Frankreich: Der Kampf um die LehrerInnen

Wenn es nach der französischen Regierung geht, dann sollen ab dem Schulbeginn 2008 insgesamt 11200 Posten im Bildungssektor abgebaut werden. Doch die SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen lassen sich diesen Bildungsraub nicht so einfach gefallen.

Der Stellenabbau, der vor allem die Mittel- und Oberschulen, aber auch die Kindergärten und Grundschulen betrifft, ist Teil eines Programms, mit dem die Regierung Sarkozy den öffentlichen Sektor totsparen will. Insgesamt soll dabei von zwei BeamtInnen, die in Pension gehen, nur noch eineR nachbesetzt werden. Was die LehrerInnen betrifft, so sollen bis 2012 insgesamt 80000 Stellen wegfallen.

Nachdem im vergangenen Herbst die StudentInnen gegen das Uni-Autonomiegesetz demonstriert hatten, sind nun also die SchülerInnen an der Reihe, ihre Wut gegen eine Verschlechterung ihrer Lernbedingungen auf die Straße zu tragen. Seit Mitte März finden im ganzen Land wöchentlich mehrere Demonstrationen statt und trotz der Ferien in einigen Regionen steigt die Anzahl der TeilnehmerInnen unaufhörlich.

Mitentscheidend für das Ausmaß der Proteste war sicherlich auch folgende provozierende Aussage des Bildungsminister Xavier Darcos anlässlich eines Radiointerviews: „Wir werden 10000 Posten nicht nachbesetzen… Nehmen wir an beim nächsten Schulbeginn wären es 10000 mehr. Können Sie mir sagen, was das ändert?“

Selbstverständlich fällt es Leuten wie Darcos schwer einzusehen, was es für Konsequenzen hat, wenn in einer Schule auch nur zwei oder drei LehrerInnen weniger unterrichten. Denn wer die nötigen Mittel hat, kann seine Kinder jederzeit in Privatschulen erziehen lassen, in denen die SchülerInnenanzahl pro Klasse vernünftig ist und ausreichend Lehrpersonal für Nachhilfeunterricht vorhanden ist. Doch die große Mehrheit der französischen Kinder und Jugendlichen wird bereits jetzt in Klassen mit bis zu 35 SchülerInnen gepfercht. Dass das Lernen unter diesen Umständen schwerer fällt, ist verständlich. Abgesehen davon, dass in vielen Schulen Klassen verstärkt zusammengelegt würden, würde der geplante Stellenabbau auch eine Kürzung der Unterrichtszeit zur Folge haben. Das bedeutet einerseits eine Streichung von Fächern und andererseits eine Verringerung der Betreuungszeit, was wiederum vor allem dort ein Problem ist, wo beide Eltern berufstätig sind und sie es sich nicht leisten können jemanden zu bezahlen, der nach der Schule die Betreuung übernimmt. Diese Leute wohnen nicht wie Darcos oder Sarkozy in den schicken Wohngegenden von Paris, sondern in den ArbeiterInnenvierteln Frankreichs.

Deshalb ist es nur zu verständlich, dass auch die Eltern mobilisiert sind und bei Demos sowie Schulbesetzungen und anderen Protesten mit dabei sind. Von einem Fernsehsender befragt, zeigte sich eine Mutter kürzlich beeindruckt über das Engagement der Jugendlichen, „die um ihre Lehrer kämpfen“. Das Lehr- und Verwaltungspersonal wiederum hat allen Grund für den Erhalt aller Posten zu kämpfen. Denn das Fehlen von Arbeitskräften hat unweigerlich eine Mehrarbeit zur Folge, die vom verbleibenden Personal übernommen werden muss. Und um die Verrichtung der Arbeit überhaupt möglich zu machen, hat das Bildungsministerium bereits die Einführung von Überstunden angekündigt. Das bedeutet eine Überbelastung, unter der sowohl die einzelnen LehrerInnen als auch die Erziehung im Allgemeinen leiden würde.

In einzelnen Akademien (überregionale Schulbehörden) hat der gemeinsame Protest von LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen bereits das Versprechen erkämpft, dass manche gefährdete Stellen erhalten bleiben. Doch leider bedeuten diese Zusagen nur, dass die Anzahl der Lehrenden in anderen Schulen verringert wird. Das Ziel des Kampfes muss deshalb sein, alle Stellen zu erhalten und darüber hinaus die Budgetmittel für Bildung zu erhöhen.

Denn es ist alles eine Frage der Priorität. Wenn die PolitikerInnen einem via Medien die Ohren voll weinen von wegen Loch im Staatshaushalt, dann vergessen sie nur allzu gern mit welcher Freude sie ihrer Klientel von Wirtschaftbossen die Taschen voll gestopft haben. Die Lohnabhängigen hingegen werden doppelt zur Kasse gebeten: zuerst müssen sie für die Steuergeschenke und andere Subventionen aufkommen und dann sollen sie auch noch mit dem Verzicht auf Bildung bezahlen.