Weg mit den Studiengebühren!

Am 19.September hat die Bundesregierung, für viele überraschend, die Einhebung von Studiengebühren an allen österreichischen Universitäten und Hochschulen ab dem Wintersemester 2001 vorgeschlagen. Vor allem der Zeitpunkt kurz vor Ferienende hätte eine riesige Protestwelle zu Semesterbeginn erwarten lassen. Diese ist allerdings sehr schnell abgeflaut, was unter anderem daran liegt, dass die Regierung die Gebühren als beschlossene Sache hinstellt.

Dass uns die Einführung von Studiengebühren früher oder später ins Haus steht, war schon nach den Regierungsverhandl-ungen von SPÖ und ÖVP (die Übereinkunft sah Gebühren für Privatunis, besondere Uni- und Fachhochschul-Studiengänge und für Senioren vor) und spätestens seit dem Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ klar. Es ermächtigt nämlich die Universitäten generell Gebühren nach eigenem Ermessen einzuheben, nachdem sie in die “Vollrechtsfähigkeit” entlassen sein werden. Und Weltweit gibt es keine einzige voll rechtsfähige Uni, die das nicht tut.

Sozial unausgewogen

Ebenso klar ist, dass Studiengebühren sozial unausgewogen sind, was verschiedene Studien schon der rotschwarzen Regierung belegten (z.B. Sturn/Wohlfart 1999), und in der derzeitig vorgeschlagenen Höhe gerade einmal den Verwaltungsaufwand abdecken.

Es handelt sich also eindeutig um eine politische Lenkungsmaßnahme, die höhere Bildung nur mehr wenigen Wohlhabenden zukommen lassen will, und alle anderen dazu zwingt, in möglichst kurzer Zeit ihre Ausbildung abzuschließen und nebenbei auch noch möglichst viel zu arbeiten, um dann den Unternehmen als relativ billige Fachkraft mit viel Berufserfahrung und wenig Allgemeinwissen zur Verfügung zu stehen.

Zeit ist Geld

Auf den ersten Blick scheint die Taktik der Regierung aufzugehen. Anstatt zu streiken und zu demonstrieren, beginnen die meisten Studierenden zu rechnen, wie sie sich die 10 000 Schilling im Jahr dazuverdienen können, und bemühen sich, möglichst schnell einen Abschluss zu machen. Viele überlegen sich auch, nun eine Fachhochschule zu besuchen. Zwar dürfen dort schon jetzt Studiengebühren eingehoben werden, dafür ist die drop-out Rate wesentlich niedriger. Zeit, sich mit interessanten Lehrinhalten näher auseinanderzusetzen oder für andere Aktivitäten, z.B. politische, bleibt keine mehr.

Wer hat uns verraten…?

Dass die Studidemos nach dem Aktionstag am 11.10, als 40 000 auf die Straße gingen, so mager bestückt sind und die Stimmung für weitergehende Kampfmaßnahmen erst recht am Tiefpunkt ist, hat aber auch noch einen anderen Grund: Den Verrat durch die ÖH-Bürokraten, allen voran die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), die es nach der Großdemo aufgegeben haben, zu mobilisieren, und sich lieber mit dem Sammeln von Unterschriften für ein zahnloses “Bildungsbegehren” und dem Aufspüren von Sparpotential an den Universitäten beschäftigen. Denn, so ihre Argumentationslinie, wenn die Universitäten erst einmal reformiert sind und effizienter arbeiten, dann sind auch keine Studiengebühren zur Finanzierung mehr nötig; und wenn doch, dann bekommen die zahlenden StudentInnen dafür wenigstens entsprechende Leistung geboten.

Reformieren statt abkassieren?

Bildungsministerin Gehrer (ÖVP) hat auch sofort signalisiert, gerne über die Universitätsreform verhandeln zu wollen. Kein Wunder, ist eine solche doch längst geplant. Im Rahmen der “vollen Rechtsfähigkeit” soll den Unis weitgehende Autonomie zugestanden werden, was auch die Finanzierung und Verwendung des Budgets betrifft. Letztendlich bedeutet das eine Bewertung von Bildung nach rein ökonomischen Gesichtspunkten, wie das schon heute bei Fachhochschulen der Fall ist. Schnell in Geld umsetzbare Forschung wird von der Wirtschaft gesponsert, Grundlagenforschung bleibt auf der Strecke. Die Kurzstudien, die eingeführt werden sollen (sog. Bakkalaureats) sind ein weiterer Schritt in diese Richtung, viele neue Studienpläne ebenfalls. Die Universitäten nach Managementkriterien effizient zu machen, bedeutet natürlich auch, möglichst viel Personal zu reduzieren.

Gedächtnisschwund?

“Ich sehe den Streik als absolute Notoperation für den Fall, dass es zu massiven Einschnitten im Bildungs- und Sozialberreich kommt” sagte der ÖH-Vorsitzende Martin Faißt im März, als eine Hörer-Innenversammlung, bei der mehr als 1200 Studierende anwesend waren, mit überwältigender Mehrheit für einen einwöchigen Streik stimmte. Damals wie heute ist er peinlich bemüht, die Ausweitung der Proteste zu verhindern.

Das Angebot eines Eisenbahners, der sich mit 2200 KollegInnnen am Aktionstag beteiligte, auf der Bühne eine Solidaritätserklärung auszusprechen, wurde von Faißt kühl abgelehnt.

Anstatt sich mit anderen Gesellschaftsgruppen, die auch von der Sparwut der Regierung betroffen sind, zu solidarisieren, schreibt die ÖH im letzten “Uni aktuell”: “Wir Studierenden dürfen uns nicht vereinnahmenen lassen. Unser Anliegen ist die Universitätsreform und nicht ein Putsch”. Gewarnt wird vor “zahlreichen Oppositionpolitikern und Gewerkschaftern” die “parteipolitisches Kapital schlagen” wollen. Kein Wunder, regiert doch auch in der ÖH quasi eine schwarzblaue Koalition.

Checkpoint Austria

Am 5. Dezember werden wir StudentInnen beweisen, dass wir es durchaus schaffen, alle Räder still stehen zu lassen, wenn wir nur wollen.

In den Morgenstunden soll auf wichtigen Straßen in ganz Österreich der Verkehr zum Erliegen gebracht werden, um gegen den Beschluss des Sparbudget im Parlament am 6.12. Druck zu machen. Wer weiß, vielleicht ziehen auch die Bediensteten im öffenlichen Verkehr mit…