Ecuador: ߖlmultis gegen Bevölkerung

Das Amazonas-Gebiet wird seit Jahrzehnten von internationalen Öl-Multis verpestet. Jetzt hat ein Gericht in Ecuador den Öl-Multi Chevron verurteilt. Doch internationale Gerichte stellen sich auf die Seite des Konzerns, berichtet Niko Eder aus Ecuador.

Seit dem Bau des ersten Bohrturms wird der Amazonas verpestet. Die Jahrzehnte lange Ölforderung im ecuadorianischen Oriente-Gebiet des Amazonas hinterlässt tiefe Narben im Ökosystem. Durch das Ablassen von Giftstoffen werden Flüsse und Wälder verseucht. In vielen Regionen, wo sich Förderstätten befinden, bilden sich kilometerlange Ölteppiche.

Im Norden Ecuadors sind Teile der indigenen Bevölkerung aufgrund der Verpestung ihres Lebensraumes vom Aussterben bedroht. Hautkrankheiten, erhöre Kindersterblichkeit und Krebsrate, Missbildungen bei Neugeborenen, eine hohe toxische Belastung und Schädigungen am Erbgut sind die Folge.

Das Grundwasser ist in einigen Gebieten von Quecksilber vergiftet. Lecks in Pipelines werden selten verschlossen, im Schnitt entsteht alle 4 Tage ein neues. Durch den Bau von Straßen für den Abtransport des Öls werden große Schneisen in den Urwald geschlagen. Laut einer Studie sind bis heute im Amazonasbecken mehr als 113 Millionen (!) Kubikmeter Giftstoffe entsorgt worden. Zum Vergleich: bei der Ölkatastrophe des Vorjahrs im Golf von Mexiko sind 776.000 Kubikmeter Öl ins Meer geflossen. Wie groß der tatsächliche und langfristige Schaden an der Natur ist, kann niemand genau sagen.

Öl-Kolonisierung und Öl-Kriege

Als erste Firma erlangte die US-amerikanische Standard Oil of California (heute Chevron Corporation) bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts großflächige Schürfrechte im ecuadorianischen Amazonas-Gebiet, Oriente.. Die USA betrachteten und betrachten Mittel- und Südamerika ja seit dem Abschütteln der spanischen bzw. portugiesischen Herrschaft als ihren traditionellen Hinterhof.

Ertragreiche Fördergebiete weckten rasch das Interesse weiterer Ölkonzerne, bis sich 1937 die britisch-niederländische Firma Shell Konzessionen für den halben Oriente sicherte. Dies passte Standard Oil nicht, und der Konzern schürte den seit langem herrschenden Grenzkonflikt zwischen Ecuador und Peru, welcher schließlich 1938 zum Krieg führte. Nach einer Neufestlegeng der Staatsgrenze teilten sich die Ölkonzerne die Schürfgebiete auf.

Unter der Militärdiktatur von Rodríguez Lara wurde Anfang der 70er die erste ecuadorianische Erdölkooperation gegründet (CEPE), die dem Staat große Einnahmen versprechen sollte. Die Leitung der Kooperation erlangte jedoch der US-Konzern TEXACO, der nun verstärkten Einfluss auf die Regierung hatte.

Schuldenkrise

In den 1970er Jahren begann die große Verschuldung Ecuadors, da die imperialistischen Länder Ecuador aufgrund seiner großen Erdölvorkommnisse zum ersten Mal in großem Umfang Kredite gewährten, die den Staat jedoch noch abhängiger machten. (Da real die rückzuzahlenden Beträge weit höher sind als die Ursprungsschuld).

Die Regierung fing also an zu sparen und zwar dort, wo sie den geringsten Widerstand vermutete, bei den Lohnabhängigen, den Landlosen und den städtischen verarmten Massen.. Große Sparmaßnahmen im Gesundheits- und Bildungssystem waren die Folge.

Ecuador ist der fünftgrößte Erdölexporteur Lateinamerikas. Das weckte natürlich die Begehrlichkeiten des internationalen Kapitals. Als im letzten Jahrzehnt der Schuldenberg Ecuadors dramatisch zunahm, verpflichtete der Internationale Währungsfonds (IWF) Ecuador dazu, alle Einnahmen des Erdölgeschäftes in den Schuldendienst zu stecken. Laut geologischen Schätzungen, ist der Boden jedoch 2025 leergepumpt. Falls Ecuador konsequent die Schulden zurückzahlt, sollten sie bis dahin beglichen sein. Dies ist aber nur der Fall, wenn Ecuador bis dahin keine neuen Kredite aufnimmt, was völlig utopisch ist. Doch wäre das Land sogar im besten Fall schuldenfrei, aber seiner wichtigsten natürlichen Ressource beraubt.

Proteste

Da die Ölkonzerne stets große Steuerfreiheiten genießen, gab es immer wieder Proteste der Bevölkerung. Vor einigen Jahren wollte Elsa de Mena, ehemalige Vorsitzende der Steuerbehörde Ecuadors, die Reichen zur Kassa bitten. Als sie an US-Konzerne und Bananenmagnaten große Steuerforderung stellte, wurde sie entlassen.

Darauf brachten Demonstranten im August 2005 mehr als die Hälfte der Erdölförderung des ganzen Landes zum Stillstand, und forderten von den Ölmultis die Begleichung der Steuerschulden. Die Proteste wurden jedoch rasch vom Militär aufgelöst und die Konzerne kamen (wie immer) davon.

Klage gegen Chevron

Doch auch die Umweltprobleme wurden immer größer. Anfang der 1980er Jahren wurde der Oriente großflächig vom Konzern Texaco verschmutzt. (Texaco ist seit 2001 mit Chevron fusioniert) Daraufhin folgte eine Protestwolle der indigenen Bevölkerung von Nueva Loja, (Lago Agrio) im Nordosten Ecuadors, die eine Klage gegen den Konzern zur Folge hatten. Der Konzern kämpfte dagegen mit allen Mitteln: so gab es zahlreiche Todesdrohungen gegen indigene AktivistInnen und Organisationen (und solche Drohungen sind in Mittel- und Südamerika sehr ernst zu nehmen).

Die Klage der ecuadorianischen Amazonasgemeinschaft im Namen von 30.000 Betroffenen war ursprünglich im Jahr 1993 in New York eingereicht worden. Gefordert wurden 27 Milliarden Dollar für Wasser- und Bodenverschmutzung. Die EcuadorianerInnen werfen Texaco vor, Milliarden Gallonen giftigen Abfalls in den Amazonas abgelassen zu haben. Nachdem sich Texaco 1992 zurückgezogen hatte, blieben Hunderte offene Öl-Bassins übrig, aus denen besonders in der Regenzeit eine giftige Brühe in den Boden fließt.

Dies war das erste Mal, dass ein US-Konzern in Lateinamerika vor Gericht steht, hatte also breite Bedeutung. Hintergrund ist, dass es seit einigen Jahren in einer Reihe von Ländern Südamerikas, darunter eben auch Ecuador eine Linksentwicklung gibt und die daraus hervorgegangenen neuen Regierungen dem US-Imperialismus nicht mehr bedingungslos folgen. In Ecuador ist auch die Bewegung der Indigenen sehr bedeutend, die etwa Anfang 2000 die damalige Regierung durch Massenproteste zum Rücktritt zwangen.

Chevron weigert sich natürlich bis heute, für die Schäden aufzukommen. Im Februar 2011 hat nun ein ecuadorianisches Gericht Chevron zu einer Strafe von 8,6 Milliarden Dollar verurteilt. Ein vom Gericht beauftragter Experte schätzt jedoch einen Schaden von mehr als 27 Milliarden Dollar, Chevron ist also eigentlich sehr gnädig davon gekommen.

Imperialistische Gerichte schützen Chevron

Der Konzern geht nun gegen das Urteil vor, wie erwartet mit Unterstützung der imperialistischen Länder: internationale und US-amerikanische Gerichte haben schon im Vorfeld erklärt, dass das Urteil nicht durchsetzbar sein würde. Chevron hat Ecuador sogar beim internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verstoßes gegen ein amerikanisches Handelsabkommen verklagt.

Chevron selbst ist der zweitgrößte Öl-Konzern des Planeten. 2009 machte der Konzern einen Gewinn von 10,5 Milliarden US-Dollar, 2010 verdiente er sogar 19 Milliarden Dollar. Im Klartext: es würde nicht einmal die Hälfte eines Jahresgewinns benötigen, um die ohnehin äußerst niedrige Strafe zu bezahlen.

Doch natürlich ist Chevron seinen AktionärInnen verpflichtet und nicht der Umwelt und der Bevölkerung Ecuadors. Und natürlich helfen internationale Schiedsgerichte des Imperialismus dem Konzern beim Durchsetzen seiner Rechte. Höchste Zeit also, dass die Menschen (nicht nur) in den Ländern des Südens ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und die imperialistischen Konzerne zur Verantwortung ziehen – und dann zum Teufel jagen.

Zum Weiterlesen:

Thesen zu Mittel- und Südamerika (Januar 2007)

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