Blut für ߖl? – Zu den Hintergründen eines Kriegs gegen den Irak

Die internationalen politischen Eliten überbieten sich, heftig unterstützt von den großen Medien, mit Stories über die Massenvernichtungswaffen im Irak. Daraus folgern sie die Notwendigkeit eines militärischen Schlags gegen das Land. Wir wollen eine andere Version der Geschichte erzählen, es ist eine Geschichte von Macht und von Öl …

 Öl ist – gemeinsam mit Wasser – wahrscheinlich die wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts. Für die wirtschaftspolitischen Interessen der Industriestaaten ist der Zugang zu ausreichenden Ölvorkommen eine Über-legungsfrage. Unpraktischerweise liegt der Großteil der weltweiten Vorkommen aber nicht in Europa und Nordamerika, sondern ist in einigen wenigen – politisch sehr instabilen – Regionen außerhalb der direkten Kontrolle des Westens konzentriert. Die hoffnungsvollsten davon sind die arabische Halbinsel sowie die Gebiete nördlich und nordwestlich davon (also der Irak, der Kaukasus und die Region um das Kaspische Meer bis nach Usbekistan und Afghanistan).

Um diese Vorkommen (und die zum Transport unumgänglichen Pipelines) zu schützen, ist eine wesentliche militärische Präsenz in der jeweiligen Region unumgänglich. In diesem Zusammenhang ist nicht nur das russische Festhalten an Tschetschenien, sondern auch die verstärkte Präsenz der USA im gesamten mittleren Osten zu sehen, einerseits durch die Gründung von Militärbündnissen wie der GUUAM (benannt nach den Mitgliedsstaaten Georgien, Usbekistan, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien), andererseits durch direkte militärische Interventionen wie in Afghanistan. Dieser Krieg, der offiziell im Anschluß an die Anschläge vom 11. September 2001 als Krieg gegen den Terror geführt wurde, war eigentlich schon im Frühjahr ´01 beschlossene Sache, wie aus zahllosen Belegen hervorgeht. Auch die englische BBC berichtet von der Drohung mit einem Militärschlag, die bereits Mitte Juli ´01 erfolgte.

Der große Preis

Iraks nachgewiesene Öl-Reserven von 112 Milliarden Barrel werden nur von Saudi-Arabiens 256 Milliarden Barrel übertroffen. Der Ölreichtum könnte sogar noch größer sein. Noch nicht nachgewiesene Reserven könnten sich auf bis zu 220 Milliarden belaufen – besonders in den drei großen Ölfeldern im Südirak, jedes so groß wie die gesamten Ölreserven von Kuwait. Kaum ein anderes Land (bis auf die noch nicht ausreichend erforschte kaspische Region, wo ebenfalls um die 200 Mrd. Barrel vermutet werden) hat solche unerschlossenen Ölreserven anzubieten. Wie ein Wirtschaftsexperte der britischen Zeitung "Times of London" sagte: "So etwas gibt es sonst nirgends auf der Welt. Es ist der große Preis."

In einem Bericht, den die New York Times am 11. Oktober über die Kriegspläne der USA veröffentlichte, fand sich die Bemerkung, dass die USA und ihre Kriegsverbündeten "im Wesentlichen die zweitgrößten nachgewiesenen Ölvorkommen der Welt kontrollieren würden, die nahezu 11 Prozent der Gesamtvorkommen ausmachen", sollten sie den Irak angreifen und besiegen.

Die Umwandlung des Irak in ein Protektorat und einen Militärstützpunkt der USA würde den in Amerika angesiedelten Ölmonopolen Milliardenprofite bescheren, dem amerikanischen Kapitalismus die Kontrolle über wesentliche Teile der weltweiten Ölreserven sichern und ihnen eine bevorzugte Ausgangsstellung für künftige Aggressionskriege sichern – gegen die ölreichen Länder Iran und eventuell sogar gegen das momentan verbündete Saudi-Arabien im Osten und Süden, gegen Syrien im Norden und langfristig möglicherweise gegen Russland und China. Das solche Kriegsszenarien keine wirre Utopie sind, bestätigt kein Geringerer als US-Vizepräsident Dick Cheney: "Da draußen gibt es eine terroristische Unterwelt, die sich auf mehr als 60 Länder erstreckt." Zum Vergleich: Weltweit gibt es knapp über 200 Staaten. Laut Cheney beheimatet also fast ein Drittel der Welt die "terroristische Unterwelt" und ist daher ein legitimes Ziel einer US-Intervention.

Cheney und sein Präsident, George Bush, wissen dabei sehr gut, was sie tatsächlich meinen, wenn sie vom Kampf gegen den Terrorismus reden: die US-Kontrolle über diese Länder (und damit auch über die dort vorhandenen Ressourcen). Das sie das so genau wissen, ist kein Wunder, sind doch beide Vertraute der Ölindustrie: Bush ist ehemaliges Vorstandsmitglied von Harken Energy, Cheney ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Energiegiganten Halliburton. Halliburton hatte übrigens von 1997 bis 2000, als Cheney noch an der Spitze der Firma stand, Verträge über die Lieferung von Ölförderausrüstungen im Wert von 73 Millionen Dollar mit Bagdad abgeschlossen – von Embargo und Kampf gegen das Böse damals also noch keine Rede.

Schmieröl

Die Wichtigkeit des Öls wurde auch in einem Kommentar in der Los Angeles Times im Oktober herausgearbeitet. Der Artikel mit dem Titel "Ölwirtschaft schmiert Kriegsvorbereitungen" wurde gemeinsam von Robert Johnson, einem New Yorker Financier, der früher Chefökonom des Bankenausschusses des Senats war, und von Thomas Ferguson, einem Politikprofessor an der Universität von Massachusetts, veröffentlicht. "Indem wir das Ziel des ‚Regimewechsels' propagieren, statt der Vernichtung von Waffen," schreiben sie, "und demonstrativ die Übernahme der operativen Kontrolle im Irak für einen längeren Zeitraum vorbereiten, senden wir eine deutliche Botschaft an die Finanz- und Außenministerien der ganzen Welt: In Fragen, die den Ölpreis und den Kurs des Dollar betreffen, werden wir entsprechend unserer eigenen Interessen handeln und uns wenig um die Interessen und Ansichten anderer kümmern."

"Es geht um Öl. Kapiert?"

Ein "hoher amerikanischer Beamter" – höchstwahrscheinlich der damalige US-Außenminister James Baker – hatte wenige Tage nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait im August 1990 der New York Times erklärt: "Es geht um Öl. Kapiert? Um Öl, um vitale amerikanische Interessen." Und noch während der erste US-Krieg am Golf im Gange war, meinte G. Bush senior, Altpräsident der USA und Vater des jetzigen Präsidenten, im Hinblick auf Handelsgespräche mit Deutschland und Japan: "Wir werden damit [Anm.: mit der Kontrolle über das Öl] über – ich will nicht sagen, einen Hebel -, aber doch Überzeugungskraft verfügen."

Letztendlich geht es also um die Kontrolle über wesentliche Ressourcen, nicht nur zum Zweck der eigenen Unabhängigkeit, sondern auch, um den beiden anderen großen Blöcken, EU und Japan, erfolgreich Paroli bieten zu können (die natürlich da, wo es ihnen möglich ist, genauso agieren).

Neue Interessen

Im September 1998 hieß es in einem Leitartikel der New York Times: "Die kaspische Region ist die neueste Bühne geworden, wo auf Weltebene Großmachtpolitik betrieben wird. Sie bietet nicht nur den Ölkonzernen die Aussicht auf großen Reichtum, sondern auch den Weltmächten das Feld entscheidender Konkurrenzkämpfe… Vom Ergebnis hängt viel ab, denn die Pipelines werden nicht nur Öl transportieren, sondern auch neue Handels- und Machtkorridore abstecken. Die Nation oder das Bündnis, in deren Händen die Kontrolle über die Pipelines liegt, könnten auf Jahrzehnte hinaus über die kaspische Region disponieren."

Der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Entdeckung riesiger Öl- und Gasvorkommen im kaspischen Meer haben die US-Politik gegenüber dem Irak ganz maßgeblich beeinflußt. So lange sich die strategischen Interessen nur um den Persischen Golf drehten, hatte sich Amerika auf den Süden des Irak konzentriert. Washington war schließlich zum Schluss gelangt, dass eine militärische Besetzung und ein möglicher Zerfall des Landes zu riskant seien, da sie die gesamte Region destabilisieren könnten. Sie hatten also zum Ende des Golfkrieges entschieden, Saddam Husseins Republikanische Garde intakt und ihn selbst an der Macht zu lassen.

Das mittlerweile verstärkte Interesse Amerikas an den Ländern nördlich des Irak hat die militärischen und ökonomischen Prioritäten der USA verschoben. Um den Zugang zur kaspischen Region zu sichern, brauchen sie eine direktere militärische und politische Präsenz im Irak. Aufgrund seiner geographischen Lage nimmt der Irak in der Region im Allgemeinen und in der Auseinandersetzung um Pipelines im Besonderen eine strategische Stellung ein. Auch die Politikwissenschaftler George Friedman und Meredith Lebart argumentierten in ihrem einflussreichen Buch "Der kommende Krieg mit Japan", das 1991 erschien: "Das Öl macht den Persischen Golf zu mehr als einer regionalen Frage. Er wird zum Dreh- und Angelpunkt der Weltwirtschaft. Den USA würde die Vorherrschaft über diese Region die Möglichkeit einer beispiellosen Macht auf Weltebene eröffnen."

Rauchen ist ungesund

Tabak und Irak

Die Europäische Union hat ihre Vorwürfe illegaler Machenschaften von US-Tabakkonzernen mit einer Geldwäsche-Klage gegen den US-Zigarettenhersteller Reynolds ("Camel", "Winston") verstärkt. In der Klageschrift hält die EU dem Unternehmen auch Geschäfte mit der Mafia und dem Sohn von Saddam Hussein, Udai, vor.

Die EU beschuldigt Reynolds, Lieferungen in den Irak arrangiert zu haben. Dem Tabakkonzern wird auch vorgeworfen, in großem Stil und wissentlich Zigaretten an Kunden verkauft zu haben, die den Kauf nur zum Zweck der Geldwäsche vornahmen. So habe zum Beispiel die italienische Mafia Geld aus illegalen Geschäften in den Kauf von Zigaretten investiert.

Hintergrund ist eine wirtschaftliche Auseinandersetzung zwischen EU- und US-Unternehmen. Schon seit langem wirft die EU US-Zigarettenherstellern vor, sie beteiligten sich am Zigarettenschmuggel in der EU. Mit einer Klage gegen Reynolds, Philip Morris und Japan Tobacco auf Schadenersatz wegen des Schmuggels war die EU jedoch Anfang des Jahres in New York gescheitert. Das Gericht befand, nach US-Recht sei es nicht dafür zuständig, Zollforderungen anderer Staaten durchzusetzen. Es ist allerdings immer wieder interessant, durch solche innerkapitalistischen Auseinandersetzungen ein wenig mehr darüber zu erfahren, wie ernst die USA die Sanktionen gegen den Irak tatsächlich nehmen, wenn wirtschaftliche Interessen bedroht sind.