Auf der Suche nach Sündenböcken

Allein seit Beginn dieses Jahres starben mehr als tausend Menschen beim Versuch die europäischen Grenzen zu überwinden um Krieg, Verfolgung oder Armut zu entgehen. In der aktuellen Vorderseite, die wir gemeinsam mit der SAS vor Berliner Betrieben verteilen, fordern wir ein solidarisches Miteinander und wenden uns gegen die Ursachen der Flucht. Immer mehr Menschen fliehen nach Europa und Deutschland um Krieg, Diktatur und Rassismus zu entkommen. Verfolgt von faschistischen Gruppierungen und der Polizei fliehen Sinti und Roma aus Osteuropa. Die Armut im Kosovo zwingt hunderttausende junge Menschen, ihr Land zu verlassen. Diktaturen und Kriege in Ägypten, Syrien, Iran, Mali und so weiter vertreiben die Menschen aus diesen Ländern. Die Welt in der wir leben ist für Millionen ein beständig gefährlicherer Ort geworden.

Angst und Hass

Die Lage der Welt ist eine menschliche Katastrophe. Doch anstatt dass dies Mitgefühl auslöst, sehen PEGIDA und Co. vor allem Kosten: „wir sind nicht die Sozialhilfe der Welt!“ schreien diese Aktivisten. So spielen sie mit der Angst der Arbeiter, ihre Job zu verlieren oder dass die Krise weiter die Löhne und Arbeitsbedingungen sinken lässt. In den Flüchtlingen haben die einfach Gestrickten von PEGIDA einen Schuldigen, auf den sie ihre ganze Wut entladen können. Statt der bedrohlichen Zukunft der bedrohliche Fremde.

Die Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime haben zugenommen. Letztes Jahr gab es durchschnittlich jeden Tag einen Protest gegen Flüchtlinge. Mit ihnen steigt auch die Zahl der Übergriffe auf Heime und Flüchtlinge, allein 47 dieses Jahr (69 im gesamten Jahr 2014). So kam es nach PEGIDA Demonstrationen zu gewalttätigen Angriffen auf einen Libyer während „Ausländer raus!“ skandiert wurde. In Tröglitz ist nach einem Brandanschlag das Haus unbenutzbar.

Freund und Feind

Bei aller Wut gegen „die da oben“, Politik und Medien, glauben die PEGIDAs in diesem Land doch ganz schön viel von dem, was ihnen den lieben langen Tag erzählt wird. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, warnte vor einer „islamistischen Partei“ und Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) forderte wiederum die Einsetzung einer Sondereinheit der Polizei gegen die „Kriminalität von Asylsuchenden“. Chefökonom Hans-Werner Sinn warnt vor der Armutsflucht nach Deutschland.

Sowohl Sigmar Gabriel (SPD) als auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) oder auch Gregor Gysi (Die Linke) – man will die „Sorgen der Bürger“ ernst nehmen. Diese Heuchelei verwundert nicht. Schließlich war es ihre Politik, die diese fremdenfeindliche Stimmung erst vorbereitet hat.

Wenn Kanzlerin Merkel sich von diesen Protesten abgrenzt, dann weil sie sich wünscht, dass sich die Arbeiter_innen in Ruhe und Ordnung ausbeuten lassen. Die Sprecherin der geizigen Arbeitgeber, die Große Koalition, erklärt, dass nur hochqualifizierte Arbeiter in Deutschland willkommen wären. Sie handeln mit Menschen nicht anders als mit Waren: es muss rentabel sein!

Verantwortung

Es sind nicht diejenigen verantwortlich, die fliehen, sondern es sind die Regierungen und die Interessen der Kapitalist_innen, die Kriege vorantreiben und von der extremen Armut in diesen Ländern profitieren. Dieselben Konzerne, die auch hier Ausbeutung vorantreiben.

Es sind deswegen auch die Kosten dieser Konzerne, die Konsequenz ihrer Politik, die jetzt in Deutschland deutlich sichtbar werden. Es geht um die soziale Versorgung all derer, die die Politik der Konzerne zur Flucht getrieben hat. Selbst die Preise für Container-Bauten steigen seit kurzem, um sich am gestiegenen Flüchtlingsaufkommen eine goldene Nase zu verdienen. Viele Menschen zeigen sich solidarisch und würden Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen wollen. Das ist eine – wertvolle! – Reaktion auf eine Politik, die nicht willens oder fähig ist, auch nur die geringste Verantwortung für die soziale Notlage zu übernehmen, die sie beständig selbst erzeugt. Die Konsequenzen werden einfach nach unten weitergegeben.

Die Regierung versucht, die Flüchtlinge in Heime zu sperren und sie von uns abzugrenzen. Statt dessen wäre es notwendig, sie mit uns leben und arbeiten zu lassen. Statt Container und Heime benötigen wir neuen sozialen Wohnungsbau! Und das auf Kosten der Reichen! Warum sollen nicht diejenigen bezahlen, die bisher profitiert haben?

Wie wir sind die Flüchtlinge von dieser Gesellschaftsordnung ausgebeutet. Das Problem sind nicht die Flüchtlinge, sondern dieses System, das Flüchtlinge erzeugt.