Studiengebühren und Kapitalinteressen

5000+5000+5000+5000+5000+5000+5000+5000=40 000. In Zukunft wird jede/r Studierende für ein Studium mindestens 40 000 Schilling, durchschnittlich jedoch 60 000 Schilling hinblättern müssen. Ein wahrhaft "mutiger Schritt der Regierung" (Lorenz Fritz, Industriellenvereinigung), die teuren und leistungsentwöhnten Studenten endlich auf den Boden der kapitalistischen Realität zu holen. Wem Bildung etwas wert ist, der soll gefälligst dafür bezahlen, wird gefordert. Welch unverhüllter Zynismus spricht aus diesen Worten! Man müht sich nicht einmal mehr ab, Bildung als einen "Wert an sich" darzustellen, sondern benennt ohne euphemistische Umschweife den einzig wirkenden Wert in dieser Gesellschaft: das Geld. Mittels der "Kostenbeteiligung" der Studierenden sollen "Lenkungseffekte" und "Leistungsanreize" erzielt werden. Jetzt ist Schluss mit lustig für das faule Studentenpack! freuen sich die Vertreter des Kapitals ganz unverhohlen. Den Studenten (und deren Eltern) ist das Lustigsein indessen (nicht erst seit heute) vergangen.

  • Fakt ist, mehr als die Hälfte der Studenten kommt aus Familien, wo die Eltern nicht mehr als 30 000 Schilling netto im Monat verdienen. Bedenkt man, dass die elterlichen Zuwendungen — in Form von Geld und Naturalien – heute die Haupteinnahmequelle der Studenten darstellen(44%), wir deutlich: Nicht "nur" die Studenten, sondern auch (und vor allem) deren Eltern werden durch die geplanten Studiengebühren gewaltig zur Ader gelassen.
  • Fakt ist, mehr als ein Drittel der Studenten ist neben dem Studium berufstätig. Und das nicht aus Gründen der "Selbstverwirklichung"! Nein! Für die Mehrheit der "Werksstudenten" wäre das "reine Studieren" schlichtweg unfinanzierbar.
  • Fakt ist, die Lebensbedürfnisse der Studierenden sind ohnehin extrem zurückgeschraubt: rund die Hälfte aller Studierenden muss mit weniger als 6000 Schilling (!) im Monat über die Runden kommen.

Vom Märchen des "freien Hochschulzugangs"…

Die (Aus-)Bildung steht nicht außerhalb der kapitalistischen Klassengesellschaft, sondern ist ein integraler Bestandteil derselben – als verlässlicher Reproduzent der Ungleichheit und als Produzent von künftigen Arbeitssklaven. Das fängt nicht erst bei den Hochschulen an.

Eine Studie aus dem Bildungsministerium verlautbart:

"Die soziale Struktur der StudienanfängerInnen ist in weiten Teilen Resultat eines vorangehenden schulischen Filter- und Selektionsprozesses, dessen entscheidendes Ergebnis die Differenzierung in zwei Gruppen ist: jene, die eine weiterführende Schule besuchen, und jene, die eine Lehre beginnen oder ohne weitere Berufsausbildung eine Beschäftigung aufnehmen. (…) Die Wahrscheinlichkeit, eine höherbildende Schule zu besuchen und die Matura abzulegen, hängt ebenfalls in hohem Maße mit der sozialen Schicht des Herkunftshaushaltes zusammen. (…) Die Selektion über die soziale Herkunft findet in der weiteren Bildungslaufbahn ihre Fortsetzung, wenn es um die Aufnahme eines Hochschulstudiums geht.

Die sogenannte Freiheit der Bildung hat es in Wirklichkeit nie gegeben, weder gestern noch heute – auch wenn die Sozialdemokraten ständig anderes behaupten. Man tut sich halt ein bißchen schwer mit ihrer Glaubwürdigkeit: gestern noch soziale Kahlschläger auf den Unis (Sparpaket 1996!), spielen sie heute schon als Proponenten der "freien Bildung" und Kritiker von Studiengebühren auf. Um nur einige "Schmankerl" aus dem Wust an Belastungen herauszugreifen, welche die Studierenden durch das Sparpaket 1996 getroffen haben: Streichung der Freifahrt bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, Streichung der Heimfahrtsbeihilfe, Verschärfungen beim Bezug der Familienbeihilfe…

Das Kapital schlägt zu…

Trotz alledem ist ein Bruch mit der bisherigen sozialdemokratischen Politik zu erkennen: Die Einführung von Studiengebühren deutet auf eine neue "Qualität" der Politik hin — eine Politik, die sich um die Bedürfnisse der Jugendlichen und ArbeiterInnen noch weniger schert und die sich mit Haut und Haaren den Interessen von Leitl&Co, sprich dem Kapital verschrieben hat.

Nicht die Wortbrüchigkeit unterscheidet die rechtskonservative Regierung von ihrer sozialdemokratischen Vorgängerin, sondern ihre Kompromißlosigkeit bei der Durchsetzung der Interessen des Kapitals. Sie bemüht sich nicht einmal in Ansätzen, einen — wenngleich faulen – Ausgleich zu suchen, der mit — wenngleich lächerlichen – Zugeständnissen an ArbeiterInnen und Jugendliche verbunden ist. Dafür lässt der Druck des Kapitals keinen Spielraum (mehr) offen.

Die geplanten Studiengebühren stellen nicht nur eine der vielen "Sparmassnahmen" der Regierung dar, sie dienen nicht "bloß" zum Stopfen von Budgetlöchern, wie uns Experten plump bescheinigen. In Wirklichkeit kommt ihnen eine weitaus fundamentalere Bedeutung zu: sie deuten auf einen verschärften Wettbewerb im Kampf um die Profite hin, die eine totale Unterordnung aller Bereiche des öffentlichen Lebens unter die "Gesetze des freien Marktes" erfordert. Das herkömmliche Hochschulsystem in Österreich entspricht nicht mehr den Anforderungen, die an die Arbeitskräfte in spe gestellt werden. Die Universitäten werden vom Staat gefördert, damit diese für die Wirtschaft produktive Arbeitskräfte hervorbringen. Doch diese Investition rentiert sich nicht mehr: Die Unis schaffen es nicht mehr, den finanziellen Aufwand des Staates dadurch wettzumachen, indem sie umso produktivere Arbeitskräfte ausbilden.

Der Ruf des Kapitals und ihrer Ombudsmänner, und — frauen (die Politiker) nach einer vermehrten inhaltlichen und strukturellen Anpassung der Universitäten an ihre Bedürfnisse resultiert also aus einem verstärkten Verwertungszwang heraus. Mit den immer schneller abweichenden und ansteigenden Wettbewerbsbedingungen am "freien Markt" ändern sich logischerweise auch die Ansprüche der Wirtschaft an die Studenten am laufenden Band. Gefragt ist nicht jemand, der viel weiß, sondern jemand, der sein Wissen am besten zu verwerten weiß. Ein guter Student hat sich am Ideal des "Verwertungskünstlers" zu orientieren.

Diese Tatsache erklärt auch den Druck von Seiten der Industriellenvereinigung & Co., die darauf pochen, die durch die Studiengebühren eingenommenen Mittel nicht von den Unis abzuziehen, sondern sie dafür zu verwenden, die Effektivität der Ausbildung zu steigern. Denn je produktiver die Studierenden von den Unis gemacht werden, umso mehr Leistung kann später als Arbeitskräfte aus ihnen herausgepresst werden. Und darauf können die Unternehmer nicht verzichten.

Klestil&Co – Kritiker von Studiengebühren?

Argumente gegen Studiengebühren gibt es zu Hauf — Die breite Ablehnungsfront reicht vom Bundespräsidenten über die Sozialdemokraten bis hin zu den ÖH-Bürokraten a la AG, VsstÖ oder KSV. Wie fadenscheinig der Großteil der Argumente freilich ist, soll im folgenden aufgezeigt werden.

"Wissen und Qualifikation ist das größte Kapital Österreichs", belehrt uns SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer. Ähnlich wie AK-Präsident Tumpel befürchtet er durch die Studiengebühren eine Gefährdung des Wirtschaftstandortes Österreichs. Die Ware Bildung darf also nicht zur Mangelware verkommen, sonst zahlt die liebe Wirtschaft drauf. Ohne Experten, kein Fortschritt…

Studiengebühren sind nicht prinzipiell auszuschließen, aber bei diesen Universitäten doch nicht, empören sich vor allem die liberal Gesinnten, denen das Traumbild des "Unternehmens Universität" vorschwebt. Würde das Angebot, Leistung und Service an den Unis stimmen…ja dann könnte man über Gebühren reden, lautet der Tenor. Dem Wunsch nach marktkonformeren Unis ist zu entgegnen: Was nützen die schönsten Unis, wenn (1.) die Form (optimales Service) auf Kosten des (Lehr-)Inhalts geht, und (2.) nur der finanzkräftigste Teil der Bevölkerung Zugang dazu hat? Wer er sich leisten kann, wird super bedient, allen anderen ist zu sagen. Pech gehabt!

Warum dieser Angriff auf das Bildungssystem nicht unvermittelt kommt, sondern in Wirklichkeit dem veränderten Stellenwert der Wissenschaft in unserer Gesellschaft entspricht, sprich Ausdruck der gestiegenen Verwertungsansprüche des Kapitals ist, kann durch einen historischen Rückblick erklärt werden.

Hochschulbildung — was sie war und was sie ist

Entgegen aller bürgerlich-positivistischen Erkenntnisweise, welche die Welt als eine Ansammlung toter Dinge begreift dürfen wir den Gesamtzusammenhang, der zwischen Ökonomie, Politik, Wissenschaft, Kunst u.s.w. besteht, nicht aus dem Blickwinkel verlieren. Es ist wichtig zu begreifen, dass die Wissenschaft nicht bloß für sich, als Wert an sich, existiert, sondern gleichzeitig Produkt und Motor der Geschichte darstellt.

Blickt man zurück ins 19. Jahrhundert, fällt auf, dass die Universitätsausbildung in erster Linie auf die Verwirklichung einer allseitigen, humanistischen Bildung abzielte. Es wurde weniger ein berufsspezifisch maßgeschneidertes Fachwissen gelehrt, als vielmehr die Reflexion über allgemeine Zusammenhänge. Philosophie, Theologie und Jus erlebten dazumals ihre Blütezeit. Muss das schön gewesen sein…könnte man meinen (und nicht wenige sehnen sich noch heute nach diesem Bildungsideal zurück). Die Idylle trügt. Erstens war es nur eine kleine Minderheit, der das Privilegium des Universitätsstudiums zugestanden wurde. Und zweitens diente die allseitige Ausbildung dazu, die zukünftigen führenden Beamten, Ärzte, Juristen und Lehrer von der "dumpfen" Masse abzuheben, und ihnen gemäss ihres Standes das Gefühl zu geben, etwas besseres zu sein. Der Universität kam also vor allem die Funktion zu, eine kleine Elite auf ihre später zu erfüllende gesellschaftliche Rolle vorzubereiten. Erst in weiterer Hinsicht diente sie zur Berufsausbildung.

Das änderte sichmit der zunehmenden Bedeutung der Technik für das gesellschaftliche Leben. Durch die Technik, die in Wirklichkeit nichts anderes als die Anwendung der Erkenntnisse der Naturwissenschaften ist, wurde die Wissenschaft von ihrem Elfenbeinturm vertrieben und der "Praxis" nähergebracht. Die Funktion der Wissenschaft wurde damit einer grundlegenden Wandlung unterzogen: einst "nur" dazu dienlich, die bestehenden Herrschaftsstrukturen zu reproduzieren, bekam sie nun ein zweites Gesicht, das der direkten Verwertbarkeit. "Wissen ist Macht", sagte schon der englische Philosoph Francis Bacon und brachte damit die außerordentliche Relevanz der Naturwissenschaften für das "wirkliche" Leben auf den Punkt.

Die Instrumentalisierung der Universitäten durch das Kapital existiert somit nicht erst seit gestern, wenngleich auch nicht in so deutlicher Form wie heute.

Der technische Fortschritt war (und ist) für die Menschen nichts Unverbindliches. Er vollzieht sich nicht nebenher, man kann ihn wohl mental, nicht aber physisch ablehnen. (Nur einigen wenigen "Aussteigern" mag dies gelingen.) Besonders augenscheinlich wird diese Tatsache bei den Unternehmern. Sie sind gezwungen, immer mehr in fixes Kapital, also in die modernste Maschinerie und Informationstechnik zu investieren, wenn sie mit dem am Markt durchschnittlichen (hohen) Niveau der Produktivität Schritt halten wollen. Können sie dies nicht, verlieren sie ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Unternehmen und gehen bankrott.

Wen wundert es nun, dass das Kapital aus Angst, den technologischen Anschluss zu verpassen, die Expansion des Forschungswesens und die Gründung von immer mehr Universitäten vorantrieb. Die Anforderungen (der Unternehmer) an die Studenten waren nun freilich geänderte. Wer braucht(e) in Zeiten der wachsenden Spezialisierung und Differenzierung der Wissenschaften schon allseitig gebildete Humanisten? Wo es dem Spezialisten doch schon die ärgsten Mühen abverlangt, in seinem Spezialgebiet auf dem laufenden zu bleiben, soll er sich vielleicht noch Gedanken über "das Allgemeine" machen…

Die Zukunft unserer Wissenschaft…Fachtrottel wohin das Auge reicht

Mit dem wachsenden Fortschritt und der damit verbundenen Spezialisierung der Produktivkräfte (und damit sind auch die Wissenschafter gemeint) ging eine immer weiter gehende Ausdifferenzierung der Produktionsverhältnisse einher. Dass diese Entwicklung keine unendliche ist und, bedingt durch innere Widersprüche, zunehmends an ihre eigenen Grenzen stößt, erfahren wir immer aufs Neue an den irrationalen Auswüchsen der kapitalistischen Gesellschaft. Oder ist es etwa normal, dass in einer Welt, in der genug Nahrung für alle Menschen da wäre, Millionen Menschen Hunger leiden und dann noch tonnenweise Getreide ins Meer gekippt werden, nur um den Preis zu halten?

Schön und gut, aber was hat das mit dem Problem der Zersplitterung und Unüberschaubarkeit der Wissenschaft zu tun? Wie in der kapitalistischen Produktionsweise wird auch in der Wissenschaft nicht nach Bedürfnissen und objektiven Notwendigkeiten, sondern einzig und allein nach dem Kriterium der Rentabilität produziert bzw. geforscht. Die Zersplitterung des Eigentums bringt es mit sich, dass auf dem Markt bzw. bei der Forschung viele verschiedene Einzelinteressen aufeinander clashen. Bei diese Zusammenstößen setzt sich nicht der Bessere, sondern vielmehr der Stärkere durch. Solange der Wettkampf zwischen privaten Unternehmern und Konzernen nicht durch eine gesamtgesellschaftliche Planung durch die Mehrheit der Menschen, der Produzenten, ersetzt wird, wird sich das auch nicht ändern.

Solange die Gesellschaft also kapitalistisch und nicht kommunistisch organisiert wird, wird man vor lauter Spezialproblemen das eigentliche Problem nicht mehr sehen, geschweige denn lösen können. Soviel zu dem bürgerlichen Gewäsch, es bedürfe einer "Umstrukturierung der Universitäten".