Wir widmen dieses Buch all denjenigen, die im Kampf für die Umwandlung des Zweiten Weltkrieges in die internationale Revolution der Arbeiterklasse ihr Leben gaben, im besonderen Josef Jakobovits und Franz Kascha, zwei österreichischen Trotzkisten, die 1944 im Wiener Landesgericht von den Nazis ermordet wurden und auch in den Händen der Gestapo ihre Genossen nicht verrieten.
Inhaltsverzeichnis:
Editorial
Der Zweite Weltkrieg: Demokratie gegen Faschismus? Eine marxistische Analyse (Eric Wegner)
Bemerkungen zur Weltwirtschaft vor dem Zweiten Weltkrieg (Martin Jakob)
Der Kampf der Partisanen in Jugoslawien Zum Krieg in Jugoslawien und zum Charakter der "Tito-Partisanen" (Miodrag Jovanovic)
Widerstand und Revolution in Griechenland (Julia Masetovic) Word-Doc RTF-Doc
Schindlers Liste Eine Rezension (Eric Wegner)
Der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 (Julia Masetovic/Ben Carling) Word-Doc RTF-Doc
Die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa – am Beispiel der Tschechoslowakei Eine marxistische Position zu einem linken Tabu (Manfred Scharinger) Word-Doc RTF-Doc
Dokument 1: Krieg und die IV. Internationale (Internationales Sekretariat der Internationalen Kommunistischen Liga/Leo Trotzki, Juni 1934) Word-Doc RTF-Doc
Dokument 2: Deutsche und "alliierte" Soldaten! Arbeiter Europas! Aufruf (Europaexekutive der Vierten Internationale, Juni 1944) Word-Doc RTF-Doc
Dokument 3: Thesen zum 10. April 1945 Aufruf der illegalen trotzkistischen Organisation zur Befreiung Wiens (Karl-Liebknecht-Bund/Franz Modlik) Word-Doc RTF-Doc
Dokument 4: Buchenwalderklärung der "Internationalistischen Kommunisten" nach ihrer Befreiung aus dem KZ am 20. April 1945 (Marcel Beaufrere, Ernst Federn, Karl Fischer, Florent Galloy) Word-Doc RTF-Doc
Dokument 5: Internationale Solidarität mit dem deutschen Proletariat Manifest (Europäisches Exekutivkomitee der IV. Internationale, Dezember 1945/Jänner 1946) Word-Doc RTF-Doc
Dokument 6: Porträt des Nationalsozialismus (Leo Trotzki, Juni 1933)
Der Faschismus Was ist er? Wie dagegen kämpfen? (Reinhard Faltello)
Faschismus in uns? Eine Kritik populärer Erklärungsmuster des Faschismus (Christina Stojanovic)
Über Haider, Fini, Le Pen und Küssel Überlegungen zur extremen Rechten in Europa und Grundsätzliches zum Nazi-Terror in Österreich (Eric Wegner)
Editorial
Gedenkjahr 1995: Die Welt, d.h. das bürgerliche Establishment, begeht den Sieg der Demokratie über den Faschismus. Der Zweck der staatstragenden Übung: Der Bevölkerung sollen mehrere Botschaften nahegebracht werden. 1) Der Zweite Weltkrieg war ein Krieg der Weltanschauungen, ein gerechter Krieg für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, gegen Unterdrückung, Terror und Faschismus. 2) Alle Demokraten müssen gegen die rechten und linken (!) Faschisten, die durch ihren Extremismus Diktatur und Krieg verursacht haben, zusammenhalten.
Leute wie Churchill, de Gaulle und Stauffenberg werden zu antifaschistischen Märtyrern verklärt. Gleichzeitig wird die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg als Partner der westlichen Alliierten zunehmend relativiert. Jeder Zusammenhang zwischen Krise und Faschismus, zwischen Kapitalismus und Krieg wird unter den Tisch gekehrt. In Österreich wird dazu noch eine beträchtliche Portion des austropatriotischen Mythos« von Österreich als erstem Opfer beigemischt.
Gleichzeitig versuchen die extreme Rechte und – seit dem sogenannten Historikerstreit Mitte der 80er Jahre – auch Teile der etablierten Rechten in Deutschland und Österreich (aber nicht nur) die Verbrechen der Nazis insofern zu entschuldigen, als sie als eine mehr oder weniger verständliche Reaktion auf die bolschewistische Gefahr hingestellt werden. Seit dem Erstarken des Selbstbewußtseins des deutschen Imperialismus ab 1990 hat diese Tendenz deutlich an Boden gewonnen.
Wir sind davon überzeugt, daß ein Festklammern am demokratischen Krieg der Alliierten gegen das deutsch-italienisch-japanische Bündnis eine stumpfe Waffe gegen die rechte sogenannte Neubewertung zum Beispiel des Krieges Hitlers gegen die Sowjetunion ist. Eine solche Haltung bindet die Linke und die Arbeiterbewegung an den Pseudo-Antifaschismus der liberalen Bourgeoisie und verhindert die Entwicklung einer unabhängigen internationalistischen Position, die sich auf die Interessen der internationalen Arbeiterklasse orientiert und sich gegen sämtliche Imperialismen stellt. Wir betrachten den Zweiten Weltkrieg – auch von Seiten der westlichen Alliierten – als einen reaktionären Krieg zur Neuaufteilung der Welt. Die alteingesessenen Imperialisten (Großbritannien und Frankreich) verteidigten ihren zusammengeraubten Reichtum und Wohlstand, den sie im Ersten Weltkrieg behaupten konnten, erneut gegen die zu spät gekommenen imperialistischen Plünderer Deutschland, Japan und Italien. Der aufsteigenden US-amerikanische Imperialismus verband die Abwehr letzterer mit der Ausbootung ersterer und ging als Sieger aus dem großen Gemetzel hervor.
Ziel dieser Ausgabe von Marxismus ist es, einen internationalistischen Kontrapunkt zur herrschenden Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg zu setzen. Wir zeigen, daß es sich beim angeblichen Kampf für Demokratie um eine Lüge, beim Antifaschismus der westlichen Alliierten um Heuchelei handelte, um eine ideologische Tarnung der Klasseninteressen der jeweiligen Bourgeoisien zum Einkochen und zur offenen Unterdrückung der Arbeiterklasse.
Den Anfang macht ein Beitrag mit dem Titel Der Zweite Weltkrieg: Demokratie gegen Faschismus? – Eine marxistische Analyse, in dem Eric Wegner eine grundsätzliche Einschätzung des Zweiten Weltkrieges, seiner Hintergründe und Ursachen, seines Klassencharakters, seiner Dynamik und seines Ergebnisses liefert. Martin Jakob beschäftigt sich mit Aspekten der ökonomischen Widersprüche des Kapitalismus in den Jahrzehneten vor 1939, die zum Ausbruch des Krieges geführt haben.
Der zweite Block umfaßt verschiedene Beiträge zu speziellen Aspekten des Zweiten Weltkrieges. Miodrag Jovanovic untersucht Krieg und Widerstand in Jugoslawien und analysiert auch den Charakter der Partisanenbewegung unter der Führung von Josip Broz Tito. Der Artikel von Julia Masetovic beschreibt den griechischen Widerstand gegen die Nazi-Besetzung, der in eine Revolution mündete, die einen der Höhepunkte der revolutionären Nachkriegsentwicklung darstellte und die schließlich von britischen Truppen und griechischen Faschisten mit der Unterstützung Stalins niedergeschlagen wurde. Eric Wegner rezensiert in einem Artikel, den er ursprünglich für die Zeitung ArbeiterInnenstandpunkt (Nr.59) verfaßt hatte, Steven Spielbergs Schindlers Liste. Der Beitrag von Julia Masetovic über den heldenhaften Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 stützt sich zu beträchtlichen Teilen auf einen Artikel von Ben Carling aus der britischen trotzkistischen Zeitung Workers Power. Schließlich bringt Manfred Scharinger eine marxistische Position zu einem Thema, das in der Linken angesichts der Verbrechen der Nazis in Osteuropa weitgehend tabuisiert ist: die Vertreibung von Millionen Deutschen – ohne Rücksicht auf Klassenzugehörigkeit und politische Gesinnung – aus Osteuropa am Ende des Krieges beziehungsweise unmittelbar danach.
Der dritte Block besteht aus historischen Dokumenten der internationalistischen/trotzkistischen Bewegung zu Faschismus und Krieg, die schwer öffentlich zugänglich sind und/oder von besonderer historischer Bedeutung sind: erstens die Thesen Krieg und die IV. Internationale, die 1934 vom Internationalen Sekretariat der IKL, d.h. der internationalen trotzkistischen Bewegung, herausgegeben wurden; zweitens verschiedene kürzere Dokumente zum Krieg aus der Zeit zwischen 1944 und 1946, darunter ein Aufruf der illegalen trotzkistischen Untergrundorganisation in Wien zur Befreiung Wiens durch die sowjetischen Truppen, darunter die vollständige Fassung der sogenannten Buchenwalderklärung, die internationalistische/trotzkistische Gefangene des Konzentrationslagers unmittelbar nach ihrer Befreiung am 20. April 1945 verfaßt hatten; drittens ein Artikel von Leo Trotzki, der im Juni 1933 im türkischen Exil verfaßt wurde und sich unter dem Titel Porträt des Nationalsozialismus in einer pointierten Sprache mit dem sozialen Charakter des Faschismus auseinandersetzt.
Zur Ausleuchtung der Hintergründe des Zweiten Weltkrieges beschäftigt sich der letzte Block mit dem Faschismus. Reinhard Faltello beantwortet die Fragen nach dem Charakter des Faschismus und der Art und Weise, wie er am besten zu bekämpfen ist. Unter dem Titel Faschismus in uns? behandelt Christina Stojanovic verschiedene verbreitete Erklärungsmuster, die die zentrale Ursache für den Faschismus in individuellen beziehungsweise psychischen Problemen suchen. Eric Wegner untersucht schließlich die heutige rechtsextreme Szene und argumentiert für eine exakte marxistische Analyse und gegen eine inflationäre, moralisch motivierte Qualifizierung von sämtlichen rechtsextremen Strömungen als faschistisch. Darüberhinaus formuliert er einige grundlegende Überlegungen zum Nazi-Terror in Österreich.
Wir wollen mit dieser Ausgabe von Marxismus einen Beitrag zu einem marxistischen Verständnis von Krieg (und Faschismus) und zur Loslösung der Arbeiterbewegung von der reformistischen, letztlich nationalistischen Bindung an die Interessen und die Ideologie der Bourgeoisie zu leisten. Wir hoffen, daß Marxismus Nr.4 auf ebensolches Interesse stoßen wird wie die vorangegangene Ausgabe (von der wir mittlerweile eine zweite Auflage herausgebracht haben) und freuen uns natürlich, wenn sich möglichst viele unserer Leser/innen für eine regelmäßige Lektüre von Marxismus, für ein Abonnement, entscheiden.