Sind die Pensionen noch finanzierbar?

Die vom Kabinett Schüssel II gesetzten Maßnahmen im Bereich der Pensionsversicherung stellen alle bisher in diesem Bereich erfolgten Kürzungen in den Schatten. Die Pensionen sollen langfristig derart gesenkt werden, dass mit der öffentlichen Pension alleine der Lebensstandard im Alter nicht mehr erhalten werden kann.

Diese Pensionsreform bewirkt nicht eine bessere Finanzierbarkeit des Pensionssystems, sondern wesentliche systematische Umstellungen, konkret den Umstieg auf das "3-Säulenmodell".

Das sogenannte 3-Säulen-Modell besteht aus einer öffentlichen, einer betrieblichen und einer privaten Säule. In diesem findet weniger solidarische Finanzierung statt. Die Pensionen werden nicht finanzierbarer, sondern gekürzt und anders finanziert. In der zweiten Säule, der betrieblichen Pensionsvorsorge, werden nur Zeiten der Erwerbstätigkeit in Betrieben erfasst, die betriebliche Pensionen anbieten. Das bedeutet, dass im Gegensatz zur solidarischen Pensionsversicherung Perioden der Arbeitslosigkeit, der atypischen Beschäftigung oder Kindererziehung nicht berücksichtigt werden.

Die dritte Säule ist alleine von ArbeitnehmerInnen zu finanzieren, die ArbeitgeberInnen zahlen keine Beiträge. Für all diejenigen Menschen, die keine 2. und 3. Säule haben – und das ist die überwältigende Mehrheit – bedeutet diese Pensionsreform also drastische Kürzungen, die durch nichts kompensiert werden. Demografiebedingte Unfinanzierbarkeit?

In der Auseinandersetzung zur Pensionsreform meldeten sich immer wieder Menschen zu Wort, die anscheinend über die notwendige geistige Klarheit verfügen. Offensichtlich ist die Welt recht einfach. So konnte man über folgende Weisheiten belehrt werden: "Gegen die Alterung der Gesellschaft kann man nicht streiken." "Jedem muss klar sein, dass eine Erhöhung des Altenanteils Pensionskürzungen notwendig macht".

Dabei wird folgendes vergessen: Wenn sich der Altenanteil in den nächsten 30 Jahren stark erhöht haben wird, müssen wir nicht das heutige Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen den Beschäftigten und PensionistInnen verteilen, sondern das BIP des Jahres 2030. Der Altenanteil ist aber nicht die einzige Größe, die im Steigen begriffen ist. Ich gehe davon aus, dass das Wirtschaftswachstum die nächsten 30 Jahre nicht auf Null sinken wird. 1970 bis 2000 stieg die Pensionsbelastungsquote, also das Verhältnis von PensionistInnen zu aktiven Beitragszahlern, um 27%, das reale BIP aber um 230 %! Das BIP pro Kopf stieg also viel stärker als die Pensionsbelastungsquote.

Das WIFO hat in einer Studie folgendes gezeigt: Die Pen-sionsbelastungsquote steigt bei einer konstanten Erwerbsquote von 67,6% von 619 auf 862 PensionistInnen je 1000 Erwerbstätige, d.h. insg. +40%, bzw. 1,1% pro Jahr. Doch wenn es gelingt, ein Beschäftigungswachstum von 0,4% pro Jahr zu realisieren und eine Erwerbsquote von knapp 80 % im Jahre 2030 zu erreichen (Wachstumsszenario), steigt das Verhältnis der PensionistInnen zu den Erwerbstätigen viel geringer. In diesem Fall würde die Pensionsbelastungsquote nur von 619 auf 712 PensionistInnen auf 1000 Erwerbstätige, also insgesamt um 15%, bzw. 0,4% pro Jahr zunehmen. Wenn das BIP um 2,4% pro Jahr steigt, wächst es zwischen 2000 und 2030 um 104%!

Warum bei einem verdoppelten BIP eine Erhöhung der Pensionsbelastungsquote von 15 % bis 40 % nicht finanzierbar sein sollte, ist nicht wirklich schlüssig argumentierbar.

Explodierender Bundeszuschuss?

Als 1955 das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz beschlossen wurde, wurde davon ausgegangen, dass der Staat für ein Drittel der Pensionsausgaben aufkommen soll. Der Bundeszuschuss ist gegenwärtig mit 20,5 % weit darunter. Vom Höchststand des Bundesbeitrages 1977, als dieser 34,4 % der Pensionsausgaben abdeckte, sind wir meilenweit entfernt.

In Absolutbeträgen steigt der Bundeszuschuss klarerweise schon an. Das sagt aber relativ wenig aus, denn es steigen auch die Preise, die Produktivität und die Wertschöpfung. Aussagekräftiger ist der Bundeszuschuss in Relation zum BIP. Dieser beträgt heuer – laut den Zahlen der Regierung – 3,1 % des BIP. Dieser Bundeszuschuss würde bis ins Jahr 2007 auf 2,9 % sinken, wenn im Pensionssystem nichts geändert wird. Von einer Kostenexplosion zu sprechen ist also eine glatte Lüge.

Die Pensionen werden zum überwiegenden Teil aus den Pensionsversicherungsbeiträgen der ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen finanziert. Ein kleinerer Teil der Pensionsausgaben erfolgt durch einen Zuschuss aus dem Budget. Diesen will der Finanzminister senken. Damit sich der Staat seiner sozialen Verantwortung entziehen kann, soll also das Pensionsniveau radikal gesenkt werden.

Der Bundeszuschuss zur gesamten Pensionsversicherung (inkl. Bauern, Gewerbetreibende) betrug 2001 20,5 % des Pensionsaufwandes. Die Unselbstständig Beschäftigten haben nur einen Bundeszuschuss von 14,1 %, die Selbständigen einen von 58,4 %!

Was ebenfalls nicht vergessen werden darf, wenn vom Bundesbeitrag geredet wird: Die PensionistInnen bekommen nicht nur Zuschuss aus dem Steueraufkommen, sie zahlen auch Steuern. 2001 machte der Bundeszuschuss zum Pensionssystem 4,2 Mrd. Euro aus, die PensionistInnen zahlten im gleichen Jahr aber auch 3,8 Mrd. Euro an Lohnsteuer.

Die Finanzierung der öffentlichen Pensionen ist durch eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis sicherzustellen: Dazu soll einerseits der Dienstgeberanteil durch eine wertschöpfungsbezogene Finanzierung neu geregelt werden und auch der Bundesbeitrag soll als Finanzierungsquelle seine Rolle erfüllen. Steuern sollten auch auf andere Bemessungsgrundlagen als auf Einkommen aus Arbeit eingehoben werden. Gegenwärtig werden Steuern auf Vermögen, Kapitaleinkommen und Gewinne nicht bis wenig besteuert. Durch stärkere Besteuerung dieser Einkommen könnte die Finanzierung der Sozialsysteme deutlich verbessert werden.

Pensionssysteme

Jedes Pensionssystem stellt einen (Einkommens)Transfer von den Erwerbstätigen zu den PensionistInnen dar. Die Systeme unterscheiden sich danach, wie die Pensionsansprüche begründet werden.

Für den Transfer zwischen den Generationen stehen zwei Verfahren zur Verfügung: Das Umlageverfahren finanziert die laufenden Pensionen der PensionistInnen direkt aus den Beitragszahlungen der Erwerbstätigen des jeweiligen Jahres. Im Kapitaldeckungsverfahren werden die Beitragszahlungen der Versicherten im Laufe der Erwerbsjahre am Kapitalmarkt veranlagt, und in der Phase der Pension wird das (verzinste) Vermögen verkauft und damit der Konsum finanziert. Der Transfer von Einkommen funktioniert also durch Zwischenschaltung der Kapitalmärkte.

Weil im Kapitaldeckungsverfahren jede/r einzelne für sich selbst während des Arbeitslebens anspart und in der Pension verbraucht (um zu konsumieren), ist die Illusion entstanden, man kann sich im Kapitaldeckungsverfahren von der Gesellschaft und deren Altersstruktur unabhängig machen und sei nicht vom "Goodwill" der Jungen abhängig, die die Pensionen finanzieren. Dies ist jedoch ein Trugschluss, weil jedes Pensionssystem darauf beruht, dass den PensionistInnen ein Teil der Wertschöpfung bzw. des Volkseinkommens zur Verfügung gestellt wird, der von den Erwerbstätigen erwirtschaftet werden muss.

Kapitalmarktrisiko

Vor dem Hintergrund der seit drei Jahren währenden Talfahrt der Börsen kann eine verstärkte Rolle des Kapitalmarktes bei der Altersvorsorge nur als Drohung aufgefaßt werden. Das zeigt sich nicht nur anhand von spektakulären Firmenpleiten wie ENRON und Worldcom. Der ganze Markt ist heftig ins Trudeln geraten. So hat der S&P 500-Aktienindex, der 75% der Marktkapitalisierung in den USA repräsentiert, seit dem Höchstwert 2000 um bis zu 50% an Wert verloren.

Der Nachteil kapitalgedeckter Pensionssysteme liegt vor allem in der Unmöglichkeit konkreter Leistungszusagen. Der Zeitpunkt der Pensionierung kann nicht vom Alter der Versicherten abhängig gemacht werden, sondern vor allem vom Wert der Aktienportefeuilles. Durch die Kapitalvernichtung in den USA müssen tausende ältere ArbeitnehmerInnen – in der Hoffnung auf eine Erholung der Börsen – den Pensionszeitpunkt auf unbestimmte Zeit verschieben. Außerdem führen die Schwankungen der Kapitalmärkte dazu, dass Personen mit gleichem Erwerbs- und Einkommensverlauf höchst unterschiedliche Pensionen erhalten. Die Pensionshöhe wird von Faktoren abhängig, die völlig außer der Kontrolle der Menschen liegen und wird zunehmend zu einem Lotteriespiel.

Ein kapitalgedecktes Pensionssystem ist durch den demographischen Wandel noch stärker gefährdet als das öffentliche Pensionssystem. Bei einer Kapitaldeckung sind die künftigen AktionärspensionistInnen darauf angewiesen, ihre Kapitalanlagen bei Pensionsantritt an die nachfolgende Generation zu veräußern. Sind auf Grund der demographischen Entwicklung nicht genug kaufkräftige NachfragerInnen vorhanden, ist eine Entwertung des Anlagekapitals vorprogrammiert. Weitere Nachteile sind die enormen Administrationskosten, das Inflationsrisiko und die Unmöglichkeit konkreter Leistungszusagen.

Die gegenwärtige Entwicklung bestätigt die These der GegnerInnen des Neoliberalismus, dass die Kapitalmärkte für die Altersvorsorge gänzlich ungeeignet sind. Nachdem Finanzkrisen seit der Deregulierung der Finanzmärkte immer schneller aufeinander folgten (Mexiko 1994/95, Südostasien 1997/98, Russland 1998, Brasilien 1999, Türkei 2000/1, Argentinien 2002) befinden sich die Börsen nun seit drei Jahren in einer Abwärtsspirale.

Kapitalgedeckte Pensionen sind unsicherer als Pensionen aus dem Umlageverfahren. Sicher ist lediglich die Tatsache, dass kapitalgedeckte Pensionen die Privatisierung von Risiko zu Lasten der Versicherten und ein Geschäft für das Finanzkapital sind.