Klartext 47: Notstand Demokratie

Egal wer am 4. Dezember neuer Bundespräsident wird: Wir sollten uns von der Hoffnung verabschieden, dass einer der beiden Herren irgendetwas für uns zum Besseren verändern wird. Und dass das Amt des Bundespräsidenten eher in eine Diktatur als eine Demokratie passt, sollten wir auch nicht vergessen. Der Leitartikel des aktuellen Klartext thematisiert die Bundespräsidentschaftswahl und die Geschichte dieses Amtes.

Immer weniger Menschen glauben, dass Wahlen etwas verändern können. Und das völlig zu Recht: zu oft haben wir die selben Wahlkampfspielchen mit denselben leeren Versprechungen erlebt. Dennoch hat die Bundespräsidentenwahl so stark polarisiert wie schon lange nicht mehr und viele Menschen setzen große Hoffnungen in „ihren“ Kandidaten.

Plötzlich ist von einem „gespaltenen“ Land die Rede. Gespalten ist Österreich jedoch schon lange: in ein „Oben“ und „Unten“. Während für uns das Leben immer schwieriger und teurer wird, werden die Reichen immer reicher. Die Politik hat dabei nicht nur brav zugesehen, sondern auch fleißig mitgemischt. Und Hofer und van der Bellen? In diesem Punkt haben sie keine Lösungen anzubieten. Mit den Privilegien der KapitalistInnen und ihrem Wirtschaftssystem will keiner von beiden in Konflikt geraten. Stattdessen werden vom einen Flüchtlinge als Sündenböcke in Stellung gebracht, der andere tritt offen für Neoliberalismus ein – und es wird die Illusion genährt, dass eine solche Wahl etwas Entscheidendes ändern könnte.

Präsident oder Diktator?

Das Amt des Bundespräsidenten wurde 1929 im Rahmen einer neuen, autoritären Verfassung geschaffen. Dabei wurde der Person an der Spitze des Staates sehr viel Macht zuerkannt. Wie gefährlich solche Entwicklungen sind hat sich nur ein paar Jahre später gezeigt: 1933 haben die Austrofaschisten um Dollfuß das Parlament ausgeschalten und im Februar 1934 wurde die Opposition endgültig mit Waffengewalt niedergeschlagen. Politische GegnerInnen und Andersdenkende wurden ermordet und in Lager gesteckt.

Aus dieser Zeit stammen die sehr weitgehenden Machtbefugnisse des Bundespräsidenten. So muss zum Beispiel eine neue Bundesregierung von ihm angelobt und Gesetze müssen von ihm unterschrieben werden. So können auch parlamentarische Mehrheiten blockiert werden. Noch gefährlicher ist aber das Recht den Nationalrat aufzulösen. Zwar müsste er danach Neuwahlen ausrufen. Aber wenn er das nicht tut? Abgesetzt werden könnte er nur auf Initiative des Nationalrats. Und wenn eben dieser bereits aufgelöst wurde? Dann könnte sich der Präsident etwa auf sein „Notverordnungsrecht“ berufen und komplett autoritär und ohne Kontrolle regieren.

Notstand Demokratie

Seit 1945 war die politische Entwicklung und ökonomische Situation in Österreich stabil genug, um ein solches Szenario zu verhindern. Heute wird das politische Klima allerdings immer rauer und eine Lösung der Wirtschaftskrise ist nicht in Sicht. Insofern hat Norbert Hofer schon recht, wenn er meint: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich sein wird.“ Wenn wir uns in der Welt umschauen wird deutlich, dass autoritäre Regime und Herrscher am Vormarsch sind (Putin in Russland, Erdogan in der Türkei, Orban in Ungarn). Und auch im „demokratischen“ Frankreich regiert Präsident Hollande seit fast einem Jahr mittels „Ausnahmezustand“.

In Österreich wurde vor kurzem ein neues Notstandsgesetz beschlossen, angeblich, weil ab dem 37 501. Flüchtling die öffentliche Ordnung bedroht ist. In Wahrheit bereitet dieses Gesetz etwas ganz Anderes vor. Eine „Notverordnung“ kann für die Herrschenden in allerhand Situationen genehm sein. Etwa wenn im Gesundheitssystem oder bei den Pensionen wieder einmal gekürzt werden soll, kann man das als „Notfallmaßnahme“ besser rechtfertigen. Oder wenn nach einer neuen Banken- und Wirtschaftskrise tausende neue Arbeitslose gegen die Regierung und für ihr Überleben demonstrieren, kann mittels Ausnahmezustand schnell versucht werden das zu unterbinden. Zu autoritären Schachzügen dieser Art passt das Amt des Bundespräsidenten – viel Macht, wenig Kontrolle.

Das alles zeigt: Unsere Interessen werden in diesem ökonomischen und politischen System mit Füßen getreten. Mit Demokratie – „der Herrschaft des Volkes“ – hat das alles nichts zu tun. Mitbestimmung ist in der Geschichte immer gegen die Herrschenden von unten erkämpft worden. Um unsere Interessen zu wahren werden wir uns etwas Anderes überlegen müssen, als ein Kreuzerl bei Hofer oder van der Bellen zu machen.