Zum Schauprozess gegen die 13 TierrechtlerInnen

Am 24.1. wird der Prozess gegen die 13 österreichischen TierrechtsaktivistInnen fortgesetzt. Der Plan der Justiz, das „Mafia-Verfahren“ als Schauprozess zu gestalten, ist in den letzten Wochen gehörig in die Hose gegangen…

Bereits seit 63 Verhandlungstagen müssen sich die AktivistInnen vor dem Landesgericht Wiener Neustadt verantworten. Für ProzessbeobachterInnen bestand von Anfang an der Eindruck, als wäre das Urteil längst gefällt. Und das, obwohl trotz großem Lauschangriff, Telefonüberwachungen, Kontoüberwachungen, Einsatz einer verdeckten Ermittlerin, Einsatz von Peilsendern, 30 Hausdurchsuchungen etc. über Monate hinweg keinerlei konkrete Beweise für Straftaten vorgelegt werden konnten.

Kein Problem für den Staatsapparat, so wurden die 13 AktivistInnen eben nach dem Gummi-Paragraphen 278a („Bildung einer kriminellen Organisation“) angeklagt. Von einem fairen Verfahren kann – selbst nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechtsstaats – schon lange nicht mehr gesprochen werden.

Eine Farce in 63 Akten

Da ist zum Beispiel der Umstand, dass den Angeklagten und ihrer Verteidigung noch immer keine volle Akteneinsicht gewährt wird, obwohl diese Praxis der Polizei bereits in zwei Gerichtsbeschlüssen als Rechtsverletzung bezeichnet worden ist. Äußerst bezeichnend ist auch das Verhalten der Richterin Sonja Arleth, die Fragen nicht zulässt oder potentiell unangenehme entlastende Antworten umschifft. Selbst namhafte VertreterInnen der bürgerlichen Rechtsprechung kritisieren mittlerweile die Prozessführung dieser Provinzrichterin, für die wohl der Bergriff „Befangenheit“ noch schmeichelhaft ist.

So meint etwa Grundrechte-Experte Bernd-Christian Funk, „Der Rechtsstaat“ sei „hier nicht mehr einwandfrei erkennbar“. Und Petra Velten, Leiterin des Instituts für Strafrechtswissenschaften an der Uni Linz stellt fest: „Dass die Angeklagten hier einen fairen Prozess erhalten, kann man kaum mehr glauben.“ Und weiters: „Ich hätte gedacht, wir hätten die Inquisition längst hinter uns gelassen“. Das Nachrichtenmagazin Profil beschreibt, wie Arleth immer wieder „wie ein Knirps vor dem Süßigkeitenregal tobt“.

Doch was von bürgerlichen Medien als Unfähigkeit präsentiert wird, ist in Wirklichkeit nur ein Ausdruck von Klassenjustiz. So zeigt die Richterin mit für die Anklage juristisch völlig irrelevanten Fragen wie „ist ihre Einstellung, die Gesellschaft zu einer veganen Gesellschaft zu machen?“ nur, was sie politisch von den AktivistInnen hält. „Die Richterin betont immer wieder, dass dies kein politischer Prozess ist“ erzählte uns ein Angeklagter von der BAT (Basisgruppe Tierrechte). Doch, so der Aktivist, ginge es in „diesem Prozess (…) einerseits immer wieder um Fragen der politischen Einstellung, etwa ob Angeklagte für oder gegen die Jagd sind, andererseits sind die verhandelten Straftaten politisch motiviert.“

Wenn die Richterin oder die Staatsanwälte von „Gewalt“ sprechen, was sie permanent tun, verstehen sie darunter in der Regel die „Gewalt“ von TierrechtsaktivistInnen gegen Sachen, nicht aber die Gewalt von PolizistInnen der Sondereinheit WEGA, die rambo-mäßig in StudentInnen-WGs eindringen. „Die eigentlichen Gewalttäter, etwa die Schweinemäster, deren tägliches Brot Gewalt gegen Tiere ist, oder Jäger die bei einer Jagdstörung AktivistInnen verprügeln, werden hier als Opfer von Gewalt präsentiert. Diese Gewalt etwa, oder die Gewalt die von der Polizei ausgeübt wurde, darf vor Gericht nicht thematisiert werden. Sie wird totgeschwiegen oder verharmlost und relativiert“ erklärt der BAT-Aktivist.

„Danielle Durand“ spielt James Bond

Eine weitere bizarre Facette wurde dem Prozess mit dem Bekanntwerden des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin mit dem kreativen Decknamen „Danielle Durand“ hinzugefügt. Über 16 Monate hatte die Polizistin James Bond gespielt und die Tierrechtsszene beobachtet. Dabei ging sie sogar ein sexuelles Verhältnis mit einem der Angeklagten ein. Dass ihr Einsatz in den Berichten der „Soko Bekleidung“ (dazu weiter unten) mit keinem Wort erwähnt wird, ist ein weiteres Indiz für den Schauprozess-Charakter dieses Verfahrens. Denn Durand, die bei mehr als 200 Veranstaltungen und Aktionen mit von der Partie war, hätte mit ihren Aufzeichnungen die Angeklagten massiv entlastet! So ist etwa im Strafantrag bezüglich einer Jagdsabotage von aggressiven AktivistInnen die Rede. Durand hingegen berichtete ihren Vorgesetzten von „feindseligen“ Jägern, die auf eben jene AktivistInnen geschossen haben.

Eigentlich hätten die Aussagen von Durand im Prozess zur Verfügung stehen müssen, doch „vergaß“ die Polizei, die Information über die Ermittlerin – deren Einsatz ab Jänner 2008 sogar illegal war – weiterzugeben. Nur durch einen Zufall wurde ihre Existenz beim Aktenstudium aufgedeckt.

Pikant auch die Tatsache, dass die Ermittlerin gegenüber AktivistInnen selbst angeregt hatte, Codeworte oder e-Mail-Verschlüsselung zu verwenden – also Maßnahmen, die den Angeklagten jetzt zur Last gelegt werden (was an sich schon unglaublich ist, viele große Unternehmen verwenden Mail-Verschlüsselung…). Dass, so wie es aussieht, der Einsatz der Spionin rechtlich nicht gedeckt war verwundert uns kaum und ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie ernst der bürgerliche Staatsapparat seine eigenen Maximen nimmt, wenn es darum geht, unliebsame AktivistInnen hinter Gitter zu bringen.

Bürgerliche Klassenjustiz

Und hier kommen wir auch schon zum springenden Punkt: Wenn selbst konservative Zeitungen wie die „Presse“ mittlerweile sehr kritisch über den „Tierschutzprozess“ berichten, zeigt dies, dass dieses Verfahren (und die gesamte Ermittlung gegen die Szene) selbst den bürgerlichen Kriterien nicht entspricht. Aber juristische Begriffe wie „Befangenheit“, die nun in der medialen Berichterstattung ins Spiel gebracht werden sind irreführend, denn sie implizieren, dass RichterInnen in der bürgerlichen Gesellschaft normalerweise unbefangen wären. Doch jeder Mensch ist von seiner Umwelt und seinen Erfahrungen beeinflusst – „Objektivität“ gibt es nicht.

Der Glaube an eine „faire“ Justiz ist Unsinn, der durch die Loslösung der abstrakten Form von ihrem konkreten sozialen Inhalt entsteht. Soll heißen: Abstrakte „gleiche Rechte für alle“ können in einer ökonomisch ungleichen Klassengesellschaft immer nur eine Fortschreibung der Ungleichheit sein. Es ist ja fein, dass das Eigentumsrecht von Karli Huber aus dem Gemeindebau auf seine Zahnbürste genauso geschützt wird, wird jenes von Dietrich Mateschitz auf die Red Bull GmbH. Nur kann ersterer damit halt „nur“ Zähne putzen während letzterer damit den Mehrwert der ArbeiterInnen abschöpfen kann, die er entlohnt.

Im vorliegenden Fall muss aber nicht einmal so abstrakt argumentiert werden. Zu offensichtlich sind hier die höchst persönlichen Verbindungen von Pelz-Kapitalisten zu Vertretern des Staatsapparates. Anders ist es nicht zu erklären, dass nur einen Tag nachdem am 4. April 2007 die PKW von Peter und Werner Graf, der beiden Besitzer der Bekleidungskette „Kleiderbauer“ mit Lack beschädigt worden waren (zwei von rund 4500 „schweren Sachbeschädigungen“ jährlich) ein Treffen zwischen den Graf-Brüdern und den Spitzen von Wiener Polizei und Verfassungsschutz stattfand (Quelle). Fünf Tage später wurde bereits die berüchtigte Soko (Sonderkommission) Bekleidung gegründet, die schließlich die Ermittlungen ins Rollen brachte. Tja, so schnell kann's gehen mit Vitamin B.

Solidarität mit den Angeklagten!

Wie der „Tierschutzprozess“ enden wird, lässt sich schwer prognostizieren. Positiv ist sicher, dass in den letzten Wochen ein deutlicher Umschwung in der öffentlichen, d.h. in der veröffentlichten Meinung stattgefunden hat. Auch ein großer Teil der Bevölkerung hat kein Verständnis für dieses juristische Kasperletheater während gleichzeitig staatlicherseits nichts gegen die Kapitalisten Grasser, Meischberger und Co. unternommen wird. Möglicherweise werden die Angeklagten doch freigesprochen. Nichtsdestotrotz wurde ihnen durch diesen Monsterprozess bereits jetzt erheblicher finanzieller und psychischer Schaden zugefügt.

Letztlich ist dieser Prozess auch ein Fingerzeig des Staatsapparates gegenüber politischen AktivistInnen verschiedenster linker Strömungen. Legt euch nicht mit der gesellschaftlichen Ordnung an, sonst machen wir euch fertig! Doch die Betroffenen geben nicht auf. Wir von der RSO sprechen ihnen – ungeachtet aller politischen Differenzen – unsere unbedingte Solidarität aus!

 

Zum Weiterlesen:

RSO-Interview mit den TierrechtsaktivistInnen: „Solidarität ist wirklich eine Waffe!“

Über den Paragraph 278: Bedroht werden TierrechtsaktivistInnen, gemeint sind wir alle!

Alle Aktennotizen von „Danielle Durand“: