Uni-Proteste demobilisiert

VSStÖ und GRAS waren in den Protesten seit Semesterbeginn kaum relevant. Der VSStÖ, der ja auch im SPÖ-Parteivorstand sitzt, scheint v.a. damit beschäftigt, der Regierung "ein Jahr Zeit" zu geben. Die VSStÖ-Distanzierung von Streik und Besetzung wurde von der bürgerlichen Presse dankbar verlautbart. An ihren Freunden sollt ihr sie erkennen! Die auffälligste VSStÖ-Aktivität an der Uni war freilich bisher ein pompöses Plakat für ein Clubbing auf der Schmelz. Angesichts der noblen Zurückhaltung von sozialdemokratischen, GPA- und grünen Studi-Funktionären fiel die zentrale Rolle bei der Abwiegelei dem KSV und den Basisgruppen zu.

Auf der Vorbereitungssitzung am 3. März war der KSV noch gespalten gewesen: Ein Teil stimmte mit der radikalen Linken für eine Streikwoche, die mehrheitlich als Vorschlag an das Audimax-Plenum angenommen wurde. Der andere Teil des KSV votierte mit den anwesenden Basisgruppenfunktionär/inn/en gegen eine Streikwoche. Letztere kündigten auch gleich an, diesen Beschluss boykottieren zu wollen.

Bis zum 15. März hatte der KSV seine Reihen aber wieder geschlossen. Auf der Hörer/innen/versammlung argumentierten seine Vertreter/innen v.a. für kreative Aktionsformen und die Besetzung des Audimax – Streik solle es, wenn überhaupt, erst später geben. Nachdem sich dann eine große Mehrheit entsprechend der Vorschläge von Unorganisierten und der trotzkistischen Gruppen (SLP, ASt, Linkswende, AL, AGM) für eine Streikwoche ausgesprochen hatten, schafften es KSV und Basisgruppenfunktionäre/innen immerhin noch, den Beginn um eine Woche zu verschieben – angeblich um Zeit für die Mobilisierung zu bekommen, de facto aber (wie sich bald zeigen sollte) um die Dynamik rauszunehmen. Als wesentliches Problem sollte sich auch rasch herausstellen, dass es aufgrund der Verzögerungstaktik der Moderatorinnen am 15. März nicht mehr wirklich möglich war, eine Koordinationsstruktur zu wählen.

Das wurde bereits am Vormittag des nächsten Tages deutlich, als das Audimax-Plenum (wegen der Verschiebung des Streikbeginns bereits erheblich geschrumpft) mehr oder weniger zufällig erfuhr, dass da nebenan eine vom KSV initierte Pressekonferenz "der Besetzer/innen" – tatsächlich Karina Korecky (KSV), Olivia Steiner (Bagru Gewi), Herbert Bartik (Funke) – stattfand, von der das Plenum weder informiert und ihm schon gar nicht die Möglichkeit gegeben worden war, seine Sprecher/innen selbst zu bestimmen. Nach einer Intervention der AGM sah zumindest Bartik ein, dass diese Vorgangsweise nicht OK war, die Pressekonferenz wurde für die Besetzer/innen geöffnet und zwei Personen aus dem Plenum (in der Hektik auch nicht gewählt) ergänzten den Kreis der Auserwählten.

In der Folge wurde immer mehr offenkundig, dass besonders Basisgruppenfunktionär/innen, aber auch der KSV die von ihnen selbst vorgeschlagene Besetzung des Audimax und die Mobilisierung für eine Streikwoche ab 22. März systematisch sabotierten. Bereits am 16. März verhinderten sie durch destruktive Polemiken, die dazu führten, dass immer mehr Leute angenervt den Saal verließen, die Wahl eines halbwegs repräsentativen provisorischen Koordinationskomitees. Skurril wurde das Ganze, wenn Leute wie Kurt(o) Wendt, "Ratgeber" des KSV und selbst Mitglied des KPÖ-Bundesvorstandes, "argumentierten", die Aktivist/inn/en könnten doch selbst entscheiden und bräuchten kein Koordinationskomitee, das ihnen sage, was sie tun müßten. Bürokraten spielten die basisdemokratische Karte, um ihre informelle Kontrolle über die Bewegung (siehe Pressekonferenz) aufrechterhalten zu können, – und sie waren schließlich erfolgreich damit.

In den nächsten Tagen wurde die Besetzung v.a. von SLP, ASt, Linkswende und einigen Unorganisierten aufrecht erhalten. KSV und die meisten Basisgruppenfunktionär/innen beteiligten sich – da sie die Sache nicht dominieren konnten – nicht an der Mobilisierung dafür. Sie traten nur von Zeit zu Zeit auf, um – fast schon in unpolitischer AG-Service-Manie – eine schrittweise Rücknahme der Besetzung einzufordern (Räumung nicht nur bei Prüfungen, sondern auch bei großen Vorlesungen, Nachgeben gegenüber den Drohungen des Rektors). Diese Zermürbungstaktik hatte dann auch die gewünschte demoralisierende Wirkung auf die Besetzer/innen, sodass die Basis für die Besetzung bis zum 22. März immer dünner wurde.

Inzwischen waren die meisten Basisgruppenfunktionär/innen aber nicht untätig. Auf diversen Insitutsversammlungen verbreiterten sie sich – teilweise mit gezielter Desinformation – über die Unmöglichkeit und die Gefahr eines Streiks und machten damit genau das Gegenteil von dem, wofür die Woche zwischen 15. und 22. März angeblich hätte dienen sollen. Die Antistreikaktivist/inn/en der Basisgruppen, von VSStÖ und GRAS und in ihrem Schlepptau der KSV nutzen die vorgebliche Mobilisierungswoche zur Demobilisierung.

Bis zur Hörer/innen/versammlung am 22. März war dann klar, dass die Streikwoche de facto abgewürgt worden war. Die Kräfte von etwa 50 organisierten Trotzkist/inn/en an der Uni und noch einmal soviel entschlossenen Unorganisierten reichen nicht aus, um einen Streik zu organisieren. Ohne der aktiven Unterstützung von zumindest dem KSV und Teilen der Basisgruppen und unter diesem Druck dann auch halbherzig von VSStÖ und GPA-Jugend ist die Grundlage heute nicht vorhanden. Wenn all diese Kräfte so klar gegen den Streik agieren (und das wurde seit 15. März deutlich), ist auch eine Streikwoche nicht möglich ohne zur Farce zu werden. Dem trugen die trotzkistischen Gruppen schließlich gezwungenermaßen Rechnung und einigten sich mit KSV & Co. auf eine Aktionswoche mit einem Streiktag inklusive Demonstration zur ÖGB-Zentrale. Es wird sich zeigen, ob die Antistreikaktivist/inn/en der Basisgruppen und der KSV diesmal den Plenumsbeschluß umsetzen oder ob sie auch den Streiktag (29. März) sabotieren.

Ebenfalls am 22. März fanden Basisgruppenfunktionär/innen, KSV und VSStÖ nun eine knappe Mehrheit dafür, dass die Besetzung des Audimax für Lehrveranstaltungen aufgehoben wird, womit nicht mehr wirklich von Besetzung gesprochen werden kann. Außerdem waren der KSV und seine Mitstreiter/innen plötzlich für die Bildung eines Koordinationsrates, hatte sie doch jetzt – nach einer Woche Demobilisierung – die Kontrolle über den Widerstand an der Uni wiedergewonnen. Ein vom KSV zusammengestelltes Gremium wurde zur Wahl gestellt und implantiert, ohne dass die einzelnen Leute dem Plenum überhaupt vorgestellt worden wären. Diese bürokratische Vorgangsweise war dann auch ein Grund, warum sich der AGM-Vertreter wieder aus dem Koordinationsrat zurückzog.

Der Hintergrund für die gesamte Entwicklung ist freilich, dass die (überwiegend trotzkistische) radikale Linke an der Uni zwar stark genug ist, um immer wieder eine initiative Rolle zu spielen, aber zu schwach, um gegen die Sabotage von relevanten anderen linken Kräften eine substanzielle Streikbewegung zu organisieren. Darüberhinaus haben sich die Basisgruppen in den letzten Jahren deutlich nach rechts entwickelt. Linke Aktivist/inn/en wurden nicht in allen, aber in den allermeisten Fällen durch halbpolitische und/oder linksliberale Jungfunktionär/innen ersetzt, die dem ganzen Spiel von Unileitung, Medien und ÖH mangels einer konsistenten linken Konzeption meist hilflos ausgeliefert sind und von denen nicht wenige wohl auch auf eine individuelle universitäre Karriere orientiert sind

VSStÖ und GRAS sind durch und durch reformistische Organisationen, die v.a. Nachwuchsfunktionäre für ihre Establishmentparteien heranziehen. Der KSV hingegen hatte sich in den letzten Jahren – unter der Führung von zuerst Stefan Herles und dann Karina Korecky – nach links entwickelt und sich vom traditionellen KPÖ-Reformismus ansatzweise emanzipiert. In der jetzigen Miniaturbewegung an der Uni ist er allerdings wieder auf seine alte Linie zurückgekehrt, die vor allem aus einem Schielen auf ÖH-Mehrheiten und einer opportunistischen Anpassung an bornierte Basisgruppenfunktionär/innen besteht.

Es besteht jetzt natürlich die Gefahr, dass die studentische Protestbewegung gegen die Pläne der schwarz-blauen Regierung mit dem 29. März de facto bereits einen Schlusspunkt findet, bevor sie überhaupt ernsthaft begonnen hat. Die Unis wären dann nicht der erhoffte neue Kick für die allgemeine Widerstandsbewegung, der im Moment eine unmittelbare Perspektive fehlt. Bisher ist die Ausweitung auf die Betriebe nicht gelungen. Die Gewerkschaftsbürokratie wartet vorerst ab, ob die Regierung ihre Pläne (insbesondere auf den branchenweiten Kollektivvertrag) tatsächlich umsetzt oder ob sie zu relevanten Zugeständnissen bereit ist. Ob die Bewegung in einem neuerlichen Aufschwung in den Betrieben aber auch an den Unis eine weitergehende Dynamik entwickeln kann, wird wesentlich davon abhängen, ob sich die radikale Linke bis dahin deutlich verstärken kann.