierung, die Zehntausende auf dem Gewissen hat – Für den Sieg Afghanistans in diesem Krieg

Kein Vertrauen in die Nord-Allianz und andere Funda-mentalistInnen, die jetzt von den USA gepusht werden, sich aber politisch kaum von den Taliban unterscheiden.

Für die Unterstützung derjenigen sozialistischen Gruppen in der Region, die reaktionäre FundamentalistInnen ebenso bekämpfen wie den US-Imperialismus.