Genua: Wenn der Staat mordet

Die Staatsgewalt hat auf dem G8 Treffen in Genua einen neuen Höhepunkt erreicht. 1 Toter, 250 Verhaftete und über 500 Verletzte gehen auf das Konto der Carabinieri. Die zuvor angekündigte Deeskalation ist für Italiens Ministerpräsident Berlusconi anscheinend ein Synonym für Tränengas und Panzer.

 Wir könnten fast erstaunt sein über die Härte der Repression gegen alle die sich dem G8 Gipfel, dem Treffen der 7 mächtigsten Industrienationen plus Rußland, in irgendeiner Form entgegenstellten. Aber was geschah, war weder ein Zufall, noch ist es dem Sadismus einzelner StaatsdienerInnen anzurechnen. Ganz gezielt wurde nach einer Rechtfertigung gesucht, die Demonstration mit Knüppeln und Tränengas anzugreifen. Wo diese nicht durch Aktionen von DemonstrantInnen vorhanden war, wurde nachgeholfen.

So gibt es etliche Bild- und Videoaufnahmen (die unter anderem im italienischen Fernsehsender RAI 3 gezeigt wurden) die eindeutig zeigen, wie vermummte Polizeiprovokateure unbehelligt Autos anzündeten, um dann hinter dem Polizeikordon wieder zu verschwinden. Die Medienhetze im Vorfeld tat ihr übriges zur Kriminalisierung der GlobalisierungsgegnerInnen, die in der Rechtfertigung des Todes von Carlo Giuliani ihren traurigen Höhepunkt fand.

Die Zeitungen berichteten mit Entsetzen über ausgebrannte Autos und eingeschlagene Schaufensterscheiben. Aber die Berichte von Globalisier-ungsgegnerInnen, welche in der Diaz-Schule beim Indy Media Center (IMC), teilweise noch im Schlafsack, kran-kenhausreif geschlagen wurden und die systematischen Folterungen in den Gefängnissen und Polizeistationen dringen erst langsam an die Öffentlichkeit. Doch anscheinend wußte die Polizei selbst, daß sie zuviel Dreck am Stecken hatte, um es noch wirklich vertuschen zu können. Schließlich wurden beim Sturm auf das IMC gezielt Filme, Videos und Festplatten mit Dokumentationen der Polizeigewalt beschlagnahmt.

Hier ist es die Aufgabe der Linken, der Propaganda der Herrschenden, die in den meisten bürgerlichen Blättern bemüht ist, zu vertuschen oder zu rechtfertigen, entgegenzutreten und die Sache beim Namen zu nennen. So wurde so gut wie nirgendwo berichtet, dass die Polizei die gesamte Großdemonstration am Samstag, teilweise aus dem Hubschrauber heraus, mit Tränengas attackierte. Gleich ob Ya Basta, Kom-munistInnen oder Gewerk-schafterInnen, allein die Anwesenheit auf einer Demonstration schien als Begründung auszureichen, mit, aus mehreren hundert Metern in die Menge hineingeschossenenen Gasgranaten, attakiert zu werden. Gleichzeitig muß aber auch die Politik von Gruppen wie Tute Bianche (“Weisse Overalls”) einer kritische Betrachtung unterzogen werden. Einerseits lotsten sie den, von ihnen geführten, Demozug in eine Konfrontation mit der Polizei, andererseits hinderten sie dann andere DemonstrantInnen teilweise mit Gewalt daran, die Demo offensiv zu verteidigen.

Warum die Polizei den Konflikt absichtlich von einer politischen Ebene in die Richtung einer physischen Auseinandersetzung gelenkt hat, ist klar: Nur mittels physischer Eskalation kann der Staat die Auseinandersetzung gewinnen. So wird es geschafft, Linke als ChaotIn-nen zu diffamieren, die Antiglobalisierungsbewegung zum Krawalltourismus zu degradieren. Ungehemmt und mit voller Kraft können dann Strukturen aufgedeckt und zerschlagen werden. Und die “Bewegung” hat im Taumel des ersten Erfolges krampfhaft versuchte Genua zu Seattle zu machen.

Doch auch wenn die Bewegung lebendig ist, Genua hat gezeigt das die Linke sich im Moment nicht auf einer militärischen Ebene mit dem Staatsapparat messen kann und soll. Das wäre auch viel zu schade für eine Bewegung, die Hundertausende aus allen Ländern der Welt gegen die Unterdrückung auf die Straßen gebracht hat und bringen wird.

Stellungnahme zum WEF-Gipfel in Salzburg veröffentlicht

Auch bei der Demonstration gegen den WEF-Gipfel zu Beginn des Sommers kam es zu massiven Polizeiübergriffen. Mehr als 900 Menschen wurden über mehrere Stunden festgehalten, immer wieder prügelten vor allem Einheiten der Wiener WEGA in die eingekesselte Demo. Schlußendlich durften die DemonstrantInnen nach langen Verhandlungen ohne die zuvor verlangte Ausweiskontrolle abziehen, wobei mehrere Teilnehmer-Innen von der Polizei aus den Ketten gezerrt und angezeigt wurden.

Insgesamt schätzen wir die Tatsache, daß eine Demonstration gegen das in den Wochen davor ausgesprochene Verbot durchgesetzt werden konnte, als Erfolg ein. Die Demonstration insgesamt beurteilen wir aufgrund des Kessels und der nachfolgenden Repression gegen einzelne Ak-tivistInnen zwiespältig. Wir haben zu Salzburg zwei Stellungnahmen veröffentlicht, eine setzt sich mit dem WEF auseinander, eine zweite versucht, die Lehren aus der Demonstration zu ziehen.

Beide Stellungnahmen könnt ihr über die Redaktion bestellen oder per mail über almail@gmx.net