Leonard Peltier: Ohne Beweise seit 28 Jahren hinter Gittern

Seit nun bereits 28 Jahren sitzt der US-IndianerInneneraktivist Leonard Peltier im Gefängnis. Weder hat er Aussicht auf Amnestie durch das Weiße Haus, noch wagen die Gerichte aus Angst vor einem Freispruch, den Fall wieder aufzurollen. Sein 60. Geburtstag im September wird nicht der letzte gewesen sein, den er im Gefängnis verbringen musste. Seine Schuld wurde aber nie bewiesen …

Der 1944 in North Dakota geborene Anishinabe-Indianer Leonard Peltier kam bereits früh wegen kleiner Delikte mit dem Gesetz in Konflikt und wurde von den Behörden diskriminiert. Daraufhin beschloss er, sich dem American Indian Movement (AIM) anzuschließen und für die Rechte seines Volkes zu kämpfen.

Das AIM

Das 1968 in Minneapolis als Dachorganisation der IndianerInnenverbände gegründete AIM sollte die bestehenden Organisationen zusammenführen und so ihre Schlagkraft stärken. Es war, ähnlich wie die afro-amerikanische "Black Panther Party", eine Widerstandsbewegung, die sich gegen die Unterdrückung der nordamerikanischen UreinwohnerInnen durch die Regierungen von Kanada und den USA zur Wehr setzte. Mit Großdemonstrationen und Besetzungen, u.a. des Gefängnisses Alcatraz, sollte das Interesse auf die Anliegen der IndianerInnen und ihrer Organisation gelenkt werden. Ihre Hauptforderung war, angelehnt an die der afro-amerikanischen BürgerInnenrechtskämpferInnen, eine finanzielle Entschädigung für den Verlust indianischen Landes in den Jahrzehnten und Jahrhunderten seit der Besiedelung Nordamerikas.

Situation in den Reservaten

In den Reservaten herrschte zu dieser Zeit Korruption und Unterdrückung. Ihre Führung wurde nicht von den BewohnerInnen selbst gewählt, die Posten besetzte das Bureau of Indian Affairs (BIA) – eine Regierungsbehörde für alle Angelegenheiten der UreinwohnerInnen – mit regierungsloyalen IndianerInnen. Als Beispiel für die damalige Situation sei das Indianer-Reservat Pine Ridge in South Dakota genannt, wo bürgerInnenkriegs-ähnliche Zustände vorherrschten: Häuser wurden ausgeraubt und in Brand gesteckt, kritische BewohnerInnen bedroht und in wenigen Jahren über 400 Menschen ermordet aufgefunden, ohne, dass ihre Todesursache von offizieller Seite jemals näher untersucht wurde. Aus diesem Grund riefen einige Stammesälteste das AIM zu Hilfe.

Etwa drei Dutzend Männer, Frauen und Kinder wurden vom AIM entsandt und errichteten ihr Lager auf dem Gebiet der Jumping-Bull-Ranch. Unter den AktivistInnen war auch Leonard Peltier. Von Anfang an wurde von Seiten des CIA und der FBI versucht, die Arbeit des AIM zu behindern.

Der 26.06.1975

Am 26. Juni 1975 kamen die FBI-Agenten Jack Coler und Roland Williams auf das Gelände des Zeltlagers. Offizieller Grund für den "Besuch" war die Verfolgung des roten Pickup-Truck des Indianers Jimmy Eagle. In der Folge kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung und einem Schusswechsel zwischen den Regierungsbeamten und den AIM-AktistInnen. Dabei wurden Coler, Williams sowie der Indianer Joe Stuntz erschossen. Genauere Details und viele Fragen blieben nach diesem Tag ungeklärt. Dennoch wurden Eagle und die drei AIM-Mitglieder Dino Butler, Leonard Peltier und Bob Robideau wegen Mordes an den FBI-Mitarbeitern angeklagt. Der Tod des Indianers Stuntz wurde nie untersucht.

Noch bevor die Anklage gegen Eagle fallengelassen wurde und Butler und Robideau auf Notwehr plädierten und freigesprochen wurden, floh Peltier nach Kanada, da er (zu Recht) aufgrund seiner Herkunft mit einem unfairen Verfahren rechnete. Anfangs konnte er auch nicht an die USA ausgeliefert werden, da nicht genügend Beweise existierten, die dies gerechtfertigt hätten. Erst die Aussage der psychisch labilen Myrtle Poor Bear, welche behauptete, die Freundin von Peltier gewesen zu sein, und ihn auf die FBI-Agenten schießen gesehen zu haben, brachte eine Wende.

Der Prozess

Für den Prozess wurde der Verhandlungsort kurzerhand von Cedar Rapids im Bundesstaat Iowa, wo Butler und Robideau freigesprochen worden waren, in die stark indianerfeindliche Kleinstadt Fargo in North Dakota verlegt. Die Verhandlungen waren von Anfang an von Ungereimtheiten und sich plötzlich veränderten Beweismitteln geprägt. Myrtle Poor Bear etwa war als Zeugin so unglaubwürdig, dass die Anklage auf sie verzichtete. Dafür wurde sie von Peltiers Verteidigung in den ZeugInnenstand gerufen. Eine Befragung wurde aber nur unter Ausschluss der Jury zugelassen, bei der sie ihre Aussage widerrief und eingestand, unter Druck des FBI genötigt worden zu sein, Peltier zu belasten. Die angebliche Tatwaffe, welche das wichtigste Beweisstück zur Entlastung des Angeklagten war, wurde nach einem FBI-Gutachten nicht mehr zugelassen. Aus dem roten Pick-up wurde auf einmal ein rot-weißer Van. Zufällig das selbe Fahrzeug, dass Peltier zu dieser Zeit fuhr.

Bis 2035 im Gefängnis

Am 1. Juni 1977 wurde der AIM-Aktivist Peltier zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt, was bedeutet, dass er nach amerikanischer Rechtslage bis ins Jahr 2035 im Gefängnis sitzt. In einem Berufungsverfahren 1985 musste selbst die US-Regierung zugeben, dass "niemand wisse, wer die beiden FBI-Agenten umgebracht habe". Dennoch wurde das Urteil nicht aufgehoben, sondern nur in "Beihilfe zum Mord" umgewandelt, was aber trotzdem bedeutet, dass Peltier nicht vor 2008 wegen "guter Führung" freigelassen werden kann.

Doch Leonard Peltier ist ungebrochen: In einer Erklärung aus dem Jahr 2001 schrieb er, er sei heute genauso entschlossen, für seine Freiheit zu kämpfen wie im Jahr 1976 …