Der schlaue Fuchs… doch kein Einzeltäter?

Wo ist das Labor? Wo die Geschichtsbücher? Wo das Zeitungsarchiv? Vielen Fragen gibt Hans Christian Scheid in seinem neu erschienenen Buch “Franz Fuchs – Doch kein Einzeltäter?” Platz. Franz Fuchs gilt bis heute als der alleinige Attentäter der Briefbombenanschläge, welche zwischen 1993 und 1996 Österreich erschütterten und den größten Kriminalfall der 2. Republik darstellen.

Der Stil des Buches ist, Fragen zu stellen, um dadurch aufzuzeigen, dass Franz Fuchs kein Einzeltäter gewesen sein kann. Der Autor versucht hier nicht ein TäterInnenprofil für (mögliche) MittäterInnen zu erstellen sondern lediglich, aufzuzeigen wie absurd die Behauptung ist, Fuchs hätte alle Anschläge selbst geplant, die Bomben gebaut, verschickt bzw. hinterlegt und obendrein noch die Bekennerschreiben der ominösen “Salzburger Eidgenossenschaft-Bajuwarische Befreiungsarmee”/BBA verfasst.

Während der Anschläge war die Frage um die Anzahl der TäterInnen eine allgegenwärtige. Nachdem Fuchs als Einzeltäter zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde, verlor sie für immer mehr Personen an Bedeutung, obwohl die offenen Fragen durch den Prozeß nicht geklärt wurden. Aus einem TäterInnenprofil ging hervor, dass die zumindest drei TäterInnen Zeitschriften und Zeitungen auswerteten und teilweise archivierten. Franz Fuchs hatte allerdings keine dieser Zeitungen abonniert.

Das historische Wissen in den BekennerInnenschreiben ist beeindruckend, doch fehlte bei Franz Fuchs die Literatur. Dadurch, dass er auch keine rechtsradikale Zeitung abonniert hatte, lässt sich nicht erklären, wie er als vermeintlicher Verfasser der BBA-Bekennerschreiben diese Vertrautheit mit rechtem Vokabular hatte.

Bei Fuchs wurden zwar Baupläne von Bomben gefunden, allerdings keine Schreibgeräte für die Bekennerschreiben, auch der BBA-Briefkopf fehlte. Ein Staatsanwalt erklärte dies damit, dass Fuchs sich beobachtet gefühlt und sie daher vernichtet hätte. Warum hatte er die Baupläne, welche nur auf ein Stück Papier gezeichnet waren, nicht auch vernichtet? Die Fragen ziehen sich bis zum Tod von Fuchs am 26.02.00, wo er es geschafft haben soll, sich in seiner Zelle zu erhängen, obwohl er bei seiner Verhaftung durch eine selbstgebaute Bombe beide Hände verlor.

Starker Staat?

Nach der Verhaftung von Fuchs gab es keine Anschläge mehr, was darauf hindeuten könnte, dass der Einsiedler aus Gralla/Stmk. doch so schlau war, wie in den Medien behauptet wurde. Doch es gibt auch eine andere Vermutung.

Die politische Rechte hat ein Interesse an einem starken und autoritären Staat. Wenn der Staat Rechte der BürgerInnen einschränkt, hat dieser Terror sein Ziel oft schon erreicht. Das bekannteste Beispiel dafür ist zweifellos die „Strategie der Spannung” in Italien, wo bis in die 90er bewiesenermaßen Teile des Staatsapparates mit Hilfe der Geheimdienste Terroranschläge verübten (mehr darüber in Morgenrot 15). Auch in Österreich wurden im Zuge der Briefbombenfahndung Lauschangriff und Rasterfandung eingeführt, es könnte also schlicht keinen Grund mehr gegeben haben, weiterzubomben. Hinweise darauf, daß an der Herstellung der Beken-nerInnenschreiben auch Insi-derInnen aus dem Innenministerium beteiligt waren, liefert Scheids Buch jedenfalls einige.

Doch die Linken?

Gerade zum Höhepunkt der Briefbombenattentate wurde im niederösterreichischen Ebergassing ein Anschlag auf einen Strommast durchgeführt, der der radikalen Linken zugeschrieben wurde, nachdem am Ort des Anschlags zwei Aktivisten der Wiener radikalen Linken tot aufgefunden wurden. Wie bestellt für Medien und Staat, gab es wieder einen Grund wegen der Briefbomben in alle Richtungen zu ermitteln.

Für die Bevölkerung wurde wieder einmal bestätigt, dass der linke Terror genauso schlimm sei wie der rechte. Doch FreundInnen und Bekannte der beiden angeblichen Täter Thaler und Konicek stellten diese Tat immer wieder in Frage. Sie vermuteten eine Falle der Staatspolizei, welche die beiden zum Tatort gelockt haben könnte. Hier liegen Ungereimtheiten vor, welche diese Vermutung nicht ganz unbegründet erscheinen lassen – ist es doch sehr ungewöhnlich, neben verkohlten Leichen unversehrte Ausweise zu finden.

Scheids Buch ist ein Beitrag dazu, aufzuzeigen, wie der „Rechtsstaat” mit Indizien und mit Vermutungen im größten Terrorakt der 2. Republik umging und weiterhin umgeht. Bei einigen Passagen scheint mit dem Autor die Phantasie durchzugehen und er wird unseriös, etwa wenn er den Rücktritt des FPÖ-rechtsaussen Mölzer als Bundesrat vor einigen Jahren fast schon als InsiderInnenwissen charakterisiert. Tatsächlich ging dem Rücktritt von Mölzer eine breite Diskussion um dessen „Umvolkung”-Sager voraus.

Interessant sind auch die im Original abgedruckten BekennerInnenschreiben und Teile des Vernehmungsprotokolls. Der Autor stellt zwar Fragen, gibt allerdings kaum Antworten. Trotz dieses Mankos ist es dem/der LeserIn möglich, durch die Verknüpfung der Fragen Antworten zu erhalten. Insgesamt, trotz einiger Schwächen, ein durchaus lesenswertes Buch.

Hans Christian Scheid
Franz Fuchs – Doch kein Einzeltäter?
Verlag Styria
255 Seiten, 21,15€ (291öS)