Oktoberstreik 1950

Am 25.9.1950 begann die bis heute massivste Streikbewegung der Zweiten Republik. Zehntausende Menschen waren auf der Strasse, um gegen das von Regierung und ÖGB-Führung beschlossene 4. Lohn-Preis-Abkommen zu protestieren.

 Dieses sogenannte Lohn-Preis-Abkommen, welches für die ArbeiterInnen hohe Reallohnverluste bedeutete, (die Löhne wurden eingefroren und die Lebensmittelpreise radikal erhöht) bildete die ersten Ansätze der Sozialpartnerschaft, die Österreich jahrzehntelang prägte. In ihr manifestiert sich die Bereitschaft der Gewerkschaftsführung, ArbeiterInneninteressen zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung hint anzustellen und zu vernachlässigen.

Die Politik der Gewerkschaftsführung lag damit genau auf der Linie der PlanerInnen des Marshall Planes, eines von den westlichen Alliierten für Westeuropa ausgearbeiteten Planes, welcher den Wiederaufbau vorantreiben und Österreich, und andere Länder, an den Westen binden sollte.

Der Streik

Die radikale Erhöhung der Lebensmittelpreise brachte, dass 120.000 unzufriedene ArbeiterInnen dem Streikaufruf folgten. Viele von ihnen kamen aus den sowjetischen USIA-Betrieben, diese waren teilweise kommunistisch organisiert. Dies ist auch einer der Gründe, warum der Oktoberstreik bis heute als kommunistischer Putschversuch bezeichnet wird.

Die Aktionen nahmen von Oberösterreich ihren Ausgang und griffen auf andere Teile Österreichs, insbesondere auf die ostösterreichischen Industriegebiete, über. Eine der Streikhochburgen waren die oberösterreichischen Grossbetriebe VÖEST und Steyer sowie Post und Bahn. In diesen Betrieben war de facto die ganze Belegschaft dem Streikaufruf gefolgt. Vereinzelt kam es auch zu radikaleren Aktionen, wie zum Beispiel dem Zubetonieren einiger Straßenbahnschienen in Wien und der Besetzung etlicher Gewerkschaftshäuser. Jedoch muss man leider sagen, dass die Streikbereitschaft regional durchaus differenziert war. Manche Regionen blieben zur Gänze streikfrei. Daher war der Streik ein regionales Ereignis und mündete keineswegs in einer gesamtösterreichischen Streikbewegung.

Aufgrund der, von der Regierung und der ÖGB-Führung in allen Medien verbreiteten Lüge, dass es den Streikenden in erster Linie um die Errichtung einer Volksdemokratie im Stille der Sowjetunion ging, war die Sympathie in der Öffentlichkeit für die Streikenden eher begrenzt. Und so wurde der Streik am 30 September von der KPÖ für ausgesetzt erklärt, was de facto einer Beendigung gleich kam.

Durch den Beschluss im Politischen Büro der KPÖ, den Streik zu unterbrechen, wurde der Bewegung ihr spontaner Charakter genommen und die Dynamik ihrer weiteren Ausbreitung unterbunden und somit die Niederlage eingeleitet. Die Rücksichtnahme der Mehrheit des Politbüros auf die Interessen der USIA-Betriebe war jedenfalls ein Hauptgrund für den fatalen Beschluss, dass der Streik unterbrochen werden sollte. Der zweite Grund war die Meinung, der Streik bedürfe der Vereinheitlichung durch eine gesamtöster-reichische Betriebsrätekonferenz, die gemeinsame Forderungen und Orientierungen beschließen und eine zentrale Leitung wählen sollte.

Rolle der KPÖ

Die bis heute übliche Darstellung des Oktoberstreiks als kommunistischen Putschversuch ist angesichts der Tatsache, dass die KPÖ ebenso wenig wie die SPÖ auf ein sozialistisches Österreich hinarbeitete und treibende Kraft war, den Streik auszusetzen (also de facto zu beenden), eine Lüge. Die KP-Gewerk-schafterInnen waren von der Rasanz der Bewegung zumindest ebenso überrascht wie ihre sozialdemokratischen Kolleg-Innen. Plötzlich wurden sie aber von allen Seiten als Drahtzieher-Innen des Streiks attackiert – was eine gewaltige Überschätzung des Einflusses der Partei war.

Wohl unterstützten örtlich russische Kommandanturen die Streikbewegung, aber die sowjetischen Truppen griff offiziell nicht ein. Ganz im Gegenteil, die kommerzielle Führung der sowjetischen Betriebe in Österreich war gegen die Streiks, da diese die Erfüllung der Plansolls verzögerten.

Zwar war es die Absicht der Kommunist-Innen, durch einen Generalstreik gegen das von der Führung des ÖGB akzeptierte 4. Lohn-Preis-Abkommen, die Regierung zur Rücknahme des Abkommens zu zwingen und den Rücktritt der verantwortlichen Funktionäre des ÖGB zu erreichen, aber eine wirkliche Veränderung hin zu einem sozialistischen Österreichs strebte die stalinistische geprägte KPÖ-Führung nicht an.

Der ÖGB

Für den ÖGB stellte der Oktoberstreik ein Lehrstück dar: Unterstützt von Staat und UnternehmerInnen wurden die Streikenden via Medien und mit Brachialgewalt bekämpft. Einer der härtesten Streikgegner war der spätere Vorsitzende des ÖGB Franz Olah. Er setzte alles daran, den von ihm so gehassten Streik zu zerschlagen. Mit amerikanischer Hilfe machte der SPÖ-Funktionär und Bau-Holz-Gewerkschafter Franz Olah kurzen Prozess mit der Streikbewegung.

Die US-Besatzungsmacht stellte LKWs und Kommunikationsmittel zur Verfügung, finanzielle Zuwendungen der Freunde ermöglichten das Aufstellen von Rollkommandos, die die Streikenden zurück in die Betriebe prügelten.

Das war der Beginn einer wundervollen Freundschaft: Olah machte Karriere, stieg zum Vorsitzenden des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und zum Innenminister auf und blieb einer der wichtigsten Vertrauensleute der US-Geheimdienste in Österreich. Die Reste seiner Schutztruppe wurden unter dem beschaulichen Namen Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein; zusammengefasst und in paramilitärischen Übungen trainiert. 1964 wurde Franz Olah aus der SPÖ ausgeschlossen. Aber nicht etwa wegen seines brutalen Vorgehens gegen die streikenden ArbeiterInnen 1950 (ganz im Gegenteil wird er dafür bis heute innerhalb der Partei geehrt) sondern wegen der Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern in Millionenhöhe.

Resümee

Der Oktoberstreik war die letzte große Streikbewegung in Österreich. Seit 1950 hat die österreichische ArbeiterInnen-bewegung keinerlei Kampferfahrungen mehr. Schuld daran ist die Politik von SPÖ und ÖGB, die die Lüge vom kommunistischen Putsch erst vor wenigen Jahren (zaghaft) zurückgenommen haben. Die Politik der institutionalisierten Sozialpartnerschaft, die keinerlei Streiks akzeptierte, rächt sich heute. Die blau/schwarze Regierung startet einen Angriff nach dem anderen auf die sozialen Errungenschaften in Österreich, der ÖGB hat dagegen nichts außer zahnlosen Drohungen vorzubringen. Die ÖGB-Spitze hat sich 1950 mit ihrem Verrat die Suppe eingebrockt; wir alle müssen sie nun auslöffeln.