Zum Erscheinen des neuen Staatsschutzberichtes

Mit einem knappen Jahr Verspätung ist er da: der Staatsschutzbericht 2001. Wie schon in den vergangenen Jahren lohnt die Lektüre auch heuer wieder …

Seit 1997 wird der Staatsschutzbericht herausgegeben. Das Ziel des Staatsschutzes legt Ernst Strasser, Innenminister der schwarz-blauen Regierung fest: "Der Staatsschutz als Schild der Republik. Sie sehen an den vielen unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Staatspolizei, vom Linksextremismus bis zur Spionageabwehr, die Herausforderungen, denen sich unser Staatsschutz stellt." Beachtlich dabei: Der Rechtsextremismus wird nicht erwähnt, dafür die "linksextreme" Gefahr hochstilisiert.

Gleichzeitig findet durchaus eine politische Wertung der Linken statt: "Die einzelnen Gruppen sind ständig um neue Mitglieder bemüht, allerdings mit mäßigem Erfolg. [Es ist] kaum jemand bereit, Zeit für irrationale politische Arbeit am Rande oder jenseits der Legalität aufzuwenden." (aus dem Bericht 1998). Auch eine Analyse wird geboten: "Verschiedene Faktoren (…) haben (…) Einfluss auf die Sicherheitslage in Österreich. Zu nennen sind hier die (…) Weltwirtschaftslage mit ihren hohen Arbeitslosenraten, wodurch extremistische Tendenzen und die Kriminalitätsneigung gefördert werden, sowie die enormen Migrationsströme als Folge des wirtschaftlichen Ungleichgewichtes auf der Welt." (Bericht ´98)

Auch in der Einschätzung der extremen Rechten finden wir einen Spiegel der politischen Konjunktur. Wird im Bericht 2000 die rechtsextrem/FPÖ-nahe Zeitschrift "Zur Zeit" ebenso wie die Arbeitsgemeinschaft für Politik, AFP, (die eine wesentliche Rolle als Bindeglied zwischen rechten FP-Kreisen und offenen Neonazis spielt), noch erwähnt, fehlen beide im Bericht 2001 (die AFP wurde in den Jahren davor kontinuierlich beschrieben). Eine ähnliche Entwicklung nimmt der heurige Rechtsextremismusbericht, der nach seinem Erscheinen im Juni 2002 sofort unter Verschluss genommen wurde. Kein Wunder, im Juni 2002 wurde die Stapo-Spitze gesäubert und mit einem Vertrauensmann des Ministers Strasser besetzt. Durch die Umbesetzung war es auch möglich, den Verfassungsschutzbericht zu säubern.

Alle Hinweise auf die FPÖ und "Zur Zeit" wurden gestrichen. Im August 2002 beschloss der Ministerrat übrigens die Presseförderung und damit die Zuteilung der Mittel für 2002, "Zur Zeit" erhält 77.886,80 Euro. (Zum Vergleich: Profil 32.433,80 Euro.)

Die notwendige Balance

Wer allerdings glaubt, tatsächlich umfassend über die "Erkenntnisse" der Behörden informiert zu werden, wird enttäuscht werden. So heißt es im Bericht 2001: "Die dargestellten Inhalte stellen einen Abriss der jährlichen Tätigkeit des Staatspolizeilichen Dienstes in einer Form dar, die die Balance zwischen Tiefe der Information und Vertraulichkeitsgrad wahren kann." Nichtsdestotrotz gibt der Bericht einen nicht uninteressanten Einblick in die Arbeit des Staatsschutzes (früher: Staatspolizei), den politisch Interessierte durchaus wahrnehmen sollten.

Eine notwendige Anmerkung bleibt noch zu tätigen: Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass der Staatsschutz das Morgenrot liest, daher werden auch wir unsere "Inhalte" in einer "Form darstellen", "die die Balance zwischen Tiefe der Information und Vertraulichkeitsgrad wahren kann", wie wir überhaupt grundsätzlich dazu raten würden, bei jeder politischen Aktivität zu bedenken, dass jede kleine Information ein Teil sein kann, der für den Staatsschutz zu einem kompletteren Bild beiträgt.

Es soll schließlich weiterhin gewährleistet werden, was der Staatsschutz im ´98er Bericht bedauernd feststellt: "Die Ermittlungen (…) gestalten sich weiterhin äußerst schwierig, nicht zuletzt wegen der Abschottung der handelnden Personen und des ,internen Sprechverbote' der Aktivisten mit den Behörden." Verallgemeinerung

Ein interessanter Aspekt bei allen Staatsschutzberichten in den Kapiteln über die "extreme Linke" (wie sie der Staatsschutz nennt) ist die Verallgemeinerung. Es fällt auf, dass der Staatsschutz oft Zitate aus Publikationen einzelner Gruppen nimmt und diese dann stellvertretend für die gesamte radikale Linke gelten lässt (manchmal scheint es überhaupt so zu sein, dass ein bis zwei Gruppen – anhand der Zitate zu identifizieren – mit ihren Positionen stellvertretend für das gesamte Spektrum stehen sollen). So heißt es: "Zur Abwehr solcher Tendenzen (Anm. der Globalisierung) propagiert der marxistisch/leninistische Block nationale Souveränität, weshalb er von anderen linksextremen Gruppen des Nationalismus bezichtigt wird." Inwieweit solche generalisierenden Einschätzungen gerechtfertigt sind, möge jede/r LeserIn bei der Lektüre der Berichte selbst entscheiden (wir halten die notwendige Balance und denken uns unseren Teil über die "nationale Souveränität"…).

Es wird auch einfach zwischen zwei großen Blöcken unterschieden: dem "marxistisch-leninistischen Block" und dem "anarchistisch-autonomen Block". Innerhalb der "linksextremen" Szene scheint der Staatsschutz den "marxistisch/leninistischen Block" für seriöser zu halten (allerdings, zugegeben, eine zweifelhafte Auszeichnung). In Abgrenzung zum "anarchistisch/autonomen Block" lesen wir: "Der marxistisch/leninistische Block ist wesentlich geduldiger und taktisch klüger bei der Verfolgung seiner Ziele" (Bericht ´00), auch die Publikationen werden gelobt, die "eine wesentliche professionellere Aufmachung aufweisen" (Bericht ´99). Wer allerdings nach Meinung des Staatsschutzes jeweils Teil einer dieser beiden Blöcke ist, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, welche Organisationen überhaupt unter Beobachtung stehen.

Amüsant jedenfalls die Vereinheitlichung von so unterschiedlichen Gruppen wie KPÖ, StalinistInnen oder Gruppen in trotzkistischer Tradition (wie der AL) unter dem gemeinsamen Schirm des "Marxismus-Leninismus". Die TrotzkistInnen denken wir uns einfach dazu, obwohl sie zwar 1997 noch vorkommen, ("Marxistisch/leninistisch und trotzkistisch orientierte Gruppen"), später aber verschwinden, um 2001 als "orthodoxe trotzkistische Gruppen" wieder aus der Versenkung aufzutauchen, einerseits in Zusammenhang mit der Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung, andererseits mit der Bewegung gegen Schwarz-Blau.

Die Ziele der "Linksextremen"

Die Ziele der "Linksextremen" sind schnell dargestellt: "Ziel der linksextremistischen Gruppierungen ist die Beseitigung demokratischer Einrichtungen und die Durchsetzung bzw. die Verwirklichung einer sozialistisch/kommunistisch oder anarchistisch geprägten Gesellschaftsform. (…) Gegenstand linksextremistischer Aktivität sind neben dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Faschismus, Kapitalismus, Atomkraft und Sozialabbau vor allem die Europäische Union sowie die WEU- und NATO-Diskussionen, die derzeit in Österreich stattfinden." (Bericht 1997).

Auch die besonderen Ideen des "marxistisch-leninistischen Blocks" sind leicht erklärt: "Der marxistisch-leninistische Block, der schon bisher (Anm. der Red.: im Gegensatz zum "anarchistisch/autonomen Block") mehr Kontinuität bei der Umsetzung von beabsichtigten Zielen aufbrachte, wird auch weiterhin bestrebt sein, sich für die Bildung einer "Diktatur des Proletariats" bzw. eines kommunistischen Systems einzusetzen (Bericht ´99). Ziel dieses "Lagers" stellt übrigens – gar nicht so unrichtig – "die Vorbereitung einer internationalen proletarischen Revolution dar, um die kapitalistischen Systeme durch die Herrschaft des Proletariates zu ersetzen" (Bericht ´01).

Auch die Prognose für 2002 können wir unwidersprochen lassen (es war wohl auch bei der Erstellung kein besonderer Scharfsinn erforderlich): "Für den marxistisch/leninistischen Block wird die Umsetzung seines Hauptzieles (Herrschaft des Proletariats) im Mittelpunkt der Tätigkeiten stehen."

Apropos Scharfsinn: Im Bericht 2001 können wir feststellen, dass auch der Staatsschutz in Sherlock-Holmes-artiger Weise die weltweiten Veränderungen durch das Internet erfasst hat: "Das Internet wird in seiner Bedeutung weiter steigen und linksextreme Publikationen weiter verdrängen." Diesen Scharfsinn haben wir in anderen Belangen vermisst. Im Bericht über die Anti-WEF-Demo in Salzburg im Juni 2001 wird erklärt: "Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei traten in erster Linie Angehörige der Salzburger Hooliganszene (…) in Erscheinung." Die alte "Rechts- und Linksextremismus ist das Gleiche" Geschichte in neuem Gewand. Dazu passt auch die eigene Erwähnung von "Antifaschisten" als beobachtungsrelevanter Gruppe in den Berichten ´97 und ´98 (also noch unter einem SP-Innenminister): "Antifaschisten bilden auch einen Bestandteil der gewaltbereiten und militanten Linksextremisten." Passend zu diesem Bedrohungsszenario wurde der "Linksextremismus" von 1997-1999 noch vor dem "Rechtsextremismus" beschrieben, erst unter Schwarz-Blau wurde das umgedreht (was nicht unbedingt für die SPÖ spricht).

Anti-Schwarz-Blau

Die Reaktion des "marxistisch/leninistischen Blocks" auf die schwarz-blaue Regierung wird übrigens, vorsichtig formuliert, originell eingeschätzt (hier erzählen wir nichts Neues, in den Zeitungen der Linken wurden diese Fragen breit diskutiert). So heißt es zum Wahlergebnis 1999 (das die schwarz-blaue Mehrheit brachte): "vom marxistisch-leninistischen Block wurden die (…) Themen eher marginal behandelt". Und weiter: "Die innenpolitischen Vorgänge in Österreich wurden von den Marxisten/Leninisten zur Kenntnis genommen, diskutiert und in entsprechenden Aussendungen thematisiert. Die weitgehend emotionslose Berichterstattung dieses Lagers, die den Demonstrationen teilweise kritisch gegenüberstand, ist auf dessen Theorie zurückzuführen, wonach es unerheblich sei, welche Parteien die österreichische Regierung bilden".

Im Bericht 2000 heißt es sogar: "Das war auch bei den Anti-Regierungsdemonstrationen feststellbar, wo sich das Engagement dieses Lagers in Grenzen hielt." Das vor allem in der ersten Phase der Bewegung gegen Schwarz-Blau trotzkistische Gruppen (unter ihnen die AL) eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben, wird interessanterweise ausgeblendet.

Ausblick

Es "ist derzeit nicht mit einer unmittelbaren Gefährdung der Demokratie und einem für die Republik Österreich nachhaltig auftretenden Schaden, der zu Lasten des Ansehens von Österreich geht, zu rechnen." Allerdings "werden (..) die Sicherheitsbehörden in Zukunft verstärkt gefordert sein, gegen diese Form des politischen Extremismus vorzugehen." (Bericht ´97). Die Gefahr ist also nicht "unmittelbar", allerdings lässt uns der Bericht ´01 wissen: "Dessen ungeachtet wird diesem Bereich von den österreichischen Sicherheitsbehörden weiterhin ein besonderes Augenmerk zugewendet und die künftige Entwicklung genau beobachtet werden." Wir hingegen sehen die bürgerliche Demokratie vielmehr durch Staatsschutz, Heeresnachrichtenamt und Heeresabwehramt gefährdet. Wir sehen uns auf der nächsten Demo!

Quellen:Staatsschutzberichte 1997 – 2001, www.bmi.gv.at
"Schutz und Förderung" (Hrsg.:Grüne)