Solidarität mit den KollegInnen vom Kino Babylon!

Die Beschäftigten des Kino Babylons in Berlin Mitte kämpfen schon seit Monaten für bessere Arbeitsbedingungen. Eine klassenkämpferische Ausrichtung erhält der Arbeitskampf vor allem deshalb, weil die FAU (Freie ArbeiterInnen Union) eine zentrale Rolle spielt. Zu kämpfen haben die ArbeiterInnen und ihre UnterstützerInnen mit massiver Repression, die vor allem von der (Klassen-)Justiz ausgeht. Wir führten ein Interview mit einem der Beteiligten.

 Dieses Interview soll dazu beitragen, die Klassenkämpfe im Kino Babylon auch außerhalb Berlins publik zu machen und Solidarität für die ArbeiterInnen und GenossInnen im (Klassen-)Kampf aufzubauen. Auch wenn wir deutliche politische Differenzen von den anarcho-syndikalistischen Vorstellungen der FAU haben, ist es uns wichtig, Solidarität mit den ArbeiterInnen des Babylons und den GenossInnen der FAU  zu zeigen! Das Interview führten wir mit Lars Röhm. Lars ist Sprecher des „Solidaritätskomitees für Gewerkschaftsfreiheit“ und Mitglied der FAU Berlin.

 

Felix Fischer: Der Ausgangspunkt des aktuellen Konflikts waren die Zustände im Kino Babylon in Berlin Mitte. Wie viele Menschen arbeiten dort und wie war die Ausgangssituation dort bezüglich Arbeitsbedingungen, Löhnen, etc.?

Lars Röhm: Die Arbeitsbedingungen waren, was die Löhne betrifft, vor allem für das Einlass- und Kassenpersonal sehr schlecht. Dort lag der Lohn zwischen 5,50 – 6,00 € pro Stunde, ein Teil der Arbeitsplätze waren auch 400 € Jobs. Die FilmvorführerInnen bekamen 8 € die Stunde, netto blieb davon allerdings auch nur ein durchschnittlicher Lohn von 6,40 €.

Zudem gab es auch immer mehr befristete Verträge, die wegen einer „hire and fire“ Einstellungspolitik oftmals nicht verlängert wurden, d.h. es gab viele KollegInnenwechsel. Zu Beginn des Konflikts arbeiteten 30 KollegInnen im Kino Babylon, im Moment sind es nur noch 17.

Wie kam es zu diesem Rückgang? Sind die Leute von selbst gegangen oder wurden sie von der Geschäftsleitung dazu gedrängt?

Teilweise wurden Arbeitsverträge nicht verlängert, teilweise sind KollegInnen unter Druck der Geschäftsleitung „von selbst gegangen“, so z.B. auch eine aktive Betriebsrätin. Zudem wurde natürlich auch der Druck auf die KollegInnen insgesamt größer und das Geschäftsklima „ungemütlicher“, je mehr politische Aktivität an den Tag gelegt wurde.

Gab es einen Auslöser für den Konflikt und wie war der Verlauf zu Beginn?

Ein viel und oft zitierter Ausgangspunkt ist die Kündigung eines Mitarbeiters, der angeblich  Einlass-Karten falsch abgerissen haben soll. Auf Nachfrage teilte die Geschäftsleitung mit, dass es einfacher sei, neue Leute einzustellen, als ihm zu zeigen, wie das richtig gemacht wird. Schließlich kam es zu einem Vergleich und er erhielt noch einige Monatsgehälter ausgezahlt, nachdem er sich gegen die Kündigung wehrte.

Zuvor hatte der Kollege einen offenen Brief an Belegschaft und Geschäftsleitung geschrieben, in welchem er eine Diskussion über Missverständnisse im Betrieb wünschte. Auch das zeigt wieder, dass politische Aktivität immer öfter ein Kündigungsgrund wird. Bald danach hat sich ein Betriebsrat gegründet, worüber sich die Geschäftsleitung ebenfalls wenig erfreut zeigte.

Die FAU hat den Arbeitskampf ja maßgeblich mitgetragen bzw. tut das immer noch. Gab es daneben auch noch andere Organisationen, die eine Rolle spielten, wie z.B. die großen Gewerkschaften? Wie sieht es denn mit dem Rückhalt in der Belegschaft für die klassenkämpferische Politik der FAU aus?

Zunächst wandten sich einige KollegInnen an ver.di, um Unterstützung zu erhalten, wobei sich allerdings keinerlei Resonanz ergab. Das „Umgucken“ nach gewerkschaftlicher Hilfe lag auch darin begründet, dass der Betriebsrat erkannte, dass seine Handlungsmöglichkeiten ohne weitere Unterstützung und Vernetzung nicht ausreichten, um die Probleme im Kino Babylon erfolgversprechend anzugehen.

Die FAU hingegen hatte schon zuvor den Kollegen, der wegen dem Ticket-Abreißen gefeuert worden war, während seinem Prozess unterstützt, und so wandten sich die Beschäftigten an uns. Das führte dazu, dass die FAU den Arbeitskampf im Wesentlichen alleine getragen hat. Dabei haben wir uns immer darum bemüht, einen Rückhalt über die eigene Mitgliedschaft hinaus zu bekommen, z.B. durch eine breite und offene Diskussion innerhalb der Belegschaft über die Tarifforderungen.

Als ver.di dann sah, dass die Proteste im Kino Babylon eine klassenkämpferische Ausrichtung entwickelten, kam es dann doch zu einer Intervention. Im Zuge dessen wurde auch ein Tarifvertrag abgeschlossen. Was sind die Eckpunkte dieses Vertrages und wie ist dieser zu bewerten?

Der Tarifvertrag  kommt vor allem die Kassen- und Einlasspersonal zu gute, wo die Löhne auf immerhin 7,64 € steigen, für die FilmvorführerInnen beträgt die Lohnerhöhung ca. 1 €. Insgesamt blieben die Löhnerhöhungen damit aber deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. Gleichzeitig ist die Gültigkeit des Vertrags an die Subventionen des Berliner Senats gekoppelt, was zur Folge hat, dass mit einer möglichen Kürzung dieser Zuschüsse die Löhne sofort wieder gedrückt werden können. Zudem wurden einige Dinge wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld aus dem Vertrag ausgeklammert und sollen noch separat verhandelt werden, allerdings nur als Bonus für ver.di-Mitglieder. Der Tarifvertrag ist also sehr mau und deutlich unter unseren Erwartungen.

Wie ist ver.di dabei vorgegangen? Gab es Bestrebungen, den Arbeitskampf abzuwürgen?

Die Rolle ver.dis war durchaus alles andere als solidarisch! Dass sie sich in den Konflikt eingeschaltet hatten, mussten wir aus der Presse erfahren, das gleiche gilt auch für ver.di-  Mitglieder im Betrieb, mit denen nichts abgesprochen wurde. Die Verhandlungen liefen dann entgegen den Willen der Belegschaft ohne unsere Teilnahme ab. Dabei ist mein persönliches Gefühl, dass ver.di hier trotz anfänglich anderer Rhetorik genau das auch favorisiert hatte. Es wurden also sowohl Leute übergangen, als auch Dynamiken ausgebremst.

Es folgten dann die gerichtlichen Verbote. Wie genau urteilten denn die Gerichte und was für Konsequenzen hat das?

Das Gericht erließ per einstweiliger Verfügung ein Verbot gegen die Arbeitskampfmaßnahmen, im Speziellen gegen den Boykottaufruf, zu den wir aufgerufen hatten, und anschließend wurde der FAU untersagt, sich als Gewerkschaft zu bezeichnen. Der Ausgangspunkt war eine Klage der Geschäftsleitung.

In der Urteilsbegründung des Gerichts hieß es dann, dass die basisdemokratische Organisation der FAU gegen ihre Tariffähigkeit spräche. Damit zeigte das Gericht eindeutig, dass es nur bürokratisch, hierarchisch organisierte Organisationen als zulässig ansieht, also ein eindeutiges Zeichen der politischen Justiz! Auch die großen Gewerkschaften schienen hier lediglich daran interessiert, ihr gewerkschaftliches Monopol zu sichern.

Das Verbot, sich Gewerkschaft zu nennen, behindert vor allem das Tagesgeschäft, also z.B. die Unterstützung von KollegInnen im Betrieb, die organisatorische Verankerung auf betrieblicher Ebene, Rechtsbeistand, etc. Wie genau es mit Tariffähigkeit aussieht, ist im Urteil nicht eindeutig festgelegt.        

Hier in Berlin gab es eine Solidaritätsdemo mit den Beschäftigten des Kino Babylons und gegen das Urteil des Gerichts, an der sich ja auch die RSO Berlin beteiligte. Gab es außerhalb Berlins ebenfalls Soliaktionen?

Interessant ist, dass es in der BRD recht wenig Solidarität gezeigt wurde. Ganz anders sieht die Situation international aus, wo viele GenossInnen fassungslos über das Urteil waren und sind. In Italien z.B. muss nur ein Statut beim/bei der NotarIn hinterlegt werden und es muss eine offizielle Gründung geben, um offiziell als Gewerkschaft arbeiten zu können, dort wäre ein solches Verbot  undenkbar.

Vor allem in Ländern, wo Basisgewerkschaften traditionell eine wichtige Rollen gespielt haben oder immer noch spielen, gab es Zeichen der internationalen Solidarität und das Verbot hat viel höhere Wellen geschlagen. Es gab z.B. in Frankreich, Spanien, Italien, Russland, Bangladesch und Japan Solidaritätsaktionen.

Bedenklich ist, dass dieses Verbot der nächste Exportschlager aus Deutschland werden könnte, denn gerade im europäischen Raum wird ja der Prozess der Vereinheitlichung vorangetrieben. Kämpferische, basisdemokratische Gewerkschaften aus dem Weg zu räumen, ist sicherlich nicht nur deutschen Geschäftsleitungen ein Anliegen.

Wie schätzt du generell die Möglichkeiten von kleinen, linksradikalen Organisationen / Gewerkschaften ein, sich in einem offen ausgetragenen Arbeitskampf gegen den neoliberalen Mainstream zu behaupten? Was ist deiner Meinung nach die richtige Vorgehensweise für antikapitalistische Gewerkschaften, solange sie sich weitgehend  in gesellschaftlicher Isolation befinden? 

Ich denke, es ist gerade jetzt wichtig, offensiv vorzugehen, denn wenn wir jetzt klein beigeben, ist der Kampf verloren. Sicherlich ist es nicht in jeder Situation möglich, offen in Kämpfe zu intervenieren, aber generell halte ich es für elementar wichtig, offensiv in Arbeitskämpfe einzusteigen und kämpferische, basisdemokratische Gewerkschaften zu etablieren. Ein offener Umgang mit den antikapitalistischen Forderungen ist der einzige Weg aus der gesellschaftlichen Isolation.

Was für Möglichkeiten siehst du für die kommende Zeit? Wie schätzt du die Möglichkeit eines juristischen Erfolgs auf höheren Instanzen ein? Und welche Perspektiven gibt es für den Arbeitskampf im Kino Babylon?

Zunächst zum Juristischen: Wir sind entschlossen, den Prozess bis zu den höchsten Instanzen durchzubringen. Gleichzeitig wollen wir das Verfahren politisch flankieren. Die Entscheidungen der Gerichte hängen dabei ganz wesentlich von den entscheidenden RichterInnen ab, da es in diesem Fall kein festgeschriebenes Gesetzt gibt und der Ermessenspielraum groß ist.

Im letzten Prozess haben wir sehr deutlich gemerkt, dass uns auch politischer Gegenwind entgegen wehte. Deshalb ist es absolut notwendig, während des Prozesses an der politischen Stellschraube zu drehen und dort Druck aufzubauen.

Im Kino selbst ist der Druck auf unsere Mitglieder und UnterstützerInnen  immer noch sehr groß und wir sind bemüht, unseren GenossInnen den Rücken zu stärken. Betrieblich gilt zu Zeit der ver.di Tarifvertrag. Allerdings stehen in nächster Zeit Betriebsratswahlen an und dort werden wir versuchen, uns offensiv einzubringen. Zudem sollen die Themen, die im bestehenden Vertrag ausgeklammert wurden, im Oktober nach-verhandelt werden. Dann werden wir sehen, wie präsent wir dort sind und wie viel Druck wir auf ver.di ausüben können.

Wir wünschen euch viel Erfolg in eurem Kampf! In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!