Und das war sicher erst der Anfang. Unter den 287 000 Demonstranten von Samstag machten mehrere zehntausend davon am folgenden Sonntag weiter. Die eingreifenden Bereitschaftspolizisten konnten nicht immer erfolgreich die blockierten Straβen freiräumen. In der Stadt Quimper verursachten sie sogar einen richtigen kleinen Aufstand.
Gegen Abgaben, Gebühren… und so weiter
Im Moment sind die zahlreichen Steuern der Grund für die Wut der Protestierenden. Mit Recht. Wer den Mindestlohn bezieht oder sogar ein Arbeitsloser ist, der zahlt soviel Steuern wie ein Millionär. Wenn die Regierung sich als Umweltfreund aufspielt und die Kraftstoffsteuer TICPE erhöht, zwingt sie tatsächlich die Geringverdiener dazu, zu Hause zu bleiben oder zu Fuβ zu gehen. Und so dürfen nur die Reichen die Umwelt verschmutzen.
Zu den Straβenblockaden : Der höhere Dieselpreis war nur der Tropfen zuviel in ein Meer von Unrecht. Dort klagte man auch über die maβlosen Mietpreise, die aus Kostengründen spärlich beheizten Wohnungen im Winter. Kurz : die zu hohen Lebenskosten wurden angeprangert. Man war sich mehr oder weniger bewusst, dass die Löhne, die Altersrenten und das Arbeitslosengeld erhöht werden mussten. « Leben, nicht überleben » war auf mehreren Transparenten zu lesen. Das ist aber nur möglich, wenn das monatliche Mindesteinkommen generell auf 1 800 Euro netto erhöht wird.
Weiter machen. Wie ?
«Mit einer groβen Demonstration Samstag in Paris », sagten die einen. »Mit Straβenblockaden während der ganzen Woche », antworteten die anderen. Und wieder andere sagten sogar »Schichtarbeit. In der Fabrik kennt man das ; man muss in Schichten kämpfen : 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Schlaf, 8 Stunden die Straβen blockieren ». Montag haben viele “Gelbwesten” gehofft, dass die Lastwagenfahrer sich der Protestbewegung anschlieβen und ihre Lastwagen quer über die Straβen stellen. Aber wenn die Bosse der Transportfirmen das Manöver steuern, ist es gut möglich, dass sie mit der Regierung einen saftigen Steuererlass auf Dieselpreise für sich vereinbaren und die Bewegung dann fallen lassen. Einige “Gelbwesten” sprechen offen von diesem Risiko.
Zu Recht denn die Verkehrsministerin Elisabeth Borne versucht genau das zu erreichen. Aber wenn die lohnabhängigen Lastwagenfahrer um bessere Löhne in den Streik treten, können sie sich der Streikwelle der Fabrikarbeiter anschlieβen, falls eine Streikbewegung viele Betriebe erfasst. Wer streikt hat auch Zeit, sich zu organisieren, Aktionen vorzubereiten und durchzuführen. Der Streik trifft das kapitalistische System, wo es ihm wirklich weh tut : Den Profit. Gewiss : Die Protestbewegung der “Gelbwesten” muss in einen Kampf aller Arbeiter münden. Einen solchen Kampf aber wollen die Unterstützer der Fabrikbosse wie Le Pen oder Wauquiez gar nicht.
Die Arbeiter müssen sich organisieren, um die Ultrarechte nicht paradieren zu lassen
Die Regierung spricht mit Verachtung von dieser angeblich unorganisierten Bewegung. Was sie stört ist das Fehlen eines Leaders, der sich klar identifizieren lässt, damit man mit ihm einen dubiosen Kompromiss schlieβen kann. Man kann sich nur darüber freuen. Aber siegen können die Arbeiter nur, wenn sie sich an die Spitze der Bewegung setzen und der Wut der Protestierenden Perspektiven eröffnen. Nur so kann man verhindern, dass Demagogen aus dem rechten und ultrarechten Lager diese Protestbewegung instrumentalisieren und für ihre Wahlpropaganda ausnutzen.
Die Arbeiter sollen sich organisieren und die Initiative ergreifen, vor allem in den Fabriken, wo sie täglich ausgebeutet werden. Mit der Gründung von Ausschüssen gegen die Teuerung könnten sie sich zugleich an die Spitze von Straβenblockaden setzen, Versammlungen und Treffpunkte organisieren : Mit Arbeitskollegen, aber auch mit isolierten Arbeitern oder Arbeitern aus den anderen Betrieben. Dabei könnten sie die Unbeteiligten zum Mitmachen veranlassen und den Streik vorbereiten. Mit roten Westen.
19. November 2018